Mittwoch, Februar 08, 2006

8. Februar zum Vierten

Das Spiel „Wer ist geschmackloser und damit der größere Held für die Meinungsfreiheit“ hat begonnen. Die ersten (reichlich bescheuerten) „Auschwitz-Karikaturen“ rollen an. Wer die dänischen Karikaturen für so unverzichtbar wertvoll im Sinne der Pressefreiheit hält, dass sie noch nicht mal kritisiert werden dürfen, wird aber sicher auch mit diesem Müll keine Probleme haben?

Da wir gerade bei doppelter Moral sind: Von der dänischen Zeitung "Jyllands-Posten", die sich mit ihren Mohammed-Verunglimpfungen als mutige Vorkämpfer gegen die Schere im Kopf inszenierte, kam jetzt heraus, dass sie Jesus-Karikaturen abgelehnt hat - aus Sorge um die Gefühle der Leser. Kritiker wenden nun ein: So richtig Laune scheint der Widerstand gegen die Zensur einigen nur zu machen, wenn er auf dem Rücken von Minderheiten ausgetragen wird. Da ist "Jyllands-Posten" nun geradezu gezwungen, in die Vorwärtsverteidigung zu gehen: Sie erwägt, die angekündigten arabischen Holocaust-Karikaturen zu drucken. Und wie wir von der Netzeitung erfahren, ist sie da nicht die einzige.

Ein weiteres Encore zum Thema Doppelmoral liefert die Debatte um die JUNGE FREIHEIT und die Leipziger Buchmesse. JF-Chefredakteur Dieter Stein schleudert in der morgigen Ausgabe seiner Zeitung allen Einäugigen in Sachen Meinungsfreiheit ein „Ihr Heuchler!“ entgegen. Aber auch andere, führende Presseorgane schalten sich in diese Diskussion ein. So bringt die morgige “Frankfurter Allgemeine” die hiesige Verlogenheit auf den Punkt: „Die Muslime in aller Welt mit einem Vortrag über das hohe europäische Gut der Meinungsfreiheit zu katechisieren, ist in diesen Tagen eine der leichteren Übungen. Hinten, weit in der Türkei, sollen die Menschen in den Genuß einer freien Presse kommen. Heikler wird es, wenn die Sache näher rückt: Die Leipziger Buchmesse hat der Wochenzeitung `Junge Freiheit´ den angemeldeten Stand verweigert. Die Zeitung steht rechts von der Mitte, aber als extremistisch wird man sie (…) nicht bezeichnen wollen.“ Zwar habe die JF einige namhafte Unterstützer gefunden. „Aber das wird nicht viel helfen, denn wer will schon in den Ruf kommen, mit der `Jungen Freiheit´ paktiert zu haben? Warten wir lieber auf die nächste Buchmesse in Damaskus, Algier oder Teheran. Dort wird man sicher auch den einen oder anderen Verlag ausschließen und sich auf mögliche Proteste des muslimischen Volksempfindens berufen. Dann haben die deutschen Großintellektuellen eine passendere Möglichkeit, wieder einmal die so dringend nötige Pressefreiheit anzumahnen.“

Nicht weniger deutlich äußert sich Eckhard Fuhr in der morgigen “Welt”: „Man möchte der Leipziger Messe gern glauben, daß es ihr nicht darum ging, einen politisch mißliebigen Aussteller fern zu halten. Allein, das Sicherheitsargument ist auf eine so dummdreiste Weise an den Haaren herbei gezogen, daß einem die Pressesprecherin Leid tut, die diesen Unsinn vertreten muß. Es gibt in diesem Fall in Leipzig keinen Anlaß, wegen der Sicherheit an der Freiheit Abstriche zu machen.“

Fast schon niedlich ist es, wenn sich der SPIEGEL darüber wundert, dass auch einige von uns Linksliberalen die JUNGE FREIHEIT in solchen Dingen unterstützen: „Überraschenderweise ist auch der Schriftsteller und Mitgründer sowie Autor des Satiremagazins `Titanic´ Eckhard Henscheid aufgeführt, der früher unter anderem für die linksgerichtete Zeitschrift `Konkret´ geschrieben hat. Das Messeverbot für die Wochenzeitung sei `daneben´, sagte Henscheid im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Henscheid sprach von einem generellen `Meinungsterror der Linken´.“ Da mag ich Herrn Henscheid nicht widersprechen – es war exakt dieser Meinungsterror auch bei anderen Themen (Feminismus etc.), der mich der politischen Linken ein gutes Stück entfremdet hat.

Ein Sprechverbot, das ebenfalls mit einem Meinungsterror hierzulande zu tun hat, ist ein Vergleich zweier Apartheidsysteme: Südafrika und Israel. Der britische “Guardian” schert sich nicht drum und macht genau das in einem zweiteiligen Report zum Thema.

Soviel für heute. Schalten Sie auch morgen wieder ein, wenn Sie Arne Hoffmann sagen hören: „Hilfe, meine Verleger wollen mir mein Blog wegnehmen, damit ich endlich wieder an meinen Büchern arbeite …“