"Was der Fall Dominique Strauss-Kahn über unsere Gesellschaft verrät"
Eine meiner Leserinnen weist mich auf einen langen, aber durchaus bemerkenswerten Text zum Fall Strauss-Kahn hin. Nachdem dessen Verfasser, Peter Mersch, mit enormem kriminalistischen Fleiß erarbeitete, was vermutlich überhaupt zwischen Strauss-Kahn und seiner Beschuldigerin vorgefallen war und was nicht, kommt er auf die gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Falles zu sprechen. Hier nennt Mersch folgende vier Grundannahmen aller aktuellen Verschwörungstheorien im Zusammenhang mit einer Vergewaltigung:
- Alle Männer sind potenzielle Vergewaltiger.
- Weibliche Tränen lügen nicht. Dies bedeutet auch: Wenn Frauen Vergewaltigungen zur Anzeige bringen, dann verfolgen sie keine anderweitigen Ziele.
- Männer missbrauchen ihre Macht für Gewalt gegen Frauen. Auch bilden sie gerne Netzwerke, die Frauen an der Erlangung machtvoller Positionen hindern, damit sie weiterhin ungehemmt über Frauen verfügen können.
- Männer kennen keine Gefühle. Konkret: Wenn ein Mann einer Frau ohne deren Einverständnis an die Brust fasst, dann ist sie für den Rest ihres Lebens traumatisiert, wenn ein Mann hingegen mehrere Jahre für eine nicht von ihm begangene Vergewaltigung unschuldig im Gefängnis sitzt und dadurch Familie, Arbeit und soziale Stellung verliert, dann macht das im Grunde nichts, denn er ist ja nur ein Mann.
Damit dürfte beispielsweise das Weltbild der Berliner "taz" treffend umrissen sein.
Nachdem Mersch erklärt hat, inwiefern diese feministische Verschwörungstheorie auch Frauen schadet, die wirklich Opfer sexueller Gewalt geworden sind, wendet er sich der nächsten Frau zu, die Strauss-Kahn einen Übergriff vorwirft. Bei ihr fasst er sich kürzer:
Die Anzeige der französischen Autorin Tristane Banon gegen Dominque Strauss-Kahn wegen einer angeblich versuchten Vergewaltigung vor mehr als acht Jahren ist deshalb auch kein medial zu feierndes Ereignis, an dem sich der zunehmende Mut gepeinigter Frauen ausmachen ließe, sondern sie schadet den wirklichen Vergewaltigungsopfern, da allzu offensichtlich Geld, Aufmerksamkeit, Bücherwerbung und politische Einflussnahme als Hauptmotive im Vordergrund stehen könnten. Anders gesagt: Es ist allein schon aufgrund des Zeitpunkts der Klage, des Berufs der Klägerin und des politischen Kontextes (sie arbeitet angeblich für das regierungsnahe Online-Magazin Atlantico) in höchstem Maße wahrscheinlich, dass dadurch nicht primär ein Verbrechen gesühnt, sondern ein anderweitiger Vorteil erlangt werden soll. Und genau das stört so ungemein an der Sache. Denn aufgrund der breiten Akzeptanz der feministischen Verschwörungstheorie, bei der ein männlicher Beschuldigter a priori bereits als schuldig angenommen wird, können Vergewaltigungsvorwürfe auf geradezu ideale Weise für politische Machenschaften missbraucht werden.
Abschließend gibt Mersch einige Empfehlungen, wie man angesichts der gegenwärtigen Situation mit Vergewaltigungsvorwürfen umgehen sollte. Sie sind weitgehend vernünftig, wodurch sichergestellt sein dürfte, dass sie in der weiteren Mediendiskussion über dieses Thema keine Rolle spielen werden. Stattdessen werden wir mit dem massiv ideologisierten (oder wie Mersch sagen würde: verschwörungstheoretisch geprägten) Gequake von Alice Schwarzer, Ilse Lenz und Barbara Dickmann beschallt.
Wie gesagt: Wer über ausreichend Zeit verfügt, für den könnte es sich durchaus lohnen, den kompletten Text zu lesen.
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