Mittwoch, Mai 23, 2007

Startschuss zum Schulterschluss

Huch, war das hier nicht eben noch das „Watchblog Islamophobie“? Jetzt ist es wieder „Hinter meinem Schreibtisch“? Ist die Gefahr der neuen Fremdenfeindlichkeit etwa schon gebannt oder habe ich am Ende einfach nur keine Lust mehr?

Weder noch. Tatsächlich hat mein kleines Watchblog in der Vergangenheit einige Aufmerksamkeit auf sich gezogen und wurde sehr nett und gut verlinkt. Immer mehr Menschen haben nicht nur gemerkt, dass mit den ständigen Attacken auf Muslime langsam sozialer Zündstoff entsteht – das war vielen schon lange vor meinem Blog klar -, sie haben auch das immer stärkere Bedürfnis verspürt, sich dagegen zu engagieren. Und zwar gemeinsam. Deshalb haben wir aus meinem Ein-Mann-Projekt jetzt ein Multi-Blog gemacht.

Zum neuen Watchblog Islamophobie geht es jetzt hier lang.

Ich habe großen Wert darauf gelegt, dass das neue „Watchblog Islamophobie“ in keiner Form unter meiner Regie existiert. Insofern bin ich nicht der Admin, sondern ein freier Mitarbeiter wie alle anderen; unabhängig davon, dass dieses Watchblog ursprünglich meiner Idee entstammte. Als linksliberalem Autor, der vielen Linken viel zu rechts und vielen Rechten viel zu links ist, kommt mir eine solche flache Hierarchieebene sehr zupass. Meine Hoffnung geht dahin, dass wir eine ganze Reihe kompetenter, analytisch kluger und wortgewandter Autoren der unterschiedlichsten Couleur zusammenbekommen, die gemeinsam an einem antirassistischen Projekt arbeiten möchten. Ich brauche nur auf meine bei weitem nicht vollständige Blogroll zu schauen, um zu sehen, dass es da genügend Kandidaten gäbe. Vielleicht möchte der eine oder andere mit einem Gastbeitrag beginnen?

Dieses Blog wird ab jetzt wieder als „Hinter meinem Schreibtisch“ weitergeführt. Was genau das thematisch bedeutet, kann ich nicht sagen. Nachdem ich schon in zwei Polit-Blogs hänge, muss ich das hier nicht unbedingt weitertreiben; andererseits mag ich meine privaten Erlebnisse nicht vor völlig unbekannten Leuten ausbreiten. Abgesehen davon erlebt man als kleiner Autor ohnehin nicht so irrsinnig viele spannende Dinge, über die es sich zu berichten lohnt. Man wird sehen.

Dienstag, Mai 22, 2007

Wie ihr euch verteidigt, bestimmen wir!

Angenommen, eine Umfrage würde ergeben, dass die überwältigende Mehrheit der Muslime in den USA Attentate ablehnt und auch dem islamischen Extremismus äußerst kritisch gegenüber steht – mit welcher Schlagzeile könnte man dann rechnen?

Genau: “Ein Viertel der US-Muslime befürworten Terror“

Was genau haben die amerikanischen Muslime eigentlich geantwortet? Dass sie Selbstmordanschläge „zur Verteidigung des Islam“ und „unter gewissen Umständen“ für gerechtfertigt halten. Was genau das bedeutet, wissen die Götter. Es kann gut sein, dass sich die Befragten gedacht haben: Angenommen, ich lebe friedlich in einem islamischen Land, das plötzlich von einem anderen Land überfallen wird; dann finde ich Selbstmordanschläge als Mittel der Gegenwehr denkbar. Schwupps, galten sie als Befürworter des Terrors. Verteidigungshandlungen sind zwar vom Völkerrecht gedeckt, aber doch nicht bei Moslems! Wer die angreift, wird schon wissen, was er tut.

Jedenfalls gelten für viele Leser jetzt ein Viertel der amerikanischen Muslime als latente Terroristen. Bei solchen ständigen Steilvorlagen aus den Medien braucht man sich über die wachsende Hysterisierung unter den Islamophoben nicht zu wundern.

Wacht Amerika auf?

Schon mit seinem letzten Buch „An Inconvenient Truth“ hatte der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore etliche neokonservative Blogger in monatelange wilde Hasstiraden getrieben. Jetzt legt Gore eine Genralabrechnung mit der Regierung Bush vor: “The Assault on Reason“ - zu dem Zeitpunkt, da ich das tippe, auf Platz 5 der amerikanischen Amazon-Charts. Die New York Times (kostenloser und einfacher Log-In erforderlich) stellt das Buch hier vor.

Schweiz: Gemäßigte Reaktion auf moslemfeindliche Initiative

Normalerweise läuft das Spielchen so: Muslime werden diffamiert oder ausgegrenzt und sobald sich der eine oder andere von ihnen darüber ärgert, macht man sich erst recht darüber lustig, dass „diese Moslems dauerbeleidigt und dauerempört“ seien. Wenn es nach den gängigen Klischees geht, müssten die Muslime hierzulande ständig mit Schaum vor dem Mund herumlaufen, sobald sie sich durch irgendetwas provoziert fühlen. Stattdessen reagieren die allermeisten außerordentlich besonnen auch auf die übelsten Attacken. Nicht weniger nüchtern üben Schweizer Muslime derzeit Kritik an einer vermutlich völkerrechtswidrigen Anti-Minarett-Initative. Dem “Tages-Anzeiger“ war es wert, das eigens hervorzuheben.

Montag, Mai 21, 2007

„BILD fühlt sich von Entführungsopfer terrorisiert“

Vor einigen Tagen bloggte ich hier noch über den bemerkenswerten Hass den manche Opfer allein dadurch auszulösen scheinen, dass sie Opfer geworden sind. Jetzt wiederholte sich dasselbe Spiel mit einer anderen Hauptfigur.

Über die neueste Niedertracht aus dem Hause Springer berichtet Bildblog. Der Beitrag enthält auch Links zu vergleichbar guten Artikeln beispielsweise in der „Süddeutschen“.

Verschwörungstheorie du jour: Droht die muslimische Weltherrschaft?

Der Berliner “Tagesspiegel“ äußert sich zu den Schriften des Dr. Ulfkotte:

Der Journalist und Lehrbeauftragte für Spionage- und Terrorabwehr an der Universität Lüneburg sieht den Untergang des Abendlandes greifbar nahe: demografisch, wenn bis zum Jahr 2065 die Hälfte aller Bundesbürger Muslime seien, und politisch, wenn sich bis dahin der Islamismus in ganz Europa durchgesetzt haben werde. Sein Buch befasse sich deshalb „mit dem zentralen Geheimbund, der mit grenzenlosem Hass und einer langfristigen Strategie die europäische Kultur zu zerstören sucht: der Muslimbruderschaft“. Zum Beweis dient ein „Masterplan“, der 1982 verfasst und 2001 in der Schweiz bei einer Hausdurchsuchung entdeckt worden und Teil eines „100-Jahre-Plans“ sei, „um die Ideologie der Muslimbruderschaft rund um die Welt zu verbreiten“. Schon 2020 solle „der Rest der Welt durch eineinhalb Milliarden Muslime niedergeworfen sein“. Das klingt verdächtig nach den ominösen „Protokollen der Weisen von Zion“, mit denen Nazis und andere Antisemiten jüdische Pläne für eine Weltherrschaft beweisen wollten (und die sich längst als Fälschung herausgestellt haben).


Dann ist es vermutlich eh Zeit für eine Neuauflage. Vor irgendwelchen Fremden müssen wir schließlich Angst haben.

Kölns OB: „Aus eigener Erfahrung müsste Giordano wissen, dass so etwas gefährlich ist“

Politiker aus den verschiedensten Parteien kritisieren Ralph Giordano für seine ausgrenzenden Bemerkungen scharf.

Sonntag, Mai 20, 2007

Schweiz: Juden gegen Anti-Minarett-Initiative

Während in Deutschland in letzter Zeit einige prominente (und in den Blogs auch weniger prominente) Juden scheinbar nach dem Motto „Hauptsache, es geht diesmal nicht gegen uns“ ihren Schulterschluss mit Rechtsradikalen suchen, solidarisieren sich Schweizer Juden mit der diskriminierten religiösen Minderheit der Muslime. Radio Vatikan berichtet.

(Der Vollständigkeit halber sollte man erwähnen, dass es auch in Deutschland jüdische Gruppen und Personen gibt, die der Islamophobie entgegentreten. Allerdings sind das bislang nur Einzelstimmen, und man sehnt sich doch sehr zurück nach Persönlichkeiten wie etwa Ignatz Bubis, der 1997 betont hatte, dass vielen der Ressentiments gegen den Islam die gleichen Fehlinformationen zugrunde liegen, die früher zur Verachtung des Judentums geführt hatten.)

Samstag, Mai 19, 2007

„Ralph Giordano fordert die offene Diskriminierung von gläubigen Muslimen“

Auch die „tageszeitung“ ist bestürzt über Ralph Giordanos aktuelle Äußerungen zum Moscheebau in Köln.

Daniel Bax stellt fest, dass Giordano Franz Schönhuber inzwischen rechts überhole und befindet, er rede sich „mit seinen dummen Pauschalisierungen (...) um Kopf und Kragen“. Mit dem Grundgesetz sei seine Geisteshaltung nur schwer zu vereinbaren.

Klaus Jansen kommentiert:

Giordanos Meinung wird in Köln allerdings nur ganz rechts außen geteilt: Während Vertreter aller demokratischen Parteien und CDU-Oberbürgermeister Fritz Schramma den Moscheebau unterstützen, lobte Pro Köln die "profilierte Stellungnahme" des Schriftstellers. Trotz einer "seit Jahren offensiv gepflegten Gegnerschaft" könne Giordanos Engagement hilfreich sein, hieß es in einer Erklärung der Rechtsextremen.


Zu einer von der Linkspartei geforderten Entschuldigung ist Giordano nicht bereit.

Freitag, Mai 18, 2007

Kritik an der Kritik

Vor etwas über zehn Jahren, nach den Brandanschlägen auf Flüchtlinge und auf muslimische Familien, tönte Raph Giordano nach, Juden müssten sich in Deutschland wieder bewaffnen, weil sonst ihr Leben in diesem Staat nicht mehr geschützt werde. Heute beteiligt er sich selbst an Angriffen auf eine religiöse Minderheit. Sulaiman Wilms beschäftigt sich in der “Islamischen Zeitung“ mit seiner bemerkenswerten Wandlung. Ein Auszug:

Giordano, der vor Jahrzehnten noch einen wertvollen öffentlichen Beitrag zur Aufarbeitung des Nationalsozialismus und anderer totalitärer Phänomene leistete, ordnet sich mit diesem Beitrag nun in die Reihe der ranzig gewordenen Ex-Aufklärer ein, die nun auf den lahmen Gaul des "Islambashings" setzen, um ihre lädierte Popularität wieder zu erhöhen. Dass sie dabei den Geist, der ihre eigenen früheren Arbeiten prägte, völlig ignorieren, scheint dabei nicht zu stören. Ärgerlich wird es, wenn das Bewusstsein um die Gefahr des gruppenbezogenen Ressentiments zugunsten des publikumswirksamen Angriffs auf die Muslime über den Haufen geworfen wird.

Donnerstag, Mai 17, 2007

„Ein Hauch von Apartheid“

Das Blog “Wut“ liefert einen Erfahrungsbericht über bedenkliche Vorgänge in Hannover.

Herzlichen Dank an D.G. für den Link!

Mittwoch, Mai 16, 2007

Feministische Muslima verwirrt Dänemark

Es gibt nichts Schlimmeres als Leute, die partout in keine der Schubladen hineinpassen wollen, die sowohl Rechte als auch Linke voller Hingabe zimmern. Der britische „Guardian“ berichtet:

In the land that launched the cartoons war between Islam and the west, Asmaa Abdol-Hamid finds herself on the frontline, gearing up for a new battle.

The 25-year-old social worker, student and town councillor describes herself as a feminist, a democrat, and a socialist. She has gay friends, opposes the death penalty, supports abortion rights, and could not care less what goes on in other people's bedrooms. In short, a tolerant Scandinavian and European.

She is also a Palestinian and a devout Muslim who insists on wearing a headscarf, who refuses, on religious grounds, to shake hands with males, and who is bidding fair to be the first Muslim woman ever to enter the Folketing, the Danish parliament in Copenhagen.


Weiter geht es hier.

Dienstag, Mai 15, 2007

Ausländer-raus-Politik funktioniert!

Die ”Frankfurter Rundschau” berichtet:

Als Ramazan Kuruyüz vor 19 Jahren nach Gießen kam, wollte er hier seine Doktorarbeit in Germanistik schreiben. Und für immer in Deutschland bleiben. "Ich habe mich mit dem Land so weit identifiziert, dass ich im Fall meines Todes hier beerdigt sein wollte", sagt der 44 Jahre alte Vorsitzende der Islamischen Religionsgemeinschaft Hessen (IRH), die nach eigenen Angaben 11.000 Mitglieder aus 30 verschiedenen Herkunftsländern zählt. Inzwischen hat Kuruyüz es sich anders überlegt. Er zog seinen Antrag auf Einbürgerung zurück und kündigt an, in die Türkei zurückzukehren. Um "ein Zeichen zu setzen", wie der Gießener sagt, der an einer Integrierten Gesamtschule in Wetzlar Türkisch und Deutsch lehrt. Weil Muslime in Hessen sich nicht willkommen fühlten. Weil die Landespolitiker, allen voran Innenminister Volker Bouffier (CDU), die Muslime "so unfair und unmöglich behandeln, dass sie Angst um ihren Arbeitsplatz, ihre Familien haben".


Na gut, es ist erst einer. Aber es ist ein Anfang! Die Briten haben´s uns vorgemacht, wie schnell daraus ein Massenexodus werden kann. Den Rest schaffen wir auch noch.

Sonntag, Mai 13, 2007

Die Islamophoben werden den Muslimen Guantanamo niemals verzeihen

Ein beliebtes Zitat des israelischen Psychoanalytikers Zwi Rex lautet: „Die Deutschen werden den Juden Auschwitz niemals verzeihen.“ Der Gedanke dahinter ist, dass jeder überlebende Jude bei (laut Zwi Rex) „den Deutschen“ Erinnerungen an „ihre“ Verbrechen und damit Aggressionen in Form eines sekundären Antisemitismus auslöse. Während Rexens Kollektivierungen hirnrissig sind, ist der Grundgedanke seiner These nachvollziehbar.

Bemerkenswert ist, dass sich dieser Prozess derzeit in ähnlicher Weise bei den Islamophoben abspielt. Der Muslim, der von deutschen Islamophoben derzeit am lautesten gehasst wird, ist bezeichnenderweise nicht Osama bin Laden, sondern Murat Kurnaz. Dessen Verbrechen bestand darin, fünf Jahre lang unschuldig in einem amerikanischen Folterlager gefangengehalten worden zu sein. Dafür wird er in Webblogs wie „Politically Incorrect“ gerne als „Bazille“, „Abschaum“ oder „Parasit“ bezeichnet; und bei der „Achse des Guten“ singt man zu Guantanamo nur noch höhnisch den Song „Guantanamera“, so wie einige Rechte über die Lager der Nationalsozialisten gerne fröhliche Spottlieder singen. Wenn so mancher realisiert, dass die Leute, die er über alles verehrt, in Wahrheit monströse Folterknechte sind, dann scheint für ihn die einzig sinnvolle Flucht in einem menschenverachtenden Hass auf die Opfer zu bestehen. Das gesamte Gefasel von „Wir hassen nur deshalb den Islam, weil uns die Menschenrechte so am Herzen liegen“ fällt bei solchen Passagen regelmäßig in sich zusammen.

Inzwischen hat sich auch der Springer-Journalist Alan Posener zu denen gesellt, die gegen das Folteropfer Kurnaz gerne noch ein wenig nachtreten. Das Blog “Schieflage“ analysiert Poseners Beitrag treffend und landet bei einigen zentralen Fragen:

Was will Posener also erreichen mit seinem Text? Er kann Kurnaz' Schilderungen nicht widerlegen, fährt ihm jedoch mächtig an die Karre. Warum? Was hat er gegen Kurnaz? Oder hasst es Posener, dass man Kurnaz nichts nachweisen kann? Hasst er rechtsstaatliche Methoden und wünscht sich eine Lynchjustiz, die jemanden auf puren Verdacht hin bestraft, wenn derjenige irgendwie nach Terrorist "riecht"?


Für wahrscheinlicher halte ich, dass hier genau jene Parallele zum sekundären Antisemitismus vorliegt, von der ich oben gesprochen habe. Das Opfer wird gehasst, weil es ein Opfer ist.

Auf dem amerikanischen Buchmarkt ist der bekannte Psychologe Philip Zimbardo gerade sehr erfolgreich mit seinem Buch ”The Lucifer Effect: Understanding How Good People Turn Evil”. Zimbardo sieht einen großen Teil der Verantwortung für Untaten, wie sie etwa auch in Abu Ghraib vorgekommen sind, in dem System, das solche Verhältnisse gebiert - und in seinen Architekten bis hinauf zu George Bush. Auch so einige deutsche Blogger und Journalisten könnten als gute Beispiele für Zimbardos Thesen dienen.

Freitag, Mai 11, 2007

Populistische Behauptungen unter der Lupe

Vor zwei Tagen ging es in der WDR-Talkshow „Hart aber fair“ um das Thema Islam. Wie so häufig, fielen dabei einige Behauptungen, die sich mehr durch Plattheiten als eine differenzierte Sicht auf die Wirklichkeit auszeichneten. Immerhin gibt es bei dieser Sendung einen Faktencheck.

Dienstag, Mai 08, 2007

Muslime: „Wir fühlen uns wie die Juden vor 1933“

Das christliche Medienmagazin pro berichtet:

Mehr als ernüchternde Einblicke hinter die Kulissen der zweiten Islamkonferenz, die am vergangenen Mittwoch in Berlin stattfand, bietet ein Beitrag in der aktuellen Ausgabe des Hamburger Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“. Muslimische Vertreter sollen sich etwa über die Berichterstattung der Medien mit dem Hinweis geäußert haben, sie fühlten sich derzeit „wie die Juden“ vor der Machtergreifung der Nazis.


Also dieser Vergleich geht nun wirklich zu weit! Denn wie sah die Lage der Juden in Deutschland vor 1933 aus? Etliche Menschen begegneten ihnen mit einer Mischung aus Angst und Hass. Man behauptete, sie würden eine gesunde Gesellschaft zersetzen. Karnevalsumzüge glänzten mit rassistischen Darstellungen, Karikaturen verunglimpften die Juden als Kollektiv. In Zeitschriften und anderen Veröffentlichungen wurden die Angehörigen dieser religiösen Minderheit ständig attackiert, teils sogar mit Ratten verglichen. Eine kleine Flut von Büchern mit dem Tenor „Die Juden sind unser Unglück“ – an denen sich manch einer eine goldene Nase verdiente – schwappte durchs Land. Eine zentrale Forderung aus Kreisen von Judenhassern lautete, die weitere Einwanderung von Ostjuden zu verhindern. Wer Juden verteidigte, wurde selbst öffentlich zur Zielscheibe gemacht. Man streute völlig unsinnige Behauptungen und Gerüchte über sie – bis hin zur Legende von der großen Weltverschwörung -, die vom intellektuellen Bodensatz der Gesellschaft begeistert aufgenommen wurden. Gleichzeitig blühte ein sogenannter Salon-Antisemitismus im Bildungsbürgertum. Es bildeten sich erste antisemitische Parteien heraus. Erste Gewalttaten hatten gezielt Juden als Opfer. Die allermeisten Juden reagierten auf diese Daueranfeindungen friedlich und hofften still, dass sich diese Hysterie bald wieder legen würde.

Wie man die Situation der Juden vor 1933 mit der Situation der Muslime im Jahr 2007 vergleichen kann, ist mir vor diesem Hintergrund unbegreiflich.

Donnerstag, Mai 03, 2007

"Gegen Islamisten und Ole von Beust"

Astrid Geisler schaut in der heutigen taz Dr. Ulfkotte ein wenig auf die Finger und bewertet die Chancen seiner Partei, die garantiert keine Anti-Islam-Partei sein soll:

Diese Titulierung weist Ulfkotte genervt zurück: "Ich habe viele muslimische Freunde", sagt er.


(Schön zu sehen, dass Beteuerungen wie „Meine besten Freunde sind Juden/Ausländer“ niemals aussterben.)

Seine Partei solle nicht antiislamisch, sondern "antiislamistisch" sein. In der Selbstdarstellung finden sich Ziele wie "Sonderrechte für Muslime abschaffen" oder die Einwanderung "von radikalen Muslimen" vorerst stoppen. Dass solche Forderungen bei vielen Wählern ankommen könnten, scheint gar nicht so abwegig. Schließlich ergaben Studien wie die des Bielefelder Sozialwissenschaftlers Wilhelm Heitmeyer: Die Islamophobie in Deutschland wächst. Der Parteienforscher Frank Decker gibt Ulfkottes Kandidatur in Hamburg dennoch kaum Chancen.


Warum nicht? Den kompletten Artikel gibt es hier.

Also alles in Butter und kein Grund zur Beunruhigung? Leider doch. Denn eine erfolgreiche „antiislamistische“ Partei braucht es gar nicht, um das Leben für Muslime in Deutschland extrem ungemütlich werden zu lassen. Das schaffen auch einzelne Bürger in ihrer „Notwehr“ gegen die „Islamisierung“ ganz alleine.

Mittwoch, Mai 02, 2007

Zerrbild Islam

Die “Frankfurter Rundschau“ fragt sich, warum von der momentanen Rehabilitierung des religiösen der Islam ausgeschlossen bleibe. Ein Auszug:

Die Gesellschaft hält den weiten Kosmos spiritueller Praxis, der an die Stelle des kirchlichen Deutungsoligopols getreten ist, ohne nennenswerte Spannungen aus: Christen, Juden, Buddhisten, Sikhs, Bachblütengläubige, Marienverehrer, Charismatiker, Pantheisten, Atheisten - alle dürfen sein. Man sollte meinen, dass da auch noch ein Platz für den einwandernden Islam frei wäre. Aber die Wege des Herrn sind unergründlich. Und so fällt gegenüber den Allah-Gläubigen der Mut zur Toleranz bisher eher dürftig aus.

Warum? Ist der Islam bei uns so intolerant und gefährlich, dass er nicht tolerabel ist? Nein. Sicher kann man den Führungen von Islamrat oder Zentralrat der Muslime getrost autoritäre Gesinnung unterstellen; aber mindestens genauso anachronistisch wie ihr Ruf nach getrenntem Sportunterricht für Jungs und Mädchen ist der Kreuzzug des katholischen Bischofs Mixa gegen frühkindliche Krippenbetreuung.

Gewiss sind Frauen in der muslimischen Community benachteiligt, ja unterdrückt. Aber abgesehen davon, dass das mehr mit Patriarchat als mit Religion zu tun hat: Auch die Strukturen der katholischen Kirche sind von Gleichberechtigung weit entfernt. Wiederverheiratete Geschiedene werden sogar systematisch ausgegrenzt. Daran indes haben wir uns gewöhnt, und wir sagen zynisch: selbst schuld, wer das mit sich machen lässt.

Die Mehrheitsgesellschaft, und das ist der Kardinalfehler, nimmt den Islam in Deutschland bisher fast nur durch seine extremen Ränder wahr. Dazu zählen die männlichen Machtgruppen an der Spitze der islamischen Interessensverbände, ferner islamistische Zirkel unter Verfassungsschutzbeobachtung und, ganz am anderen Ende, die wortstarke Gruppe säkularisierter Muslime wie Necla Kelek und Seyran Ates, die dem Islam mehr oder weniger pauschal die Demokratietauglichkeit absprechen. So kann nur ein Zerrbild entstehen.