Sonntag, Februar 07, 2010

Bürgerrechte bei den Grünen ohne Debatte?

Jens Ferner, der sich mit seinem Blog "Randfigur" als "kritische Stimme der Grünen" versteht, widmet sich in einem aktuellen Eintrag dem bekannten Problem, dass Gleichberechtigung in dieser Partei noch immer arg ideologisch verstanden wird – so dass wie gestern hin und wieder schon mal eine komplette Debatte ausfällt, weil sich keine Frauen dazu zu Wort gemeldet haben. Falls ein Mann zum anstehenden Thema einen Redebeitrag vorbereitet hat, fällt dieser Beitrag eben unter den Tisch. Jens Ferner kommentiert dieses Regularium der Grünen so:

Dabei muss man sich die Ironie auf der Zunge zergehen lassen: Gewählte Delegierte dürfen auf einem grünen Parteitag ausgerechnet zum Thema Bürgerrechte nicht reden, weil sie das “falsche” Geschlecht haben. Das alleine spricht für sich und verletzt mich in meinen Überzeugungen zutiefst. (...) Parteitage, auf denen Debatten wegen Geschlechterfragen zu den wichtigsten Themen unserer Zeit nicht mehr stattfinden können, sind undemokratisch und eine Partei, die das forciert, kann und darf ich nicht unterstützen.


Mit dieser Haltung steht Jens Ferner bei den Grünen jedoch offenbar sehr alleine da. Die meisten anderen grünen Männer finden das herrschende Prozedere allem Anschein nach voll gleichberechtigt und so.

Pikant ist, dass die Grünen zu den Parteien gehören, in denen eine Zwangsquotierung unserer Unternehmen mit beispielsweise 40 Prozent Frauen im Vorstand (nach norwegischem Modell) durchaus befürwortet wird. Was ist, wenn der Vorstand einer Firma aus sagen wir regulär zehn Mitgliedern besteht, aber nur zwei Frauen aufgrund ihrer persönlichen Lebensplanung bereit sind, einen zeitintensiven und hochstressigen Vorstandposten zu besetzen? Legt man das Modell der innerparteilichen Debatten bei den Grünen als "Lösungsweg" an, würde das bedeuten, dass der Firmenvorstand dann eben halbiert werden muss, so dass dort jetzt eben statt zehn Leuten nur noch drei Männer und zwei Frauen das Unternehmen leiten und so die 40-Prozent-Quote gewährleistet ist. Willkommen in Absurdistan.

Man muss im Gesamtzusammenhang meines Blogs hier leider auch anmerken, dass die politische Rechte hierzulande nicht so stark geworden wäre, wenn die politische Linke bei einigen wesentlichen Fragen noch alle Tassen im Schrank gehabt hätte.

Zum selben Thema findet man in Ferners Blog den ebenfalls lesenswerten Beitrag Warum Inhalte – wir haben doch Frauen. Dort stellt Ferner einige berechtigte Fragen:

Warum sind 60% Frauen auf einer Liste, ohne jeglichen inhaltlichen Bezug, besser als 60% Männer, 60% “Menschen unter 30″ oder 60% “Menschen mit junger Familie”? Ist es wirklich zeitgemäß, in einer Zeit, in der sexuelle Identität und sexuelle Ausrichtung endlich offen thematisiert werden, immer noch blind nach Geschlechtern zu separieren?


Insgesamt gelangt der Rechtsanwalt Ferner zu folgendem treffenden Urteil:

Die Politik der Gleichberechtigung ist (...) bei den Grünen längst eine selbstlaufende Geschlechter-Politik, die sexuelle Identitäten und modernes Denken in den Köpfen vieler junger Männer schlicht verhöhnt. Wer sich Demokratie auf die Fahnen schreibt und zugleich stolz ist, dass nur auf Grund des Geschlechts Menschen Rechte verwehrt werden (etwa wie bei den Grünen Männern kategorisch der erste und jeder weitere ungerade Listenplatz) der verkennt nicht nur die Demokratie an sich, der hat längst den Boden unseres Grundgesetzes verlassen.