8. Februar 2006
Antiislamismus ist auch in den deutschen Buchhandlungen ein starker Trend. Aber er steht auf einem schwachen Fundament, argumentiert die “Zeit” und kritisiert einige Autoren scharf: “Offenbar wurden hier die eigenen - und zwar wissenschaftlich abgesicherten - Erkenntnisse mutwillig verbogen, um am Buchmarkt einen Erfolg zu landen und sich dabei selbst als authentischen und vorgeblich wissenschaftlich legitimierten Ansprechpartner für alles, was mit `den Türken´ oder `dem Islam´ zu tun hat, in Szene zu setzen.“
In der “Welt” äußert sich Wadah Khanfar, Direktor des arabischen Fernsehsenders Al Dschasira, zu den aniislamischen Karikaturen: „Wir respektieren zutiefst freie Meinungsäußerung. Es ist ein sehr wichtiges Gut, vor allem in der arabischen Welt. Aber diese Zeichnungen enthalten keine Information, offenbaren keine Meinung. Sie sind einfach nur verletzend.“
Harry Nutt gibt in der “Frankfurter Rundschau” einiges zu bedenken, was die Proteste und Ausschreitungen in arabischen Ländern angeht: „Zum Abwiegeln besteht kein Grund, aber unklar ist dennoch, was die Fernsehbilder zeigen. Gewalttätige Demonstrationen und Überfälle auf repräsentative Institutionen sind eine Begleiterscheinung vieler sozialer Bewegungen. Sie machen dem staatlichen Gewaltmonopol bisweilen erheblich zu schaffen, eine Gefährdung der Zivilisation sind sie deswegen nicht.“
In der „Süddeutschen Zeitung“ von heute (kein direkter Link möglich) stellt der iranischstämmige Kölner Autor Navid Kermani klar: „Die Mohammed-Karikaturen sind kein zweiter Fall Salman Rushdie. Es war Rushdies unveräußerliches Recht, die eigene islamische Kultur zu diffamieren ... Rushdie steht in einer langen Tradition von Literaten der islamischen Welt, die sich mit dem Islam anlegen. Viele von ihnen haben dafür mit Verboten, Verhaftungen oder gar ihrem Leben gebüßt (auch wenn die orientalische Geschichte nicht annähernd so viele Ketzer aufweist wie die europäische). Der dänischen Redaktion ging es um etwas völlig anderes. Hier wurde eine Minderheit im eigenen Land zu einer Reaktion provoziert, die zur Rechtfertigung dienen sollte, eben diese Minderheit noch weiter zu marginalisieren.“
Die Berliner “taz” schließlich hat zu der dänischen Zeitung „Jyllands-Posten“ einiges zu sagen – und zu ihren „Methoden, die journalistisch höchst zweifelhaft“ seien: „Themen kamen ins Blatt, für die man den Tatsachenbeweis schuldig blieb. Ein Chefredakteur ging, nachdem die Leitung gegen seinen Widerstand passend zu den Parlamentswahlen eine Geschichte über angeblichen systematischen Sozialsystemmissbrauch durch Asylsuchende ins Blatt gehoben hatte. Kurz vor den weltweit bekannt gewordenen Zeichnungen prangte auf der Titelseite: `Islam am kriegerischsten´. Eine groß aufgemachte Geschichte einer muslimischen Todesliste mit jüdischen Namen erwies sich als Fantasieprodukt.“ Wenn hier einige Leute behaupten, man müsse sich im Dienste der Meinungsfreiheit ohne Wenn und Aber mit den dänischen Provokateuren solidarisieren, hinterlässt das inzwischen einen sehr üblen Haugout.
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