Sonntag, Februar 12, 2006

12. Februar 2006

Wie ich hier und andernorts schon verschiedentlich berichtet habe, empfand ich Lars Rensmanns Werk „Demokratie und Judenbild“ vom wissenschaftlichen Standpunkt her als eine nicht geringe Zumutung. Insofern war es für mich ebenso verblüffend wie ärgerlich, als ich lesen musste, dass diese Schrift nicht nur mit einem „summa cum laude“ bewertet wurde, sondern auch bei Amazon mit wahrhaft hingerissenen Elogen bestreut wird, als hätte Rensmann die politische Aufklärung neu erfunden und als sei ausgerechnet dieses Buch ein mustergültiges Beispiel an differenzierter Sachlichkeit. Fast beginnt man nach so viel verzücktem Lob schon an seiner eigenen Wahrnehmungsfähigkeit zu zweifeln – hätte es in diesem Werk nicht so viele Stellen gegeben, die ganz objektiv und nachprüfbar falsch waren (in meiner Ausgabe befand sich eine Riesenliste mit Errata, die nur einen Bruchteil der tatsächlichen Errata abdeckte) und wären darin nicht mittlerweile viele Stellen geschwärzt und der Zugang dazu im Leihverkehr inzwischen aus juristischen Gründen recht schwierig geworden. Der Gedanke liegt also nahe, dass ähnlich wie bei früheren Antisemitismus-Debatten viele Leute denjenigen für den größten Vorkämpfer gegen den Judenhass halten, der sich in den absurdesten Alarmismus und die ausuferndsten Unterstellungen hineinsteigert, seien seine Vorwürfe auch noch so schwer haltbar.

Wie ich gerade mit Freude lese, stehe ich mit meinen Beobachtungen in der Fachwelt nicht allein. So äußert sich der Antisemitismusforscher Klaus Holz in einer umfassenden Stellungnahme sehr deutlich zu Rensmanns Geschwurbel: „Das Buch hat so erhebliche Mängel, dass Teilen abgesprochen werden muss, wissenschaftlicher Text zu sein. Dies betrifft Rensmanns Umgang mit Quellen, seine allzu selektive resp. falsche Rezeption der Fachliteratur, die Missachtung von Grundregeln kollegialer Konkurrenz und das Verschweigen bedeutender Informationen und Argumente zugunsten seiner eigenen Thesen und Theoreme.“ Unter anderem findet es Holz unanständig, „wie Rensmann zuweilen mit Quellen umgeht. Er zitiert (Ludwig) Watzal völlig sinnverkehrend, indem er nur Bruchstücke zitiert, die anscheinend seine Deutung stützen, lässt aber widersprechende, für den Sinn entscheidende Sätze einfach weg.“ Auch Rensmanns Unterstellungen gegenüber anerkannten Historikern wie Jäckel und Mommsen sei inakzeptabel: „Es mag ja sein, dass man als Nachwuchswissenschaftler ein wenig poltern muss, um ins Geschäft zu kommen. Aber derlei ist infam.“ Schließlich gelangt Holz zu dem Schluss: „Die Fehler der Dissertation sind derart offensichtlich, dass es sich nicht um bloße Versehen handeln kann. Auch schlichte Fahrlässigkeit oder sonstige Missgeschicke scheiden als Erklärungen aus. Vielmehr sind die Fehler und Falschdarstellungen entscheidende Hilfsmittel, um Rensmanns Dissertation als großen Wurf und ihn als Neubegründer einer endlich wieder theoretisch durchdachten Antisemitismusforschung erscheinen zu lassen. Dies verstößt gegen das Ethos wissenschaftlichen Arbeitens und ist unredlich. Die Bewertung mit `summa cum laude´ zeigt leider, dass man damit Erfolg haben kann.“