Montag, Dezember 20, 2010

FAZ und "Zeit" enthüllen: Wie die Medien den Kachelmann-Prozess manipulieren

Auch die „Bunte“ zitiert Zeuginnen, ehemalige Geliebte Kachelmanns, die intime Details ausbreiten und Vorwürfe erheben: „Ich bin auch ein Opfer von Kachelmann.“ Mit Exklusivvereinbarungen band die „Bunte“ diese Zeuginnen an sich, mindestens einen der Verträge hat das Gericht mittlerweile beschlagnahmt. In der Verhandlung las Verteidiger Schwenn daraus vor, 5000 beziehungsweise 8500 Euro hätten die Frauen für ihre Interviews bekommen, die „Bunte“ habe ihnen vorgeschrieben, in einem abgedunkelten Auto vorzufahren, das Gericht durch einen Hintereingang zu betreten und gegenüber anderen Medien Stillschweigen zu bewahren. Außerdem habe die „Bunte“ sich verpflichtet, die Kosten zu übernehmen, falls Kachelmann die Frauen verklagen sollte. In der Hauptverhandlung im Landgericht sagten die Zeuginnen dann unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus - es ging ja um ihre Privatsphäre.


Die Frankfurter Allgemeine legt dar, wie ein Schauprozess zum Showprozess wird.

Und die im FAZ-Artikel erwähnte Sabine Rückert tut in der Zeit ihre Bedenken über die Entwicklung des Prozesses kund. Ein Auszug aus einem sehr ausführlichen Artikel:

Auch wer an die Unparteilichkeit der Strafjustiz glaubt, könnte inzwischen meinen, dass sich die 5. Große Strafkammer des Landgerichts Mannheim seit dem Beginn des Verfahrens gegen Kachelmann trotz der dürftigen Beweislage auf Verurteilungskurs befindet. Die Vergewaltigungsschilderung der Opferzeugin Simone genügt nicht einmal den Mindestanforderungen an eine tragfähige Aussage, so das Fazit eines Glaubwürdigkeitsgutachtens. Außerdem hat Simone Polizei und Staatsanwaltschaft mehrfach belogen, als es um die Vorgeschichte der angeblichen Tat ging. Sie hat gefälschte Beweise vorgelegt (siehe Schuldig auf Verdacht, ZEIT Nr. 26/10, und Ein verfahrenes Verfahren, ZEIT Nr. 37/10). Trotzdem zeigte sich in zwei Beschlüssen Anfang Juli die Verurteilungstendenz der Strafkammer: Am 1. Juli weisen die Richter die Haftbeschwerde des damaligen Untersuchungshäftlings Kachelmann zurück – Begründung: »dringender Tatverdacht«. Am 9. Juli eröffnet die Mannheimer Kammer das Hauptverfahren, beschließt also, Kachelmann vor Gericht zu stellen. Dabei darf es eine Hauptverhandlung nur geben, wenn nach Aktenlage eine Verurteilung des Angeklagten zu erwarten ist.

(...) In den Wochen vor dem Verteidigerwechsel fällt auf, dass das Verfahren immer undurchsichtiger wird. Über weite Strecken verhandelt das Gericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Tagelang warten die Reporter vor der verschlossenen Tür von Saal 1, in der Hoffnung auf ein paar Minuten öffentlicher Hauptverhandlung. Inquisitionsprozesse fanden einst hinter dicken Mauern statt – seit mehr als einem Jahrhundert ist der Strafprozess in Deutschland jedoch öffentlich. Den Angeklagten durch eine Vielzahl von Augen- und Ohrenzeugen im Saal vor Willkür zu schützen war immer das Hauptargument für die Gegenwart ebenjenes Volkes, in dessen Namen das Urteil ergeht. Doch von Transparenz oder gar der Kontrolle des Verfahrens durch die Öffentlichkeit kann in Mannheim keine Rede sein.


Wer beide Artikel nebeneinanderstellt, dürfte zu dem Eindruck gelangen: Es gibt ein großes Medienaufgebot, um Kachelmann als Unhold darzustellen. In das, was während des Prozesses tatsächlich vorgeht, haben die Medien jedoch nur wenig Einblick.

Insbesondere Sabine Rückerts Artikel ist definitiv in Gänze lesenswert. Wie rührig zum Beispiel eine Frau, die Kachelmann anfangs sehr zugetan war, dabei mithilft, ihrem Ex-Lover einen Strick zu drehen, sobald sie erfuhr, dass er nebenher mit anderen Frauen etwas laufen hatte, wird darin aufrüttelnd geschildert. Unweigerlich fühlt man sich an den Fall Assange erinnert: Für so manche Frau scheinen Untreue und Vergewaltigung im Prinzip ein und dieselbe Soße zu sein.