Dienstag, Dezember 21, 2010

Wie "P.M." die Frau als höherwertigen Menschen verkauft

Vor hundert Jahren präsentierten Leute wie Otto Weininger und Paul Möbius in ihren pseudowissenschaftlichen Traktaten die Frau als minderwertigen Menschen, und manches von diesem Quatsch schaffte es bis in die angesehene Encyclopedia Britannica. Heute haben vielfach die Geschlechterrollen nur gewechselt. Immerhin bohren aber aufgrund einer wachsenden Männerbewegung inzwischen die unterschiedlichsten Leute gleichzeitig an den unterschiedlichsten Stellen, um dem pseudowissenschaftlichen Unfug der Gegenwart den Garaus zu machen.

Aktuell setzt sich der Sozialpädagoge Wolfgang Wenger, Leiter der Männer- und Jungenzentrale Rosenheim, in einem offenen Leserbrief mit einem Artikel der Zeitschrift "P.M." auseinander, für den der "Society-Experte" (Klatschreporter) Michael Kneissler verantwortlich zeichnet. Wolfgang Wengers Brief veröffentliche ich gerne auch in meinem Blog:

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich beziehe mit auf den Artikel: Die größten Irrtümer der Weltgeschichte

Unter "die Frau als minderwertiger Mensch" schreiben sie zunächste über Hexen, die verbrannt wurden, weil sie zu klug oder zu aufsässig waren. Die Hexenforschung sieht keinerlei Zusammenhang zwischen besonderer Klugheit oder Auffälligkeit bei der Verfolgung von Hexen, wohl aber, dass Frauen als besonders anfällig für okkulte Praktiken galten. In Verbindung mit der großen Zahl verfolgter Zauberer und Ketzer ist ein Unterschied zwischen verfolgten Männern und Frauen kaum gegeben - nur die Gründe waren andere.

Das Frauenwahlrecht wurde später eingeführt als das Männerwahlrecht - aber nicht sehr viel später (Ausnahme Schweiz). Auch Männer hatten kein generelles allgemeines Wahlrecht, sondern mußten sich dieses erst hart erkämpfen. Das Frauenwahlrecht wurde dann gemeinsam von Frauen und Männern erkämpft.

Die These von der Minderwertigkeit der Frau versuchen Sie nicht zu widerlegen, sondern offensichlich mit einem Gegengewicht zu entkräften, indem sie die Minderwertigkeit des Mannes versuchen zu begründen. Im Mutterleib sind die Embryonen meines Wissens nicht zunächst weiblich, sondern das Geschlecht ist durch die Chromosomen bereits von Beginn an festgelegt. Die äußeren Geschlechtsmerkmale bilden sich dann nach und nach aus. Auch ein dreijähriger Junge ist bereits ein Junge - obwohl er sich noch nicht rasieren muß. Nur weil Männer Bart tragen können, heißt das nicht, daß der Junge zunächst mal weiblich sei. Entsprechendes gilt für das Embryo. Die Vagina ist eben keine Vagina, sondern ein Gewebe, dass sich zu Vagina ODER Penis entwickeln kann. Alles andere wird nach Gutdünken hineininterpretiert, so wie vor hundert Jahren manche im Embryo einen Lurch oder eine Kaulquappe gesehen haben. Dies beschreibt aber keine wissenschaftliche Tatsache, sondern nur die Phantasie des Betrachters.

Energisch verwahren möchte ich mich gegen die Behauptung, die Frau sei der vollkommenere Mensch. Ich gebe kein Geld für eine Zeitung aus, in der ich als Mangelwesen abqualifiziert werde. Keinesfalls darf es wieder passieren, daß einige Menschen sich unwidersprochen als höherwertig und vollkommener bezeichnen. Auch am weiblichen Wesen wird die Welt nicht genesen, und die Vorzüge einzelner Geschlechter sollte man nicht gegeneinander ausspielen. Sie ergänzen sich, und es ist ohnehin noch die Frage zu klären, welche geschlechtlich determiniert sind und welche ohnehin nur anerzogen.

Ich habe die entsprechende Seite aus dem Heft entfernt. Ich lege die Zeitschrift in meiner Praxis aus und ich möchte nicht, daß ein 11-12jähriger Junge sich beim Lesen ihrer Zeitschrift als Mängelwesen vorkommt. Sollten sich solche "aktuellen großen Irrtümer der Weltgeschichte" in Zukunft häufen, muß ich die Zeitschrift abbestellen, da sie dann meinen jungen Klienten nicht mehr empfohlen werden kann.


Über Michael Kneissler, den Autor des bekloppten P.M.-Artikels, hat sich übrigens schon Stefan Niggemeier lustig gemacht. Dessen Fazit lautete: "Wenn Leute wie (...) Michael Kneissler in Zukunft öfter ausgelacht werden, ist schon viel gewonnen."