Lesermail (Falschbeschuldigungen)
Zum aktuellen Schwerpunktthema dieses Blogs schreibt mir heute der Diplompsychologe und Statistik-Berater Christoph Droß eine ausführliche Mail:
Sehr geehrter Herr Hoffmann,
ich bin regelmäßiger Leser Ihres Blogs "Hinter meinem Schreibtisch" und ich schreibe Ihnen heute, weil das Thema "Falschbeschuldigungen" bei Vergewaltigungsanzeigen hier ja in letzter Zeit häufiger aufgetaucht ist. Bedanken möchte ich mich in diesem Zusammenhang auch für den sehr fundierten und abgewogenen Artikel von Ihnen bei "Eigentümlich frei".
In der Tat ist es ja auch ein etwas "heikles" Thema. Unstrittig sollte sein, dass es leider Vergewaltigungen gibt wie es auch leider Falschbeschuldigungen bezüglich dieses Delikts gibt. In der öffentlichen Debatte kommt es dann oft zu einem Gezerre um die Zahlen. Und naturgemäß leidet diese Diskussion immer darunter, dass es sehr schwer ist, wirklich belastbare Zahlen zu haben.
Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang auf eine Argumentation aufmerksam machen, die man unter dem Titel "Understanding Feminist Rape Statistics" auf Youtube finden kann - nur für den Fall, dass Sie diese noch nicht kennen.
Hier wird sehr logisch argumentiert, dass selbst wenn es so sein sollte, dass tatsächliche Vergewaltigungen sehr viel häufiger vorkommen als Falschbeschuldigungen, dies dann trotzdem zu einem sehr hohen prozentualen Anteil an Falschbeschuldigungen BEI DEN TATSÄCHLICH GETÄTIGTEN ANZEIGEN führt.
Die zentrale - und wie ich finde sehr wichtige - Schlussfolgerung dieser Argumentation ist: Selbst wenn die immer wieder kolportierte Zahl von 3% Falschbeschuldigungen richtig wäre (was sie wahrscheinlich nicht ist, sie stammt aus der sog. "Daphne-Studie", die arg kritikwürdig ist, um es einmal vorsichtig zu sagen), selbst dann also käme man zu sehr viel höheren Anteilen an Falschbeschuldigungen bei den konkreten Anzeigen, mit denen die Justiz zu tun hat.
Das Rechenbeispiel geht kurz gefasst so:
Nehmen wir an, in es gibt 10 Frauen, die tatsächlich vergewaltigt wurden. Nun sagen ja gerade die Feministinnen immer wieder, dass eine Vergewaltigung nur sehr selten überhaupt angezeigt wird. Nehmen wir also wieder an, nur jede 10. Vergewaltigung wird angezeigt. Also eine von den 10 vergewaltigten Frauen erstattet Anzeige und in diesem Fall läge dann
eben auch tatsächlich eine Vergewaltigung vor.
Nehmen wir weiter an: Da Frauen ja das moralisch bessere Geschlecht sind ;-) ist es 10 mal wahrscheinlicher, dass ein Mann eine Frau vergewaltigt als das eine Frau eine Falschbeschuldigung erhebt. Dann kommt also auf 10 tatsächliche Vergewaltigungen 1 Falschbeschuldigung.
Da aber nur einer der 10 tatsächlich vergewaltigten Frauen Anzeige erstattet, die eine Falschbeschuldigerin aber auch (hier ist die Rate der Anzeigeerstattung naturgemäß 100%) sieht das Verhältnis für den aufnehmenden Polizeibeamten so aus: Ihm werden 2 Vorwürfe einer Vergewaltigung präsentiert. Einer davon ist berechtigt, weil tatsächlich eine Vergewaltigung vorliegt. Und eine Anzeige ist eine Falschbeschuldigung. Also ein Anteil von 50% an Falschbeschuldigungen am Ort der Anzeigeerstattung, nämlich bei den Polizeidienststellen.
Der Schlüssel ist: Wie immer bei Prozentangaben muss man beachten, was die Basis ist. xx% von was genau?
Nun dient ja die feministische Argumentation mit den einerseits - wie ich finde - absurd aufgeblähten Annahmen über die Dunkelziffer bei Vergewaltigungen und dem Kleinrechnen der Falschbeschuldigungen dazu, zu sagen: "Falschbeschuldigung finde so gut wie nie statt. Deswegen sollte man das als Arbeitshypothese bei der Aufnahme einer Anzeige vernachlässigen".
Und in diesem Sinne sind ja Menschen im Polizeidienst auch in der Vergangenheit "geschult" und "sensibilisiert" worden. Es wird das Bild in die Köpfe gepflanzt: Wenn eine Frau sich schon traut, eine Anzeige zu erstatten, dann muss mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit etwas dran sein!
Simple Logik kommt aber zu dem gegenteiligen Ergebnis. Selbst wenn man die Annahmen der Feministinnen - die durchaus sehr fragwürdig sind - als richtig unterstellt, kommt man zu einer sehr hohen Quote an Falschbeschuldigerinnen BEI DEN WIRKLICH GETÄTIGTEN ANZEIGEN. Und die aufnehmenden Polizeidienststellen täten sachlich gesehen gut daran, hier auch immer die "Nullhypothese" einer möglichen Falschbeschuldigung mit im Kopf zu haben.
Selbst wenn tatsächliche Vergewaltigungen sehr viel häufiger vorkämen als Falschbeschuldigungen wäre dies im praktischen Geschehen der eingehenden Anzeigen dieser Straftat EBEN NICHT der Fall. Und Anlass zu einer gewissen "Grundskepsis" auch aus statistischer Sicht durchaus angemessen.
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