Irrlichter und kluge Köpfe: Die Debatte über das Massaker geht weiter
Kurz nach dem schrecklichen Attentat in Oslo fordern islamkritische Gruppierungen, die sonst jeden Moslem zum potentiellen Terroristen erklären, man solle in ihnen keine potentiellen Terroristen sehen. Das Verbrechen von Anders Behring Breivik, die rund 150 Todesopfer rechter Gewalt in Deutschland seit 1990 oder das Oktoberfestattentat 1980 seien das Resultat bedauerlicher Taten von Einzeltätern, die nichts mit ihnen zu tun haben.
So treffend fasst das Satireblog Der Postillon inzwischen die aktuelle Rhetorik der Islamophoben zusammen.
Ansonsten verblieb die Debatte in Blogs und Zeitungen weitgehend auf dem Stand, den ich hier schon vorgestern skizziert habe, und man muss schon etwas suchen, um Beiträge zu finden, die besonders herausstechen.
Einen originellen Ansatz bietet immerhin das Blog "Die Söhne von Perseus", das zum rechten Rand der Männerbewegung zählt. Dessen Verfasser zerfließt in einem auch insgesamt von viel Schwulst und Pathos getragenen Beitrag regelrecht vor Mitleid mit Anders Breivik:
Wie erstickend muss das politisch korrekte Klima in Norwegen gewesen sein, dass ein anscheinend intelligenter Mann und Unternehmer keinen anderen Weg sah, als mit solch' einer verachtenswerten Verzweiflungstat seiner politischen Perspektive Gehör zu verschaffen? (...) Hätte Breivik nicht den Weg in die sinnlose Radikalität antreten müssen, wenn die politischen Eliten und Meinungsmacher ihm und den Klagen des Volkes zugehört hätten?
Hm, ob das vielleicht ein Hauch zuviel an Identifikation ist? Allerdings bekommt der Verfasser, der einerseits Solidarität mit den Opfern fordert, andererseits aber Hetzblogs wie "Politically Incorrect" auch nach dem Massaker die Stange hält, im zentralen Diskussionsforum der Männerbewegung ordentlich den Kopf gewaschen.
Über den Inhalt von Politically Incorrect klärt inzwischen anhand aussagekräftiger Zitate aus diesem Blog inzwischen auch REPORT MAINZ auf. Über die islamophobe Bloggerszene insgesamt berichtet die Berliner Zeitung. Dort heißt es:
Ein anonymes „Netzwerk demokratischer Widerstand“ listet auf der im Aufbau befindlichen Internetseite Wissenschaftler, Juristen, Politiker, Künstler und Journalisten, teils mit Anschrift, auf, die eine angebliche Islamisierung Deutschlands begünstigen und „durch linke Ideologie aktiv die Zerstörung unseres Heimatlandes betreiben“. Zu den bislang 27 dort aufgeführten Personen gehören Politiker wie Daniel Cohn-Bendit, Joschka Fischer, Volker Beck (alle Grüne), Lale Akgün, Sebastian Edathy und Sigmar Gabriel (alle SPD), Spiegel-Autor Erich Follath und Regisseur Fatih Akin. Sie werden, so schreiben es die Betreiber, „zu einem geeigneten Zeitpunkt öffentlich … zur Verantwortung gezogen“.
Der STERN hat währenddessen Passagen ausfindig gemacht, die den Ausführungen im Artikel der "Söhne von Perseus" verblüffend ähneln:
Die Webseite "Politically Incorrect" (PI), zum Beispiel, eine Plattform weitgehend anonymer Blogger aus dem konservativen bis rechten Spektrum, die seit 2004 lautstark gegen Linke im Allgemeinen und den Islam im Besonderen wettern, findet einen ganz besonderen Umgang mit dem verheerenden Doppelattentat von Oslo und Utøya: In einem Satz beklagt sie wortreich das "teuflische Werk" des Anders Behring Breivik, um im gleichen Atemzug die angeblich "einseitige und nicht selten an Verklärung, Verleumdung und Diffamierung grenzende Berichterstattung" über die wahren Ursachen zu geißeln: "Nach dem furchtbaren, abstoßenden und aufs schärfste zu verurteilenden Verbrechen von Breivik wird immer deutlicher, dass eine schamlose, zynische und zutiefst menschenverachtende Fraktion innerhalb der internationalen Linken sich nicht einmal eine Atempause für ehrliche Trauer, tiefe Betroffenheit und echt empfundenen Schmerz genommen hat", heißt es in einem Beitrag.
Noch weiter rechts, bei der NPD, gibt man sich plötzlich staatstragend und weist den Vorwurf der geistigen Brandstiftung erbost zurück: "Die Politiker der BRD versuchen die Anschläge eines Ökobauern in Norwegen für ihre Zwecke auszunutzen. Die NPD hat an ihrem strikt rechtsstaatlichen Kurs in der Vergangenheit nie Zweifel aufkommen lassen", heißt es in einer Erklärung der Partei.
Ähnlich krass treibt es in ihrem Kampf gegen alles Linke die rechtsextreme Website Altermedia, wie Die Welt berichtet:
„Abt. Schlimmer Finger: Gewalttätiger Anti-Sozialdemokratenprotest in Norwegen“ ist auf der Seite „Altermedia“ zu lesen, eines der populärsten Internetportale der rechtsextremen Szene in Deutschland. Was dann folgt, soll offenbar witzig sein. „Sozialdemokraten scheinen auch in Norwegen nicht beliebt zu sein, woran das nur liegen kann?“ 76 Jugendliche hat der Attentäter Andre Breivik auf der Insel Utøya erschossen. „Altermedia“ hat nur blanken Hohn für sie übrig. Die Opfer, so der Tenor des Blog-Eintrags, seien selber Schuld. Man müsse, schreibt der Verfasser weiter, dem Attentäter eine Handlung im Affekt zubilligen, „die angesichts der sozialdemokratischen Politik in Norwegen und Europa nachvollziehbar ist“. Die Freude der rechtsextremen Blogger über den Anschlag scheint deutlich durch.
Alan Posener befindet zur Debatte darum, ob reale Gewalt durch verbale Gewalt vorbereitet werde:
Ideen haben Konsequenzen. Worte haben Folgen. Wer diesen Zusammenhang nicht sehen will, gilt heute nicht einmal in linken Kreisen als wirklich ernst zu nehmen.
Umso bezeichnender ist es, dass die neurechten Maulhelden, aus deren Dunstkreis Anders B. hervorging, und die ihn zu den Ihren zählten, bevor er das Maulheldentum satt hatte und zur Propaganda der Tat schritt, nun gar nichts mit ihm zu tun haben wollen, keinen Gedanken auf Selbstkritik verwenden, sich vielmehr in bekannter Manier wehleidig schon jetzt als Opfer des linken „Mainstreams“ und jener „Kulturmarxisten“ hinstellen, die Anders B. absolut folgerichtig seinerseits als Opfer heraussuchte. (Mit seinen Mentoren hatte er nämlich auch gemeinsam, dass „der Islam“ als Feind eine abstrakte Chiffre bleibt, während der eigentliche Hass denjenigen gilt, die verdächtigt werden, den Islamisten den Weg zu bereiten. Eine Haltung, die wir vom Stalinismus und vom McCarthyismus her kennen.)
Dabei waren sie – die Kritiker linken „Gutmenschentums“ – immer schnell dabei, wenn es darum ging, „den 68ern“ vorzuwerfen, ihre Ideen hätten zum Terror geführt.
Die Muslimfeinde, deren Ideen Anders B. zu seiner Tat bewegten, sind auch bei jeder islamistischen Terrortat immer schnell mit der Forderung zur Hand, „die Muslime“ müssten sich davon eindeutig und glaubhaft distanzieren.
Und natürlich geht ihnen keine Distanzierung je weit genug. Die Forderung, auch sie müssten sich nun glaubhaft von der Tat des Anders B. distanzieren, weisen sie hingegen weit von sich.
Man darf sich allerdings dennoch fragen, ob es wirklich eine sinnvolle Reaktion der Politik darstellt, wenn etwa der bayrische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nun "Interneteinträge noch aufmerksamer verfolgen" lassen will. Die Zeit kommentiert:
Nach was will er dort eigentlich suchen? Nach islamophober Hetze, wie sie der Attentäter von sich gab? Ob er weiß, dass er recht schnell bei den Postings von Henryk M. Broder landen wird? Oder bei den Populisten von Pro Deutschland?
Ähnlich sieht es der Oeffinger Freidenker:
Für den Dreck, den Behring sich als Ideologie reingezogen hat, braucht es kein Internet. (...) Ganz ohne Internet kann man die Bücher von Henryk M. Broder und Thilo Sarrazin lesen. Man muss den Hasspredigern überall entgegentreten, aber die schlimmsten Hassprediger der Ideologie, der Behring ein blutiges Fanal gesetzt hat, finden sich in den Talkshows von Anne Will bis Maybritt Illner, werden in Auszügen auf Spiegel-Online veröffentlicht und genießen den Status von "Provokateuren". Das sind die Hassprediger, auf die Behring gehört hat, und sie sind nicht im Internet, sondern in unserer Mitte.
Für den Politikwissenschaftler Farid Hafez stellt sich das Problem ähnlich dar:
Rechte Politiker/innen vereinen sich unter dem Banner des Kampfes gegen die "schleichende Islamisierung Europas". Diese Vernetzung bleibt aber nicht auf rechts-rechte Kräfte beschränkt. Seit einigen Jahren wirken einzelne Akteure der "Islamkritik" in die Mitte der Gesellschaft hinein. Ein Hans-Peter Raddatz, der die "Existenzformel des Islam" als "Recht auf Unrecht [...] in der Vernichtung des Unglaubens und des individuellen Denkens zum Schutz der Scharia" beschreibt, wurde in Österreich im April 2010 von einem konservativen Staatssekretär a.D. als Islam-Experte am Podium begrüßt und Henryk Broder ("Der Unterschied zwischen Islam und Islamismus ist wie jener zwischen Terror und Terrorismus") von einem konservativen Bundesminister drei Jahre nacheinander für ein Referat zum Multikulturalismus und zum Islam eingeladen.
Gegen das Denken in Kollektiven, das für die islamophobe Klientel zentral ist, spricht sich das liberale Blog Freiheit und Optimismus aus:
Die Art, in der die Nationalkonservativen den Islam diskutieren, verwischt die Individuelle Verantwortlichkeit und ist geeignet, kollektives Mistrauen und Hass zu schüren. So werden zum Beispiel Vergewaltigungen als eine Strategie des Islams betrachtet. Daher kommt es in der Denkweise der Nationalkonservativen nicht darauf an, welchen Lebenswandel ein einzelner Moslem führt, er sei schon deshalb gefährlich, weil er den Islam verbreitet.
Es war nur eine Frage der Zeit bis ein durch nationalkonservatives Gedankengut motiviertes Verbrechen verübt wurde. Ich habe eher Gewalt gegen Einwanderer befürchtet – was Wirklichkeit wurde, ist der Versuch, Europa mit Terror zu überziehen.
Ein oft anzutreffendes Erklärungsmuster für den Anschlag ist die These, dass es sich um einen Psychopathen handle. Diese These übt unter den Nationalkonservativen ein gewisse Entlastungsfunktion aus: „Morden wollte der Täter sowieso es sei nur Zufall das er sich aus unserer Ideologie ein Rechtfertigung dazu zimmerte“. Damit wird verdunkelt, dass es einen direkten Zusammenhang von Nationalkonservativer Ideologie mit den verübten Verbrechen gibt. Auch sonst ist von der Psychopathenthese nicht viel zu halten: Es ist denkbar das der Täter von Anfang an völlig empathielos war, aber genauso gut dass seine politische Motivation so groß war, dass er sich seine Menschlichkeit selbst abtrainiert hat. Wer eine Ideologie aufbaut, die seine Gegner entmenschlicht und ihnen die größten Verbrechen andichtet, wird damit auch seine Hemmungen verlieren.
An der Kollektivschuldthese, die die Islamophoben den Muslimen überstülpen möchten, stößt sich auch der libertäre "eigentümlich-frei"-Verleger André Lichtschlag. Aus geschlechterpolitischer Sicht zitierenswerter ist aber ein weiterer Beitrag Lichtschlags, in dem er auf das vaterlose Aufwachsen nicht nur Breiviks, sondern vieler anderer Terroristen hinweist. Das ist sicher nicht "entlastend" gemeint, kann aber gut und gerne ein weiterer Faktor in der Genese dieses Charakters sein. Zumal man Lichtschlags Beispiele leicht erweitern kann: Napoleon war fünfzehn, als sein Vater starb, Hitler vierzehn, Stalin zehn. Die Väter von Napoleon und Hitler waren manchmal über Jahre hinweg abwesend. Stalins Vater verließ Stalins Mutter, als das Kind fünf Jahre alt war. Ein kurioses Muster an Einzelfällen? In meinem Buch Sind Frauen bessere Menschen? hatte ich zum Thema Vaterlosigkeit verschiedene Experten zitiert (dort jeweils mit Quellenangabe):
Bereits 1987 erklärte die Jugendrichterin Elisabeth Schröder-Jenner vor dem Jugendwohlfahrtsausschuss in Hannover, dass nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland zwei Drittel aller Vergewaltiger, drei Viertel aller jugendlichen Mörder und Drogenabhängigen, sowie drei Viertel aller Räuber und Einbrecher, die in Strafanstalten und Erziehungsheimen einsitzen, aus vaterlosen Familien stammen (...).
Auch Michael Lamb vom Nationalen Institut für Kindergesundheit und menschliche Entwicklung in den USA sieht in Vaterlosigkeit die Ursache für eine große Zahl von Verhaltensstörungen, darunter Gewalt gegen Frauen und Kinder, Probleme mit der geistigen Gesundheit sowie Schwächen beim Lesen und beim Bestehen von Tests. Lamb bestätigt die Zahlen Schröder-Jenners: 72 Prozent der jugendlichen Mörder und 60 Prozent der Vergewaltiger stammen aus Familien ohne Vater (...).
Diese Erkenntnisse decken sich mit denen, die in einer deutschen Langzeitstudie gewonnen wurden: Demnach haben, wenn nach einer Scheidung ein Elternteil ausgegrenzt wird, 75 Prozent der Kinder noch Jahre später "große Probleme, den Alltag zu bewältigen und längerfristige Perspektiven für ihr Leben zu entwickeln. Knapp die Hälfte hat Probleme mit Alkohol und Drogen, einige haben wegen Beschaffungskriminalität vor dem Richter gestanden." (...).
In Deutschland wurde die Bedeutung des Vaters für das weitere Leben der Kinder vor allem von Matthias Matussek bekannt gemacht. Weil seine Behauptungen dem Trend der Zeit extrem zuwiderliefen, warfen ihm Feministinnen unseriösen Zahlenzauber vor. Man könne zum Beispiel, so argumentierten sie, nicht einfach danach sehen, wie viele Verbrecher ohne Vater aufgewachsen seien und daraus mir nichts, dir nichts eine Verknüpfung basteln, wobei man sämtliche anderen Faktoren außer Acht lässt. Dieser Einwand hört sich sehr vernünftig an: Es ist etwa durchaus denkbar, dass in denselben Schichten und Milieus, in denen Kinder ohne Vater aufwachsen, auch die Kriminalitätsrare höher ist. Aber die neueste Forschung weist in eine andere Richtung. Die beiden Soziologinnen Cynthia Harper und Sara McLanahan verfolgten zum Beispiel den Lebensweg von 6000 Männern von 1979 bis 1993. Sie stellten fest, dass die Wahrscheinlichkeit, im Gefängnis zu landen, für Jungen, die ohne Vater aufgewachsen waren, doppelt so hoch war wie für die anderen. Das galt selbst dann, wenn man andere Faktoren wie Rassenzugehörigkeit, Familieneinkommen, Ausbildung der Eltern und die Art des Wohnorts mit berücksichtigte. Das Risiko stieg sogar noch für Jungen mit einem Stiefvater (...). Auch William Galston und Elaine Carmock, zwei Soziologen, die für Clinton gearbeitet haben, kamen zu dem Schluss, dass die Beziehung zwischen einem fehlenden Vater und Verbrechen so stark sei, dass sie die Beziehung zwischen Rasse und Verbrechen oder niedrigem Einkommen und Verbrechen auslösche.
Allerdings dürfte das Problem der Vaterlosigkeit im Zusammenhang mit Terroristen wie Breivik kaum diskutiert werden, da dies dem aktuellen Trend leichtfertiger Scheidungen, der Ausgrenzung von Vätern, der Verehrung von Alleinerziehenden sowie der Ideologie "Familie ist, wo ein Kühlschrank steht" sehr entgegenlaufen würde.
Zum Abschluss dieses Blogbeitrags möchte ich wie zu seinem Anfang eine satirische Passage verlinken. Ihr Autor macht ganz eigene Vorschläge, um dem rechten Terror zu begegnen:
Um so zu reagieren wie in der Vergangenheit könnte man zum Beispiel:
- Seiten wie Politically Incorrect überwachen, vielleicht sogar einige Blogs und Foren schliessen.
- nordische Typen an Flughäfen etwas genauer untersuchen (und auf jeden Fall mit mit Skepsis beobachten, wenn sie ein Kreuz um den Hals tragen).
- Bei jedem versuchten Bombenanschlag wollen wir eine klare und deutliche Distanzierung hören von Parteien und Organisationen wie der Schweizerischen Volkspartei, dem Front National, der Tea Party und der English Defense League. Ist dies nicht der Fall (oder wird diese Entschuldigung medial nicht verbreitet), stehen sie im Verdacht, den Anschlag eigentlich gutzuheissen.
- Man sollte sich spezielle Verwahrungsmethoden ausdenken für Rechtsextreme, für die die Beweislast für eine Verurteilung nicht ausreicht, wir aber verdächtigen, dass sie der Gesellschaft gefährlich werden könnten. Das existierende Rechtssystem reicht nicht aus, um uns vor ihnen zu schützen.
- Da der mutmassliche Täter heute noch von weiteren Zellen gesprochen hat, sollte er mit "verbesserten Verhörmethoden" befragt werden ("enhanced interrogation techniques" auch bekannt als Folter). Es könnte ein klassischer Fall einer "tickenden Zeitbombe" sein.
Gerade die Islamophoben, mit oder ohne unterschwelligen Überlegenheitsgefühlen, werden nun aufschreien "sicher nicht, das ist was ganz anderes" (viele von ihnen würden sowieso bestreiten islamophob zu sein). Für einmal bin ich mit ihnen einig. Andere werden eine gewisse Bestätigung verspüren, schmunzeln und die Satire natürlich verstehen.
Diese Passage findet sich auf Scienceblogs – und ihr Verfasser Ali Arbia erklärt kurz darauf ganz unironisch zum vernünftigsten Umgang mit der islamophoben Liga:
Wer nicht zur Gewalt aufruft kann nicht direkt für diese verantwortlich gemacht werden. Wenn sich die Hetzer in Europa von der Schweizerischen Volkspartei bis zum Front National nun ihre Hände in Unschuld waschen wollen, um so weiter zu machen wie bisher, muss ich sie jedoch enttäuschen. Erstens müssen sie nämlich auch damit leben, dass dies zum Beispiel für islamistische Prediger gilt, die gegen die Ungläubigen wettern (wie gesagt, eine Ausnahme sind für mich direkte Aufrufe zur Gewalt). (...) Zweitens findet dieser "Freispruch" mit einem weiteren Vorbehalt statt: Nur weil es keine direkte Verantwortung gibt, heisst das nicht, dass alles durchgeht. Die oft systematisch betriebene Dehumanisierung und Ausgrenzung schafft ein Klima, welches solche Täter in ihren wirren Weltsichten bestätigt und legitimiert. Dafür müssen diese Organisationen geradestehen. Sie müssen und sollen zwar das Recht haben, ihren ausgrenzenden Diskurs zu führen, sie müssen aber auch mit den Konsequenzen konfrontiert werden und dem Klima, das sie damit schaffen. Verbieten soll und kann man es nicht. Sie sollen dafür kritisiert werden und sich rechtfertigen müssen.
Und das ist eigentlich die beste Quintessenz aus der bisherigen Debatte: Es gibt einen vernünftigen Mittelweg zwischen "Rechtspopulisten zensieren" und "Rechtspopulisten in jede Talkshow einladen, auf die Titelseiten bringen und sie mit Ehrungen überhäufen". Dieser Mittelweg besteht darin, solchen Leuten entgegenzuhalten: Ihr habt herzlich gerne all die Vorteile angenommen, die mit eurem menschenverachtenden (neudeutsch: provokativen) Mist verbunden war. Dann übernehmt jetzt gefälligst auch die Verantwortung für die Konsequenzen eurer Hetze – statt euch zu allem Übel auch noch als arme, missverstandene Opfer zu inszenieren.
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