Die wachsende Feindschaft gegen Muslime war im Dezember 2008 das Thema einer Tagung des Zentrums für Antisemitismusforschung, bei der die aktuellen Ressentiments mit dem Instrumentarium der Vorurteilsforschung untersucht werden sollten. Vermutlich waren die Veranstalter dieser Konferenz selbst ein wenig überrascht davon, dass diese Feindseligkeiten inzwischen so groß waren, dass die Tagung selbst in heftigen Reaktionen der Presse und der islamfeindlichen Bloggerszene angegangen wurde – überwiegend ohne die gehaltenen Vorträge überhaupt zu kennen. Um die Debatte wenigstens auf eine vernünftige Grundlage zu stellen, erschien im Februar 2009 eine Dokumentation der Tagung unter dem Titel
"Islamfeindschaft und ihr Kontext" im Metropol Verlag.
In seinem Vorwort zu diesem Band widmet sich Wolfgang Benz, der Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung, kurz dieser politischen Kampagne gegen die Wissenschaft: "In der Bloggerszene wurde mit großer Wut (und weitgehend unter Verzicht auf Anstandsregeln) gekämpft. (…) Die seriösen Medien berichteten objektiv. Zwei israelische Zeitungen haben allerdings Hasstiraden publiziert, die ebenso infame wie obskure Verdächtigungen gegenüber dem Zentrum für Antisemitismusforschung enthalten. Für die Motive des Autors der Beiträge, eines ehemaligen Doktoranden des Zentrums, gibt es Erklärungen, die nicht schmeichelhaft sind. Dass die genannten Zeitungen die Verleumdungen druckten, hat auch Leser in Israel erstaunt." Schließlich entkräftet Benz den Vorwurf, das Zentrum befasse sich angeblich nicht mit dem Judenhass von Islamisten, indem er auf frühere Veranstaltungen zu diesem Thema hinweist.
Von Wolfgang Benz stammt auch der Einführungstext zur Konferenz, worin er erklärt, warum sich das Zentrum für Antisemitismusforschung auch mit der Islamophobie auseinandersetzt: "Die Parallelen von Antisemitismus und Islamfeindschaft sind unverkennbar: Mit Stereotypen und Konstruktionen, die als Instrumentarium des Antisemitismus geläufig sind, wird Stimmung gegen Muslime erzeugt. Dazu gehören Verschwörungsfantasien ebenso wie vermeintliche Grundsätze der Religion, die ins Treffen geführt werden. Die Wut der Muslimfeinde ist dem alten Zorn der Antisemiten gegen die Juden ähnlich; die Verabredung einer Mehrheit gegen das eine oder andere Kollektiv der Minderheit, das als solches ausgegrenzt wird, ist gefährlich, wie das Paradigma der Judenfeindschaft durch seine Umsetzung im Völkermord lehrt." Sowohl der jüdischen als auch der islamischen Religion werde vorgeworfen, sie sei inhuman und verlange von ihren Anhängern aggressive Verhaltensweisen gegenüber Andersgläubigen. Auch die Islamophobie sei "das Resultat von Bedrohungsängsten, die sich gegen die Idee der
Toleranz als einer zentralen Kategorie der demokratischen Werteordnung ausweiten."
Beispielhaft als eine der Schriften, die sehr kritisch zu betrachten sind, greift Benz das Buch
"SOS Abendland" heraus: "Der Autor, Udo Ulfkotte, ist gewiss nicht ernst zu nehmen, der Verlag gehört ebenfalls nicht zu den renommiertesten Häusern, aber die Leser, deren Ängste angerührt sind, interessiert das wahrscheinlich nicht. Der Text stimuliert das Bedürfnis vieler nach schlichten Welterklärungen und mobilisiert Feindbilder mit suggestiven Fragen". Nicht zuletzt wiederhole der Moscheestreit der Gegenwart antisemitische Motive in den Synagogendebatten des 19. Jahrhunderts.
Der Hauptteil des Buches ist so gegliedert, dass zu vier Redebeiträgen jeweils eines Forschers der Kommentar eines anderen tritt. Der Band schließt mit dem Protokoll der Podiumsdiskussion "Feindbild Muslim – Feindbild Jude" vom 8.12.2008 und einem Anhang Wolfgang Benz' über Antizionismus als islamischen/islamistischen Antisemitismus.
In ihrem Beitrag zum Thema Islamfeindschaft analysiert Angelika Königseder wie etwa die Lehrerin Fereshta Ludin dafür ins Ziwelicht gerückt wurde, dass sie erfolgreich vor dem Bundesverfassungsgericht darauf klagte, auch im Unterricht ein Kopftuch tragen zu dürfen. So warf ihr etwa der SPIEGEL vor, sich nie von Extremisten wie Metin Kaplan oder dem Ayatollah Chomeini distanziert zu haben: "Damit unterstellen die Spiegel-Autoren der deutschen Staatsbürgerin Ludin, ohne dass diese sich jemals in irgendeine Richtung extremistisch geäußert hat, eine grundsätzliche Übereinstimmung mit Radikalen." Umgekehrt würde "niemals an einen Bewerber mit christlichem Hintergrund die Anforderung erhoben, sich von radikalen protestantischen oder katholischen Führern im In- und Ausland zu distanzieren, um seine demokratische Gesinnung unter Beweis zu stellen."
Auch die Proteste gegen Moscheebauten erscheinen Königseder fragwürdig: "Dass die Errichtung eines Gotteshauses kein Gnadenakt, sondern ein verfassungsmäßig garantiertes Recht ist, scheinen die Kritiker, die an anderer Stelle regelmäßig betonen, dass die Muslime sich an unser Grundgesetz zu halten haben, nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen." Wenn selbst eine anerkannte Autorität wie der Publizist Ralph Giordano die Proteste im Kölner Stadtteil Ehrenfeld zu einem Rundumschlag gegen den Islam nutze und dafür breite Resonanz fände, werde deutlich, "dass Islamophobie keineswegs nur ein von rechts besetztes Vorurteil ist, sondern weit in die bürgerliche Mitte hineinreicht." Insbesondere aus der FAZ ließen sich zahlreiche Beispiele anführen, von denen Königseder lediglich die "hetzerischen Thesen" in dem Pamphlet "Der Islam will die Welteroberung" eines offenbar fachfremden Althistorikers anführt, das Wochen später von einer fachkundigen Historikerin unerbittlich zerpflückt wurde.
In ihrem Kommentar zu Angelika Königseders Beitrag weist Sabine Schiffer darauf hin, dass ein Hindernis dabei, die Parallelen zwischen Antisemitismus und Islamophobie zu untersuchen, darin besteht, dass mit dem Begriff des Antisemitismus automatisch "Holocaust" assoziiert wird: "So kommt die Vorstellung von der Relativierung des Holocaust zustande, weil kaum jemand die Verlaufsformen des antisemitischen Diskurses kennt". Wer aber einen Vergleich des islamophoben mit dem antisemitischen Diskurs mit dem Schlagwort "Gleichsetzung" zu unterbinden suche, "verrät seine Zugehörigkeit zum Lager der unwissenschaftlichen Kulturkampfpropagandisten, die mittels Zensur und Tabus gerne unterbinden wollen, dass man deren Agitation erkennt". Dabei falle auf, dass häufig dieselben Leute, die die Verbrechen des Dritten Reichs politisch korrekt in den Rang des Unvergleichbaren heben möchten, keine Bedenken haben, ihrerseits mit solchen Vergleichen zu hantieren: "Wenn (…) davon gesprochen wird, dass vom Iran ein 'atomarer Holocaust' drohe, dann handelt es sich um nichts anderes als einen Nazi-Vergleich, der darauf angelegt ist, die Singularität des Holocaust zu leugnen, was ihn relativiert. Bei diesem wie einigen anderen Vergleichen bleibt der Aufschrei der Empörung jedoch oft aus."
Schiffer führt Ähnlichkeiten zwischen Islamophobie und Antisemitismus aus. So versuchte man die Berechtigung des Antisemitismus auf ähnliche Weise mit Stellen aus Halacha und Thora zu belegen, wie man heute mit Koransuren die Berechtigung der Islamophobie begründen will. Auf antiislamischen Internetplattformen erscheine zudem "bei vordergründiger Beteuerung von Solidarität mit Israel und den Juden eine auffällige Kontinuität in der Ablehnung gemeinsamer Bräuche, wie zum Beispiel des Schächtens als tierfeindlicher Ritus (…) Und ganz aktuell finden Gräberschändungen sowohl jüdischer als auch muslimischer Fredhöfe statt und so wie die jüdischen Gemeinde in Erlangen Schmähbriefe mit Nazi-Symbolen erhält, erhält die muslimische Gemeinde Schmähmails mit vergleichbarem Inhalt, aber ohne Nazi-Symbole". Sowohl gegen das Judentum als auch gegen den Islam gebe es in den einschlägigen islamophoben Weblogs Verschwörungstheorien etwa über eine angebliche Steuerung der Medien: "Der gleiche shizophrene Widerspruch zwischen dem jüdischen oder muslimischen 'Underdog' oder 'Verlierer' auf der einen und dem omnipotenten jüdischen oder muslimischen Weltbeherrscher auf der anderen Seite ist nicht zu leugnen." Schiffer verweist aber auch auf Unterschiede: "Während der Antisemitismus heute offiziell verpönt ist, scheint Islamfeindlichkeit durchaus legitim. Während etwa antisemitische Karikaturen kritisiert werden, sollen antiislamische – wie die dänischen – als Ausdruck von Meinungsfreiheit behandelt werden." Offenbar bestimme der Zeitgeist, gegen welche Gruppe Fremdenfeindlichkeit gerade gerechtfertigt erscheint: So könne es gut sein, "dass wir uns in zehn Jahren wieder hier zusammenfinden, um das antiasiatische/antichinesische Feindbild zu erörtern". (Und wer immer diese Ressentiments dann als erstes in einem Buch zusammenballen würde, könnte damit vermutlich einen gewinnbringenden Bestseller landen.)
In dem auf Schiffers Kommentar folgenden Beitrag behandelt Juliane Wetzel "Judenfeindschaft unter Muslimen in Europa". Zu den Maßnahmen, die gegen von Moslems begangene antisemitische Akte ergriffen werden sollten, nennt Wetzel in Übereinstimmung mit Jean-Christophe Rufin (Mitbegründer von "Ärzte ohne Grenzen") "Diskriminierungen und soziale Marginalisierung einzelner Bevölkerungsgruppen zu beseitigen, aber auch polizeiliche Repressionen und disziplinarische Maßnahmen in den Schulen zu verstärken". Wetzel verweist aber auch auf die aktuelle Forschungslage, der zufolge "entgegen einer verbreiteten Meinung die Muslime in Frankreich nicht mehrheitlich antisemitisch seien und auch der radikale Islamismus eher schwach vertreten sei". Nicht zuletzt sollte muslimischer Antisemitismus nicht dazu verwendet werden, den christlichen Judenhass zu verschleiern: "Ritualmord- und Hostienfrevellegenden ebenso wie längst widerlegte Schuldzuschreibung gegenüber Juden, sie hätten Christus ermordet, sind bis heute nicht gänzlich überwunden. judenfeindliche Versatzstücke im Islam sind weder in ihrer Radikalität noch in ihren Konsequenzen mit den Auswüchsen des christlichen Antijudaismus zu vergleichen" Hier spricht Wetzel an, dass muslimischer Antisemitismus von evangelikalen Gruppen nicht aus besonderer Empathie für Juden und Israel thematisiert werde, auch wenn dies vordergründig so erscheine, sondern um von den schwarzen Flecken auf der eigenen Weste geschickt abzulenken. So gelangt Wetzel zu der berechtigten Frage: "Übernimmt die Fokussierung auf den 'islamisierten Antisemitismus' in Deutschland nicht eine Stellvertreterfunktion, die eine Verdrängung der Auseinandersetzung mit antisemitischen Stereotypen in der Mehrheitsgesellschaft ermöglicht, und passt er nicht allzu gut in das Repertoire einer islamfeindlichen Stimmung, die ihn als willkommene Schuldzuschreibung gegen die Muslime in Deutschland nutzt?"
In seinem Kommentar zu Wetzels Beitrag hinterfragt Sergey Lagodinsky den Ausdruck "Islamophobie" und argumentiert, weshalb der Ausdruck "Moslemfeindschaft" besser geeignet sei. Auch in anderer Hinsicht seien noch begriffliche, empirische und analytische Lücken zu schließen, wenn man das Instrumentarium der Antisemitismusforschung auch auf Ressentiments gegen Muslime anwenden wolle.
Yasemin Shooman widmet sich in ihrem Beitrag der "Islamfeindschaft im World Wide Web". Dazu stellt sie fest, "dass sich im deutschsprachigen Internet eine regelrechte islamfeindliche Szene herausgebildet hat" und führt Websites wie "Die grüne Pest", "Stop Islam" und "Akte Islam. Für Europa – gegen Eurabien" beispielhaft auf. Dieser Szene ist Shooman zufolge gemein, dass sie sich "einen eigenen Sprache mit speziellen Codes bedient und sich dem Kampf gegen den Untergang des Abendlandes verschreiben hat". Auch teilten die genannten Websites "eine bipolare Weltsicht, wonach Muslime keine Europäer sein können. Sie stünden vielmehr für das 'Andere', das, sofern es nicht wirkungsvoll bekämpft werde, sich unaufhaltsam ausbreiten und das 'Eigene' zerstören werde."
Für ihre weitere Analyse greift Shooman aus diesen Websites das "im November 2004 von dem Grundschullehrer Stefan Herre" gegründete Blog "Politically Incorrect" (PI) heraus, das "als exemplarisch für die Entwicklung der islamfeindlichen Internetszene" gelten könne. In einem knappen, aber sachkundigen Abriss stellt Shooman dar, welche Inhalte und Auffassungen man auf "Politically Incorrect" findet: "Stefan Herre und seine Mitstreiter sind davon überzeugt, dass bestimmte Themen, wie der drohende Klimawandel, in den Medien lanciert würden, um von der bevorstehenden 'Islamisierung' abzulenken. (…) Ausgehend von der Annahme, der öffentliche Diskurs werde im Verborgenen von Muslimen gesteuert – wobei die Parallele zu antisemitischen Topoi unübersehbar ist – , wird ein existentielles Bedrohungsszenario entworfen " Zentral sei dabei auch eine ideologische Verzerrung des arabischen Wortes "taqiyya", das bedeutet, dass ein Moslem seinen Glauben verbergen darf, wenn sein Leben und das seiner Angehörigen von Auslöschung bedroht ist. In der Ideologie der Islamophoben bedeute "taqiyya" aber schlicht Täuschung oder Verstellung, so dass etwa auch ein Moslem, der sich nachdrücklich für demokratische Werte einsetzt, lediglich als Beleg dafür verwendet wird, wie verlogen Muslime doch seien. Es gibt mithin für Muslime keine Möglichkeit, die Islamophoben durch ihr eigenes Verhalten von deren Verfolgungswahn abzubringen. In diesem Zusammenhang weist Shooman darauf hin, "dass Muslime nicht die erste religiöse Minderheit sind, gegen die ein solcher Täuschungsvorwurf erhoben wird: In einschlägigen antisemitischen Pamphleten des 19. Jahrhunderts ist diese vermeintlich 'jüdische Eigenschaft' ein ständig wiederkehrendes Motiv."
Shooman erkennt zutreffend, dass die nach Einstellung der redaktionellen Beiträge geöffneten Kommentarbereiche von Politically Incorrect "das eigentliche Herzstück der Website sind. Sie tragen wesentlich zur Selbstinszenierung von PI als Sprachrohr für 'Volkes Stimme' bei. Im Schutze der Anonymität entlädt sich in ihnen eine zum Teil überbordende Aggression." Shooman nennt einige, normalerweise sehr extreme, für PI aber typische Äußerungen als Beispiel und beschreibt den hier stattfindenden Mechanismus: "Die Diskutanten versuchen in ihren Beiträgen, sowohl was die Radikalität der geäußerten Inhalte als auch, was die verbalen Ausfälle gegen Muslime angeht, einander zu übertreffen." Dabei kommen sie bezeichnenderweise "ohne Belege für ihre Anschuldigungen aus, denn Betrug und Täuschung sind in ihren Augen Wesenseigenschaften 'des Islam' und mit ihm aller Muslime oder Menschen, die als solche 'identifiziert' werden." Da auf PI von den
"angeborenen unangenehmen Eigenschaften" von Muslimen ausgegangen werde, könne man hier mit Fug und Recht von einem "antimuslimischen Rassismus" sprechen. Auch darin wird Shooman jeder, der die Texte auf Politically Incorrect aufmerksam verfolgt, klar zuzustimmen.
Besonders anerkennenswert ist allerdings, wie Shooman herausarbeitet, dass die islamophobe Gemeinde bei ihrem Treiben nicht von rassistischen Bedrohungsängsten alleine motiviert wird. Indem der Islam nämlich immer wieder mit totalitären Ideologien wie dem Nationalsozialismus verglichen werde, wird mit dem Kampf gegen den Islam auch eine starke Entlastungsfunktion verbunden. "Dieselbe Funktion kommt auch der ständigen positiven plakativen Bezugnahme auf Israel und die Juden zu, mit denen die PI-User eine Art Opfergemeinschaft imaginieren. Sie sehen sich, quasi analog zu den NS-Verfolgten, als 'neue Opfer' – diesmal einer drohenden oder sogar schon verwirklichten pro-islamischen Diktatur in Deutschland." So habe PI etwa nach der Verhinderung des "Anti-Islamisierungskongresses" der vom Verfassungsschutz unter dem "Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen" beobachteten Bürgerbewegung "Pro Köln" im September 2008 mit einem Artikel reagiert, in dem es heißt: "Wer gestern die Vorfälle in Köln mitbekommen hat, kann sich ansatzweise vorstellen, wie sich die Menschen im Dritten Reich gefühlt haben, als sie gegen die Diktatur angekämpft haben. (…) Die Menschen im Dritten Reich haben aus dem Untergrund das System bekämpft, genau das machen wir derzeit auch, wir sitzen im Untergrund."
Diese vermessene Phantasie, mit der sich die PI-Gemeinde von den Erben der Täter auf die Seite der Opfer mogeln möchte und quasi nebenbei die deutsche Demokratie zur islamisch gesteuerten Diktatur erklärt, ist von den wirklichen Verhältnissen natürlich weit entfernt. Aber sie trägt, wie Shooman ausführt, dazu bei, die Hemmungen vor immer extremeren Äußerungen weiter abzubauen: "Handlungsanleitungen zur Diskriminierung von Muslimen werden oft begleitet von Gewaltfantasien, Drohungen und dem Schlachtruf, es müsse endlich etwas getan werden, bevor es zu spät sei." Leider könne man diese Täter-Opfer-Umkehrung, bei der die Mehrheit gewaltsam gegen die als unterdrückend phantasierte Minderheit vorgehen will, nicht als bloße Randerscheinung abtun: "Nach mehreren 'Outings' von Lesern und Gastautoren (darunter ein Zürcher Kommunalpolitiker der Schweizer Volkspartei und eine evangelische Pfarrerin) steht fest, dass die Nutzer solcher Internetangebote keine sozialen Außenseiter sind." Zwar weise "die Verschwörungsfantasie einer 'stillen Islamisierung', das heißt eine durch Muslime im Verborgenen betriebene Zersetzung westlicher Gesellschaften (…), strukturelle Ähnlichkeiten mit antisemitischen Topoi auf". Dennoch werde sie auch in etablierten Medien nahezu inflationär verwendet.
In seinem Kommentar zu Hoomans Beitrag ergänzt Iman Attia, dass Muslime all den Unsäglichkeiten, die man auf Websites wie "Politically Incorrect" findet, inzwischen nicht nur "in anderen – seriösen – Medien" ausgesetzt seien, sondern "insgesamt in ihrem Alltag, in Schule und Beruf, in der Nachbarschaft und beim Einkaufen, in Ämtern und Krankenhäusern". Attia betont: "Wegen ihrer Ungeheuerlichkeit läuft man Gefahr, derartige Äußerungen als versponnen und jenseits ernsthafter Auseinandersetzungen in den Bereich von Mythen oder Psychpathologie zu verweisen". Sie stellten aber lediglich die Spitze des Eisbergs alltäglicher Diffamierungen dar. So gelangt Attia zu dem Fazit: "Die moralisierende Tabuisierung von Antisemitismus schützt Juden (ein wenig?) davor, sich täglich und überall antisemitischen Stereotypen ausgesetzt zu sehen. Sie sind damit jedoch nicht vom Tisch, sondern finden in verschiedenen Formen ein Ventil, unter anderem im antimuslimischen Rassismus."
In seinem Beitrag über den Publizisten Hans-Peter Raddatz, der als einer der Stichwortgeber für die islamophobe Szene gilt, widmet sich Peter Widmann der Frage, "warum Redakteure großer Presse-, Funk- und Fernsehhäuser und Mitarbeiter politischer Bildungseinrichtungen die xenophobe Agitation und die Verschwörungsmythen über Jahre ignorierten, die Raddatz' Schriften von Beginn an prägten." Und Michael Kiefer weist in seinem Kommentar zu diesem Beitrag darauf hin, dass "Wissenschaftler, deren Forschungsergebnisse mit dem islamfeindlichen Weltbild nicht in Einklang zu bringen sind, (…) systematisch mit Schmähkritik und bösartigen Anwürfen überzogen" werden.
Damit schließt sich der Bogen zu den eingangs dieser Buchvorstellung erwähnten Anfeindungen gegen das Zentrum für Antisemitismusforschungen, wie sie insbesondere aus dem Lager Henryk Broders anlässlich dieser Konferenz erfolgen. Von Broder geht nicht nur ein ständiges
Gegifte gegen Professor Benz als Leiter des Instituts aus, seine "Achse des Guten"
unterstellt dem Zentrum für Antisemitismusforschung in schwach verklausulierter Form sogar selbst Antisemitismus – und zwar seitdem man sich dort auch mit Islamophobie beschäftigt. Auch sobald Sabine Schiffer einen eigenen Band über die Parallelen zwischen Antisemitismus und Islamophobie
ankündigte, dauerte es nur wenige Tage, bis die "Achse" sie offenbar präventiv
durch den Dreck zu ziehen versuchte. In ihrem Beitrag über das Hetzblog "Politically Incorrect" erwähnt Yasemin Shooman beiläufig, dass das auf solchen Websites beschworene Zukunftsbild "sich in abgeschwächter Form auch bei deutschen Publizisten wie Henryk M. Broder" findet. Broder hat bezeichnenderweise an "Politically Incorrect"
wenig auszusetzen, schließlich stellen die Autoren dieser rechtsextremen Website seinen vermutlich größten Fanblog und widmen ihm immer wieder
Anerkennung. Wenn Broder nun wiederholt das Zentrum für Antisemitismusforschung ins Zwielicht zu rücken versucht, dürfte man es mit derselben Rhetorik zu tun haben, die man auf "Politically Incorrect" findet, wenn deren Macher ihren Kritikern wieder und wieder ihrerseits
Faschismus vorwerfen. Es scheint der Gedanke dahinterzustehen: "Wenn man uns Faschismus oder Hass auf Minderheiten vorwirft, dann geben wir den Vorwurf eben einfach um so lautstärker zurück, und das wird sich schon irgendwie ausgleichen." Dieses Manöver gelingt indes nur in dem wahnhaften Weltbild der Islamophoben, während außenstehende Dritte schnell erkennen, welche Vorwürfe berechtigt sind und welche ein Hirngespinst.
Es ist dem Zentrum für Antisemitismusforschung hoch anzurechnen, dass es auch angesichts der erwähnten Anfeindungen und einer medial geschürten Stimmung, in der Islamophobie weniger als Problem denn als gerechtfertigter Normalzustand erscheint, die Parallelen zum Antisemitismus warnend aufzeigt – auch wenn manch einer versucht, dies mit einem Sprechtabu zu unterbinden. Wir befinden uns wieder in einer Situation, in der jeder, der sich gegen die neue Fremdenfeindlichkeit ausspricht, mit den widerwärtigsten persönlichen Angriffen rechnen muss – übrigens nicht nur von rechts-, sondern auch von linksaußen, etwa aus dem antideutschen Spektrum. (Ich selbst habe das als Betreiber eines "Watchblogs Islamophobie" beispielsweise durch die linksradikale Zeitschrift "Konkret" bzw. ihren Mitarbeiter Magnus Klaue erlebt.) Um so wichtiger ist es, dass sich möglichst viele Demokraten gegenüber dieser Rhetorik klar positionieren und dem Schüren von Ressentiments entgegentreten: ob sich diese Feindseligkeiten gegen Juden richten oder gegen Muslime.