Samstag, Juli 30, 2011

"Viele von Breiviks Gedanken sind gut, einige ausgezeichnet"

Noch gibt es neue Artikel zur Debatte um Islamkritik und Islamophobie, die ich zitierenswert finde, also wird auch die Presseschau zunächst fortgesetzt. Heute ist die Reaktion der Moslemhasser auf den Terror aus ihren Reihen ein Schwerpunktthema vieler Artikel.

Beispielsweise erkennt das Blog Hintergrund:

„Islamkritiker“ beklagen – trotz aller Distanzierungen von Breiviks Taten – weniger die Opfer als vielmehr sich selbst, da Breivik ihrer Sache einen Bärendienst erwiesen habe. Überhaupt, so ein gängiges Argument, seien nicht sie für die Terror-Tat mitverantwortlich, sondern eben jene, die Breivik politisch ins Visier nahm. Denn die „Multikulti“-Fraktion habe erst durch die betriebene Masseneinwanderung die islamische Bedrohung auf die Tagesordnung gesetzt, gegen die sich schließlich gewehrt werden müsse.


Rechtspopulisten: Neuer Ton, alter Inhalt titelt dazu Österreichs "Die Presse" in einem insgesamt lesenswerten Artikel über den politischen Umgang der Aufwiegler mit dem blutigen Resultat ihrer Propaganda und wagt außerdem einige Vorhersagen:

Dass Europas Rechtsparteien nach den Attentaten in Norwegen ihre Strategie grundlegend ändern werden, glaubt auch der Berliner Politologe Hans-Gerd Jaschke nicht: Nur die norwegische Fortschrittspartei sei unter enormen Druck geraten, sagt er der „Presse“. Andere rechtspopulistische oder rechtsextreme Parteien würden bei ihren Ideen und Inhalten bleiben. Empirische Daten über die Auswirkungen der Attentate und der Diskussionen über den rechten Nährboden gibt es noch nicht; ob sie den Rechtspopulisten schaden oder sogar nutzen, darüber kann vorerst nur spekuliert werden.

(...) Der Salzburger Politologe Herbert Dachs rechnet damit, dass die FPÖ nun versuchen werde, „einen schmalen Grat des Sowohl-als-auch zu gehen“: Die Partei werde also „einerseits entrüstete Distanzierung von den schrecklichen Ereignissen demonstrieren, andererseits aber doch den Kern ihrer Kritik erhalten“. Nach einigen Wochen der „totalen Vorsicht“ werde man also „durchaus zu alter emotionaler Frische zurückkehren, zu Pauschalurteilen, deftigen Sprüchen auch unter der Gürtellinie und zum Schüren von Ängsten“. Man wolle ja weiterhin die eigene Wählerklientel ansprechen.


Einem Artikel auf der Titelseite der aktuellen "Zeit" zufolge (nicht online) sind die Morddrohungen gegen Muslime in der letzten Woche sogar sprunghaft angestiegen. Broders "Achse des Guten" berichtet triumphierend über eine Flut von Zuschriften mit dem Tenor "Weiter so!"

Der Berliner Tagesspiegel meldet:

Während Europas Feuilletons diskutieren, welchen Anteil extremistische Islamkritik und Islamophobie am Massaker von Norwegen haben, sehen manche keinen Grund, auf Abstand zu gehen. In Frankreich gab der Regionalpolitiker der rechtsextremen Front National Jacques Coutela im Internet zum Besten, dass der Attentäter „ein Widerstandskämpfer, eine Ikone“ sei, der „gegen die muslimische Invasion“ kämpfe. In Italien ist Ähnliches sogar aus dem Regierungslager zu hören. Mario Borghezio, der für die rechtspopulistische und fremdenfeindliche Lega Nord im Europaparlament sitzt, spendete dem Mörder von Oslo und Utöya im Radio Beifall: „Viele seiner Gedanken sind gut, einige ausgezeichnet. Dass sie sich in Gewalt entladen haben, daran ist die Migrantenflut schuld.“


Im Vergleich damit muss man fast schon Roger Köppel loben, der dasselbe in der SVP-nahen Weltwoche sehr viel subtiler sagt, um einerseits die Rechtsextremen zu bedienen, andererseits aber auch seine lediglich konservativen Leser nicht zu verschrecken:

Breivik ist die pervertierte Variante des europäischen «Wutbürgers». Damit ist die wachsende Zahl von Frustrierten und Alleingelassenen gemeint, die sich im normalen Politspektrum nicht mehr wiederfinden. (...) Am unheilvollsten aber war und ist die Weigerung der etablierten Parteien, die von ihren Wählern stark empfundenen Probleme im Zusammenhang mit der Migration – und hier besonders im Zusammenhang mit dem Islam – zur Kenntnis zu nehmen. Die Folgen einer jahrzehntelang fahrlässig-verantwortungslosen Zuwanderungspolitik sind spürbar und real.


Herzlichen Dank an Urs Bleiker für den Link! Ein anderer Leser weist mich darauf hin, wie die Jüdische Allgemeine das Massaker behandelt:

Doch Remes sprach das aus, was terrorerfahrene Israelis vielleicht mehr verunsichert als der sinnlose Tod friedlicher Jugendlicher: Die Identität des Täters passt nicht in ihr Weltbild. »Er hat das Gesicht eines Engels: kantiges Kinn, blonde Haare und blaue Augen.« Mit anderen Worten: Anders Behring Breivik sieht nicht arabisch aus. Wie konnte ein kultivierter Norweger einen Massenmord begehen? 60 Jahre nach dem Holocaust wollen sich Israelis einen blonden Teufel nur noch schwer vorstellen.


Die Islamische Zeitung merkt an:

Bevor wir in Klagen ausbrechen (analog zur Verschwörungstheorie einer „Islamisierung“ Europas) und Theorien einer allgemeinen, anti-muslimischen Verschwörung entwerfen, müssen wir politische Unterschiede in europäischen Ländern betrachten. Bisher besteht – noch – ein deutlicher Unterschied zwischen Staaten wie Deutschland, in denen es sicherlich zu unappetitlichen Kampagnen kam, und jenen Ländern, in denen es konkrete Beschlüsse gibt, die sich gegen muslimische Bürger richten. So hat sich die Bundesregierung von den Thesen Sarrazins abgegrenzt und sich nicht zu rechtlichen Schnellschüssen verleiten lassen, während unsere niederländischen Nachbarn die offen anti-muslimische PVV an die Macht wählten.

(...) Thomas Hammarberg, Kommissar für Menschenrechte des Europarats, schätzte die politische Lage Europa im IZ-Gespräch ähnlich ein: „Ich denke wir müssen Islamfeindlichkeit als eine schwere Bedrohung der Menschenrechte und der grundlegenden europäischen Werte sehen. (…) Es besteht Grund zur Annahme, dass die gegenwärtige ökonomische Krise es für extremistische Gruppen einfacher macht, Zuspruch für ihre anti-islamische und anti-muslimische Propaganda zu gewinnen.“


Die Süddeutsche Zeitung sieht in der Art, wie der Terror in Norwegen die Islamdebatte kippte, eine gewisse Ironie:

Gewisse Ähnlichkeiten zwischen dem islamischen Fundamentalismus und seinem ideologischen Gegner, der europäischen Anti-Islam-Bewegung, waren den hellsichtigeren Beobachtern immer schon aufgefallen. Gleichwohl dürfte niemand damit gerechnet haben, dass die Anti-Islam-Bewegung auch ein ähnliches Tatmuster, einen ähnlichen Brutalisierungsfaktor hervorbringen würde. (...) "Der Krieg in unseren Städten" lautete der Titel eines 2003 erschienenen Buchs, das für die paranoide Richtung der Islamkritik typisch ist. Udo Ulfkotte, der Autor, forderte darin unter anderem die Aufstockung der GSG 9 und anderer Antiterrorkommandos, damit wir gegen die zu erwartenden Angriffe von Muslimen aus dem Inneren unserer Gesellschaft gewappnet sind. Nun aber wollte den "Krieg in unseren Städten" ausgerechnet jemand auslösen, der derselben anti-islamischen Denkschule wie Ulfkotte angehört. Die Aufstockung der Anti-Terror-Einheiten zu fordern: Es klingt, von heute aus betrachtet, als habe uns Ulfkotte damit vor der Radikalisierung seiner eigenen Ideen schützen wollen.


In der tageszeitung findet der Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke, man müsse Broder und Sarrazin vor überbordender Kritik in Schutz nehmen und das Kind nicht gleich mit dem Bade ausschütten:

Islamkritik ist das eine, und menschenverachtender wie -verhetzender Hass gegen die Muslime, wie er sich in PI austobt (wie übrigens an anderer Stelle gegen Juden oder Christen), etwas völlig anderes. Grundsätzliche, auch radikale Religionskritik, des Islam wie auch etwa des Christentums, muss unbedingt weiter zulässig sein – gerade angesichts weiter existierender fundamentalistischer Tendenzen in allen Religionen. Und natürlich bleibt es ein Problem, dass viele Muslime sich mit Kritik an ihrer Religion schwertun und einige sogar Kritiker des Islam mit allen Mitteln mundtot zu machen trachten.

So richtig es somit bleibt, den biologistischen Charakter der Sarrazin'schen Thesen und seinen teilweise menschenverachtenden Jargon zu kritisieren, es gibt eine liberale Notwendigkeit, sich im Zweifel sogar für Broder und Sarrazin und ihr Recht zur Islamkritik einzusetzen, so unerträglich man sie auch empfinden mag.


Seit ich interessante Leserpost ausführlicher auf meinem Blog veröffentliche, erhalte ich immer mehr davon. Aktuell schreibt mir einer derjenigen, die den Internetforen der Männerbewegung seit einiger Zeit den Rücken gekehrt haben und den es nervt, "dass dich im MANNdat-Forum jeder blöd anmacht" ("jeder" ist nun allerdings extrem übertrieben):

Es hat sich bereits vor mehreren Jahren gezeigt, daß es – am Anfang wenige, dann immer mehr – Männer in der Männerbewegung gab, denen rechte Gedankengut und rechte Gesinnung um ein Vielfaches wichtiger war, als die Männerbewegung selbst. Aus diesem Grund war es für sie auch wesentlich, sich erstmal ab- und dann später auszugrenzen. Was links und später "Mitte" erschien, durfte nicht zur Männerbewegung gehören. Ob dies der Männerbewegung selbst nutzte oder gar schadete, war nebensächlich, da diese nur ein kleiner Teilbereich ihrer Interessen war. Rechte Gesinnung war die Hauptsache.

Dass diese nun vor einem Scherbenhaufen stehen ist interessant, da es mir selbst nie in den Sinn gekommen wäre, die Ereignisse in Norwegen mit der Männerbewegung in Zusammenhang zu bringen. Sowas fällt doch erst mal nur schrägen Gemütern wie Alice Schwarzer ein. Schnell aber zeigte sich: Der Nerv der Pestschreier war getroffen, das Gewissen (offensichtlich doch noch rudimentär vorhanden) rührte sich, Pflichtbekundungen folgten. Schuldige mußten her, die eigene Gesinnung konnte es doch nicht sein. Das Verbrechen ist in seiner Entsetzlichkeit doch schlicht nicht zu ignorieren.

Trotzdem muss es auch für diese ein Vehikel geben, ihr Gedankengut zu transportieren. Das Gedankengut selbst ist nicht schuld am Massaker. Welche Lösung für das Problem (egal welches, z.B. Islam) diskutiert wird, DAS kann schuld am Massaker sein. Wer Gegner entmenschlicht ("Pest"), sagt, dass das Problem ausgerottet gehört. Mit der Pest kann man nicht diskutieren. Demokratische Mechanismen funktionieren nicht gegen Krankheiten. Dies ist dann gesagt und andere können Schlüsse ziehen. Wie weit soll man hier tolerant sein? Meines Erachtens sehr weit. Die Botschaft: "Der Islam ist an allem schuld" kann schlicht nicht vernünftig begründet werden. Ohne Volksverhetzung ist das nicht transportierbar. Sollte es deswegen verboten sein? Wie setzt man dieses Verbot um? Sollten wir unsere Freiheit opfern, weil es dumme Menschen gibt?

Der Terrorismus der 70er Jahre hatte nicht das Ziel zu "siegen". Der Plan war, die Politik und die Polizei soweit zu provozieren, dass diese die Freiheit einschränkt und jeder sieht, wie totalitär der Staat ist. Das, was wir damals so bemängelt haben, dass nach einem Terroranschlag die Politiker große Reden schwingen, was alles getan werden muss – aber letztlich doch nichts tun – DAS hat uns damals vor dem Terrorismus gerettet. Der Staat lies sich nicht provozieren.

Heute ist das anders: In Norwegen gibt es einen Anschlag. In Deutschland werden Gesetzesänderungen, Verschärfungen ... diskutiert. WIR haben jedoch ein anderes Problem. WIR müssen uns nicht gegen Terroristen schützen. WIR müssen uns vor Politikern schützen, die unter allen Umständen unsere Freiheit einschränken wollen.

Daher müssen wir Dummköpfen erlauben dumm zu sein und dumme Sachen zu sagen, damit WIR nicht in unserer Freiheit gefährdet sind. Tolles Norwegen: Die norwegische Botschafterin (Vize-Botschafterin meines Wissens) hat bald nach dem Terroranschlag gesagt, sie glaube nicht, dass dies langfristig irgendwelche Folgen für ihr Land hat. Den Norwegern sei die Freiheit viel zu lieb, um sich diese um der Sicherheit willen einschränken zu lassen.

Nicht erspart bleiben kann und soll den Dummköpfen aber die politische Diskussion und der Hinweis, dass sie dumm sind. Verantworten aber muss man sich ausschließlich für das, wozu man aufruft.


Das war die Presseschau.

Freitag, Juli 29, 2011

Der Kitschroman entdeckt häusliche Gewalt gegen Männer

Telepolis berichtet darüber, dass die klassischste aller Frauenliteratur mit der Zeit erwachsen wird. So sah es vor elf Jahren aus:

Spätestens seit 2000 wich diese Konstellation dem "Macho nutzt Notlage aus"-Schema. Zynische, rachsüchtige, arrogante und sexbesessene Männer nutzen Notfallsituationen nicht nur aus, sie schufen sie auch oft genug erst.


Inzwischen dringt ein Kernthema der Männerbewegung aber sogar in den Liebesroman vor:

Noch überraschender war allerdings, dass sich in der Romana-Reihe der Cora-Verlag an ein Thema herantraute, das bisher eher ein gesellschaftliches und mediales No-Go ist: häusliche Gewalt gegenüber Männern. Häusliche Gewalt wird ja zu 99% als Gewalt gegenüber Frauen und Kindern angesehen, aggressive, gewalttätige Frauen spielen in Berichterstattung und Fiktion kaum eine Rolle. "Randerscheinung, unwichtig" lautet die banale Erwiderung auf einen Satz wie "Es gibt auch Frauen, die zuschlagen.". Durch diese recht zynische Haltung wird das Thema auch weiter Randthema bleiben und insofern bleiben die Männer mit dem Problem doppelt allein gelassen da sie höchstens zum Amüsement taugen (die Frau mit dem Nudelholz etc.).

In "So heiß küsst nur ein Italiener" ist es die unzufriedene und eifersüchtige Ehefrau Marcella, die ihrem Mann das Leben zur Hölle macht. Von verbaler Gewalt bis hin zur körperlichen Gewalt ist es nicht weit. Für ihren Mann, einen stolzen Italiener, ist dies doppelt grausam. Zum einen hat er Angst vor seiner eigenen Frau, zum anderen schämt er sich dafür, will nicht zurückschlagen und wird dadurch immer stärker zum Opfer. Die blauen Flecken, die er davonträgt, entschuldigt er schamhaft mit kleinen Unfällen mit dem Motorrad, von seiner großen Liebe wendet er sich ab weil er Angst hat, auch sie würde durch Marcella bedroht werden. Scham und Stolz werden somit, wie er am Schluss selbst zugibt, zu einer Mixtur, die es der Frau einfach macht, weiter gewalttätig zu sein.


Männer im Geschlechterkonflikt auch als Opfer statt als Monster oder Unterdrücker – ein Einzelfall oder (man denke an die "Lindenstraße") ein echtes Aufweichen des bisherigen Tabus?

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Massenmord in Norwegen als Chance für Sarrazin?

Auch heute wieder die aktuelle Presseschau zur Debatte über Islamophobie und ihre Folgen. Es scheint euch immer noch zu interessieren; die Zahl der Zugriffe ist fast unverändert hoch. Allzu lange werde ich das Thema aber nicht mehr weitertreiben, auch da in der Debatte die zitierenswerten Artikel allmählich weniger werden.

Verschiedene Extremismusexperten befanden gestern, dass Thilo Sarrazin und andere ein ideologisches Klima vorbereitet hätten, in dem Taten von Extremisten wie Anders Behring Breivik möglich wurden.

Die Frankfurter Rundschau merkt an:

In Deutschland warnen „Islamkritiker“ wie Henryk M. Broder, auf den im Manifest verwiesen wird, oder Necla Kelek in drastischen Worten vor der Kapitulation des Westens angesichts der islamischen Bedrohung. Doch eine entscheidende Frage lautete immer: Worauf wollen sie hinaus? Was folgt aus ihrer Kritik? Was soll aus den Muslimen in Europa und ihrem „nicht-reformierbaren Islam“ werden? Breivik hat mit seinem Massenmord eine sehr praktische Antwort gegeben.


Unter der Überschrift Oslo-Attentate als Chance für Thilo Sarrazin schildert Christoph Giesa für den European und N24, dass in den einschlägig bekannten Kreisen nach dem Massaker von Oslo die Propaganda erst richtig hochgefahren wird, sich dem "bewaffneten Widerstand gegen den islamischen Kulturimperialismus" zu verschreiben. Giesa findet:

Genau an dieser Stelle greift nun die Verantwortung derer, die, egal ob gewollt oder nicht, als Sprachrohr dieser Klientel gesehen werden. Diese sind nicht verantwortlich für die Anschläge in Oslo, keine Frage. Wohl aber tragen sie eine besondere Verantwortung dafür, dass in Deutschland wieder Mäßigung an die Stelle von Hass tritt. Zu diesen besonders Verantwortlichen gehören neben Thilo Sarrazin auch prominente Vertreter der Euro- bzw. europakritischen Fraktion, aber auch Publizisten wie Hans-Olaf Henkel oder Henryk M. Broder, weil sie, ob gewollt oder ungewollt, zu Ikonen der neuen deutschen Rechten geworden sind.


Die Promis sind aber nicht die einzigen, die Giesa dazu auffordert, Stellung zu beziehen:

Wer sich in diesen Tagen nicht deutlich gegen jede, aber auch wirklich jede Art von Fundamentalismus stellt, macht sich zum Instrument eines primitiven Hasses, der unsere offene Gesellschaft bedroht und wird spätestens damit selbst zum Problem für diese Gesellschaftsform und in meiner Definition zum "Primitivbürger", der das Gegenteil von aufklärerischen Werten vertritt. Es ist Zeit, sich zu bekennen – unabhängig davon, ob sich das auf die Verkaufszahlen der eigenen Bücher oder die Besucherzahlen bei den eigenen Veranstaltungen auswirkt.


Broders Mitstreiter Hannes Stein kritisierte Broder inzwischen dafür, dass dieser keinen Zusammenhang zwischen Islamkritik und diesem Massenmord erkennen möchte. Im Interview mit der "taz" betont Stein dem unbenommen den Wert der Meinungsfreiheit – bis zu einem bestimmten Punkt:

Flemming Rose von der dänischen Zeitung Jylland Posten hat dazu einmal gesagt: Er möchte, dass die Muslime in Europa integriert werden. Dazu gehört, dass man sich über ihre Religion genauso lustig machen kann wie über, sagen wir, den Katholizismus. Die Muslime haben, so komisch das klingt, ein Recht darauf. (...) Ideen sollen im öffentlichen Raum gegeneinander antreten, auch der Islam in all seinen Spielarten. Ideen brauchen keinen Schutz; Kritik an ihnen, auch erbarmungslose und irrtümliche, ist erlaubt. Mit Menschen ist es etwas anderes. Menschen müssen geschützt werden.


Natürlich gibt es, wie sich in den letzten Tagen zeigte, auch Leute mit komplett unterschiedlicher Auffassung ...

Das NPD-Watchblog vertritt die Ansicht:

Wer nach den offenkundigen rechtsextremen Hintergründen des norwegischen Terroristen fragt, relativiert damit nicht islamistischen Terror. Gerade umgekehrt wird aber ein Schuh draus: Wem jetzt nichts einfällt als billige Polemik gegen „linke Gutmenschen“, ausgeprägtes Freund-Feind-Denken und die Darstellung von Breivik als unpolitischem, weil offenkundig verrücktem Einzeltäter mit einem individuellen „Spaß am Töten“ (Broder), der verharmlost rechtsextremen Terrorismus. (...) Vielleicht könnten einige Vertreter der „Islamkritik“ sich daher zu der Einsicht durchringen, dass es neben der islamistischen Bedrohung auch noch einen militanten Rechtsextremismus geben könnte, der durch öffentliche Debatten über „Überfremdung“, Gene und Gemüsehändler durchaus bestärkt wird?


Der norwegische Publizist Flemming Nielsen bringt die Debatte in zwei Sätzen auf den Punkt:

Alle bekannten Historiker sind sich einig, dass die antisemitischen Strömungen vor Hitler – und egal für wie demokratisch sie sich hielten – keine Mitverantwortung für den Holocaust von sich weisen können. Wie können die antiislamischen Strömungen – egal für wie demokratisch sie sich halten – eine Mitverantwortung für die aktuelle Situation von sich weisen?


(Herzlichen Dank für die Übersetzung an Arne List.)

Zuletzt die aktuellen Lesermails. Ein Leser schreibt mir:

Noch besser als Alan Poseners Satz "Ideen haben Konsequenzen. Worte haben Folgen. Wer das leugnet, verwirkt den Anspruch, ernst genommen zu werden." gefällt mir der folgende Satz aus dem FDP-Forum: "Breivik und die ultra-rechten violent Talker saßen im selben Boot. Breivik hat dieses Boot durch seine Wahnsinnstat zum Kentern gebracht. Nun versucht die schreibende Zunft, von dieser Tatsache abzulenken, indem sie laut 'Mann über Bord' ruft. Aber das Manöver schlägt fehl."


Eine andere Zuschrift bezieht sich vor allem auf die gestern verlinkten Diskussionen, für deren Fortsetzung mir irgendwann Zeit und Lust komplett abgingen:

Du stehst mit Deiner Position nicht alleine. Ich weiß nicht, wie vielen anderen es wie mir geht, die einfach keinen Nerv mehr haben, sich diese Diskussionen zuzumuten, und deswegen schweigend dem Elend zusehen (es hat durchaus was mit meinem Meiden der Männerforen und auch dem Rückzug von Manndat zu tun – zumindest für den Moment), aber wenn ich vergleiche, was für Debatten es früher gab, wie argumentiert wurde und wer sich nun alles zurückgezogen hat und nirgendwo mehr auftaucht, glaube ich, dass es einige Leute mehr geben muss, die so denken.

Es sollte mehr Leute geben, die dagegen die Stimme erheben (ich will mich da gar nicht mit dem anderen Stress herausreden), aber es ist gut, ein Blog wie Deines zu haben, auch wenn Du mehr und mehr zwischen alle Stühle zu rutschen scheinst - ich sehe das als Zeichen, dass Du Dich standhaft der Vereinnahmung durch die eine oder andere extreme Richtung verweigerst. Ich stimme mit Dir in einigen Punkten definitiv nicht überein, aber es gibt niemanden, den ich in dieser ganzen gegenwärtigen Lage für wichtiger halte als Dich (vielleicht gerade weil Du überall aneckst). Früher gab es mehr gemäßigte Leute, heute gibt es keine Scherze mehr in den Foren, nur noch verbissenen Sarkasmus.

Das Traurige ist, dass ich irgendwie in gewisserweise durch das Männerrechtsthema gebunden bin; aber gleichzeitig zeigen diese Foren, von ein paar wenigen Ausnahmen, mit wem und welchen Ansichten man dann arbeiten müsste. Das funktioniert für mich nicht mehr.


Mails wie diese von Leuten, die sich aus den Internetforen zunehmend zurückgezogen haben, erhalte ich verhältnismäßig oft. Und auch ich mag irgendwann nicht mehr darüber diskutieren, ob man den "Stürmer" wieder zulassen sollte, Sarrazin ein seriöser Wissenschaftler ist und Blogs, in denen Mordphantasien und ethnische Säuberungen propagiert werden, das Tollste überhaupt sind. Irgendwann ist Schluss. Allerdings ist es wohl kaum ein Zufall, wenn es gerade in dieser Woche so irre zugeht. Im Moment erleben viele Menschen, dass sie Leuten zugejubelt haben, deren Ideologie zu einem schrecklichen Massenmord geführt hat. Viele von ihnen versuchen daraufhin, ihre Weltanschauung mit sehr ... interessanten Argumentationen zu retten. Ist man gezwungen, sich darauf einzulassen, nur weil es irgendeiner ins Internet setzt? Ich glaube nicht.

Gesamtpolitisch sehe ich, ähnlich wie nach der Sarrazin-Debatte im letzten Herbst, einen anhaltenden Höheflug der Grünen voraus. So unverhofft, wie jetzt viele Rechte tun, war das Massaker nicht – viele Linke, nicht nur ich, hatten vor genau so etwas gewarnt. Dementsprechend viele Wähler werden zu dem Eindruck gelangen, dass (so wie beim Thema Atomkraft) die Grünen mit ihrem entschiedenen Widerstand gegen die ausländerfeindliche Stimmungsmache schlussendlich Recht behalten haben. Die Mängel der Grünen in der Geschlechterpolitik dürften bei der politischen Bewertung stark ins Hintertreffen geraten.

Donnerstag, Juli 28, 2011

Norwegen: "Präventivschlag in vermeintlich letzter Sekunde"

Hier die heutige Presseschau zur aktuellen Islamophobiedebatte:

Für die tageszeitung ist Henryk Broders Menschenverachtung immer noch ein Thema:

Noch mal kurz im Zusammenhang. Zwei Tage zuvor hat ein Mann 68 Jugendliche umgebracht, gejagt und erschossen wie Tiere, aus Hass auf den Islam und Linke. Henryk M. Broder wird gefragt, ob es ihn anfasst, dass dieser Mann sich in seinem Pamphlet, dem Buch zum Massenmord, auf Argumentationen von ihm, Broder, beruft. Es wäre eine Spitzengelegenheit für Henryk M. Broder wenn schon nicht Betroffenheit zu äußern, so doch irgendetwas Normales, Humanes, Gutes zu sagen oder aber einfach mal den Rand zu halten. Henryk M. Broder sagt: "Das Einzige, worüber ich mir Sorgen mache, ist, woher ich Ersatzteile für meinen Morris Traveller aus dem Jahre 1971 bekomme. Sogar in England werden die Teile knapp."


Noch schärfer geht Robert Misik in seinem Artikel Isoliert die geistigen Brandstifter! mit Broder & Co. ins Gericht.

Die Frankfurter Rundschau wundert sich über das Missverhältnis, dass Broder sich einerseits über antisemitische Werke wie "Tal der Wölfe" empört, es andererseits aber auf die leichte Schulter nimmt, wenn sich derartige Hasspropaganda statt gegen Juden gegen Muslime richtet:

Henryk M. Broder ist – neben Thilo Sarrazin – die lauteste Stimme der Islamophobie in Deutschland, aber keineswegs die einzige. Der Antiislamismus als Ressentiment, wie er sich in der Mitte der deutschen Gesellschaft herausgebildet hat, ist nicht zum Geringsten Broders Verdienst. Sein Witz ist Demagogie, sein Argument Polemik. Was aber ist das Ziel eines Autors, der die Lage mit folgenden Worten beschreibt: „Wie die Appeasement-Politik gegenüber Hitler die expansive Haltung der Nazis nur befördert hat, so laufen die Europäer mit ihrer Politik der Beschwichtigung heute Gefahr, die Transformation Europas zu einem islamischen Kontinent zu beschleunigen.“ Wer so etwas schreibt, der verteidigt nicht die von ihm angeblich verteidigte westliche Kultur, der verteidigt nicht die von ihm angeblich verteidigte Zivilgesellschaft, er verteidigt nichts und niemanden – er ruft zum Angriff, zum Präventivschlag in vermeintlich letzter Sekunde.


Die Zeit widmet derweil Broders Fanblog "Politically Incorrect" einen ausführlichen Artikel:

Es sind PI-Kommentare wie dieser, die angesichts der jüngsten Ereignisse in Norwegen aufhorchen lassen: „Multikulturalismus ist Völkermord wie der Holocaust, nur subtiler“. Ein anderer Leser ergänzt: „Wenn der Islam nicht bekämpft und ausgerottet wird, ist das der Untergang der Zivilisation“. (...) Auf dem Blog werden in hysterischer, pathologisch fragwürdiger Art und Weise, Angstszenarien propagiert, die auf den ersten Blick so lächerlich erscheinen, dass viele Menschen die Gefahr die von ihnen ausgeht, nicht ernst nehmen wollen. Doch diejenigen, die als Leser bleiben, radikalisieren sich, wiegeln sich gegenseitig auf, ergötzen sich an Gewaltphantasien und Kommentierungen, die man zu Recht anderswo nicht posten dürfte.

(...) Stefan Herre, Gründer von Politically Incorrect und seit kurzem Pressesprecher der Partei „Die Freiheit“, sagte dem Katholischen Nachrichtendienst im Oktober 2007: „Ich möchte mir nicht, wie manche unserer Großeltern, die im Dritten Reich geschwiegen haben, von meinen Enkelkindern später vorwerfen lassen müssen: Ihr habt es doch gewusst, wieso habt ihr nichts dagegen getan.“ Die Frage aber, was getan werden muss, lassen die Autoren von Politically Incorrect bewusst offen. Das erledigen die Kommentatoren. Die Darstellung ihrer subjektiven Realität lässt ohnehin keine großen Spielräume offen: Die Handlungsvorschläge der User verlaufen irgendwo zwischen Mordphantasien, Massenabschiebungen nicht-weißer Bevölkerungsteile und Ethnischen Säuberungen.


Vor diesem Hintergrund fordert Philipp Freiherr von Brandenstein – ehemals Chief-of-Staff von Karl-Theodor zu Guttenberg und Mitglied der Landesleitung der CSU – ein Verbot des Hassblogs:

Die Toleranz der politischen Entscheidungsträger gegenüber Rassisten und antiislamischen Hasspredigern scheint auch nach dem Attentat ausgeprägt zu sein. Das kann kaum erstaunen, denn viele Passagen der von den Brandstiftern formulierten Pamphlete unterscheiden sich nicht maßgeblich von den Sprechzetteln einiger Politiker und Medienarbeiter. Doch muss nicht eben dieses Klima der Ausgrenzung und Islamophobie durchbrochen werden? Kann Oslo, können Tat und Täter ohne die Ausbreitung verhetzender und herabwürdigender Klischees in die Mitte der Gesellschaft überhaupt begriffen werden?


Auch beim FOCUS macht man sich wenig Illusionen:

Die kruden Thesen des Anders Behring Breivik sind keine Meinung eines Einzelnen, sondern Common Sense in einer sich vor allem im Netz organisierenden Minderheit. In zahlreichen Foren, auf Blogs und Boards treffen sich Menschen, die sich in einer gefährlichen Mischung aus Verschwörungstheorien, christlichem Fundamentalismus, Islamophobie und rassistischer Gesinnung ein eigenes Weltbild zeichnen, das in seiner radikalsten Form zu dieser Wahnsinnstat geführt hat. Aber auch im gesellschaftlichen Mainstream finden sich Seitenarme dieser Ideologien, die bis in die Tiefen unserer Gesellschaft greifen: Sarrazins Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ trägt im Titel, was Breivik in seinem 1516-seitigen Manifest des Wahnsinns extremistisch untermauert. Was bei Sarrazin unter den Labels „Das wird man doch noch sagen dürfen!?“ und „Endlich sagt es mal einer!“ verkauft wurde, trägt auch einen Teil Breivik in sich und Breivik ein Teil von dem.


Die Deutsche Welle erinnert daran, dass Islamophobie nicht nur von Rechtsextremen gepflegt wird:

Auch im linken politischen Spektrum ist die aggressive Islamfeindschaft verbreitet, zum Beispiel bei den sogenannten Antideutschen, die aus den antifaschistischen Gruppierungen der 80er Jahre hervorgegangen sind. Sie speisen ihre Islamfeindlichkeit aus einer bedingungslosen Zustimmung zu Israel. (...) In der Tat eint die Begeisterung für Israel die linken und rechten Islamfeinde. In dem Land zwischen Mittelmeer und Jordan sehen sie den Brückenkopf des Westens im Nahen Osten und das Bollwerk gegen den Islamismus. Kritik an der Politik Jerusalems weisen sie als Antisemitismus zurück, die legitimen Ansprüche der Palästinenser gelten für sie nicht. (...) Den israelischen Friedensaktivisten Uri Avnery schaudert es, wenn er daran denkt, dass dies die neuen Freunde seines Landes sind und dass sich auch der Attentäter von Norwegen selbst als Freund Israels bezeichnete. (...) Die europäischen Rechtsparteien hätten den Antisemitismus durch die Islamophobie ersetzt. Lasse man sie gewähren, dann beschreite man eine Entwicklung wie in Deutschland in der ausgehenden Weimarer Republik.


Eben jene Gefahr sieht Tom Schaffer aber nach dem Massaker erst einmal gebannt:

Da die ideologischen Hintergründe Breiviks sich so offensichtlich mit denen rechtspopulistischer Parteien in Europa überschneiden, werden diese aber ganz automatisch Schaden davon tragen. Das Schlager-Thema der letzten Jahre, die Islamisierungshysterie, ist zum Beispiel für einen Wahlkampf vorerst gestorben. Wer nach diesen schrecklichen Auswüchsen des Hasses auf politische Gegner und kulturell unterschiedliche Menschen wieder in einem Comic ein Kind zum Zwuschelschießen auf Türken auffordert, “Daham statt Islam” oder Sprüche über die Bedrohung des “Wiener Bluts” durch “Fremdes” plakatiert, wird sich rechtfertigen müssen und darauf hingewiesen werden, dass diese politische Kultur die Brutstätte für den nächsten Breivik ist. Und in einem auf diese Weise sensibleren Klima, kann man damit nur noch bei Extremisten punkten.


Lesermail gab es gestern zu meiner Verlinkung des Diskussionsforums wgvdl.com, das ich als "zentrales Diskussionsforum der Männerbewegung" bezeichnet hatte. "Ich meine: leider" schreibt mir dazu ein Männerrechtler, ein anderer meint, er sei "eher verstört, dort relativ viel dumpfes Verständnis für die Denke des Herrn Breivik zu finden. (Vom .net Forum reden wir lieber erst gar nicht.) Aber nur der Sohn des Perseus brachte es fertig, sein Geschwurbel derart zu verdichten, dass sich sein Pudding praktisch von selbst an die Wand genagelt hat." Die Kritik dieser Foren ist unter Männerrechtlern nichts Neues; genauso vehement werden sie von ihren Fans verteidigt.

Zwei Diskussionen, an denen ich mich gestern und heute selbst beteiligt habe: MANNdat verwahrt sich gegen die Instrumentalisierung des Massakers durch Alice Schwarzer; bei Scienefiles wird diskutiert, ob man bis hin zum "Stürmer" sämtliche Meinungsäußerungen erlauben sollte und ob es "verbale Gewalt" darstellt, wenn man z. B. die Mord- und Totschlagphantasien auf "Politically Incorrect" mit Worten wie "Hetze" bezeichnet. (Ausgerechnet bei den Befürwortern solcher Blogs besteht eine immense Empfindlichkeit, sobald sie sich das passende Echo einfangen.) Um mich an beiden Diskussionen weiterhin so ausführlich zu beteiligen, fehlt mir allerdings die Zeit (und im Falle eines einzelnen Gesprächspartners, der für "Politically Incorrect" unverdrossen Reklame macht und mich öffentlich anblafft, während er selbst wohlweislich anonym bleibt, auch schlicht die Lust).

Aber die Situation ist nicht ganz ohne Komik: Während mich diejenigen, die nach links aus der Kurve geflogen sind, als "klar rechtsextrem" verorten, unterstellen mir dieselben Ausbrecher nach rechts einen "Hass auf alles Konservative". Beiden Seiten wäre es angeraten, gründlicher lesen zu lernen. Wenn man allerdings von den Extremisten beider Ränder dermaßen widersprüchlich angegangen wird, weiß man, dass man offenbar etwas Zentrales richtig macht.

Mittwoch, Juli 27, 2011

Irrlichter und kluge Köpfe: Die Debatte über das Massaker geht weiter

Kurz nach dem schrecklichen Attentat in Oslo fordern islamkritische Gruppierungen, die sonst jeden Moslem zum potentiellen Terroristen erklären, man solle in ihnen keine potentiellen Terroristen sehen. Das Verbrechen von Anders Behring Breivik, die rund 150 Todesopfer rechter Gewalt in Deutschland seit 1990 oder das Oktoberfestattentat 1980 seien das Resultat bedauerlicher Taten von Einzeltätern, die nichts mit ihnen zu tun haben.


So treffend fasst das Satireblog Der Postillon inzwischen die aktuelle Rhetorik der Islamophoben zusammen.

Ansonsten verblieb die Debatte in Blogs und Zeitungen weitgehend auf dem Stand, den ich hier schon vorgestern skizziert habe, und man muss schon etwas suchen, um Beiträge zu finden, die besonders herausstechen.

Einen originellen Ansatz bietet immerhin das Blog "Die Söhne von Perseus", das zum rechten Rand der Männerbewegung zählt. Dessen Verfasser zerfließt in einem auch insgesamt von viel Schwulst und Pathos getragenen Beitrag regelrecht vor Mitleid mit Anders Breivik:

Wie erstickend muss das politisch korrekte Klima in Norwegen gewesen sein, dass ein anscheinend intelligenter Mann und Unternehmer keinen anderen Weg sah, als mit solch' einer verachtenswerten Verzweiflungstat seiner politischen Perspektive Gehör zu verschaffen? (...) Hätte Breivik nicht den Weg in die sinnlose Radikalität antreten müssen, wenn die politischen Eliten und Meinungsmacher ihm und den Klagen des Volkes zugehört hätten?


Hm, ob das vielleicht ein Hauch zuviel an Identifikation ist? Allerdings bekommt der Verfasser, der einerseits Solidarität mit den Opfern fordert, andererseits aber Hetzblogs wie "Politically Incorrect" auch nach dem Massaker die Stange hält, im zentralen Diskussionsforum der Männerbewegung ordentlich den Kopf gewaschen.

Über den Inhalt von Politically Incorrect klärt inzwischen anhand aussagekräftiger Zitate aus diesem Blog inzwischen auch REPORT MAINZ auf. Über die islamophobe Bloggerszene insgesamt berichtet die Berliner Zeitung. Dort heißt es:

Ein anonymes „Netzwerk demokratischer Widerstand“ listet auf der im Aufbau befindlichen Internetseite Wissenschaftler, Juristen, Politiker, Künstler und Journalisten, teils mit Anschrift, auf, die eine angebliche Islamisierung Deutschlands begünstigen und „durch linke Ideologie aktiv die Zerstörung unseres Heimatlandes betreiben“. Zu den bislang 27 dort aufgeführten Personen gehören Politiker wie Daniel Cohn-Bendit, Joschka Fischer, Volker Beck (alle Grüne), Lale Akgün, Sebastian Edathy und Sigmar Gabriel (alle SPD), Spiegel-Autor Erich Follath und Regisseur Fatih Akin. Sie werden, so schreiben es die Betreiber, „zu einem geeigneten Zeitpunkt öffentlich … zur Verantwortung gezogen“.


Der STERN hat währenddessen Passagen ausfindig gemacht, die den Ausführungen im Artikel der "Söhne von Perseus" verblüffend ähneln:

Die Webseite "Politically Incorrect" (PI), zum Beispiel, eine Plattform weitgehend anonymer Blogger aus dem konservativen bis rechten Spektrum, die seit 2004 lautstark gegen Linke im Allgemeinen und den Islam im Besonderen wettern, findet einen ganz besonderen Umgang mit dem verheerenden Doppelattentat von Oslo und Utøya: In einem Satz beklagt sie wortreich das "teuflische Werk" des Anders Behring Breivik, um im gleichen Atemzug die angeblich "einseitige und nicht selten an Verklärung, Verleumdung und Diffamierung grenzende Berichterstattung" über die wahren Ursachen zu geißeln: "Nach dem furchtbaren, abstoßenden und aufs schärfste zu verurteilenden Verbrechen von Breivik wird immer deutlicher, dass eine schamlose, zynische und zutiefst menschenverachtende Fraktion innerhalb der internationalen Linken sich nicht einmal eine Atempause für ehrliche Trauer, tiefe Betroffenheit und echt empfundenen Schmerz genommen hat", heißt es in einem Beitrag.

Noch weiter rechts, bei der NPD, gibt man sich plötzlich staatstragend und weist den Vorwurf der geistigen Brandstiftung erbost zurück: "Die Politiker der BRD versuchen die Anschläge eines Ökobauern in Norwegen für ihre Zwecke auszunutzen. Die NPD hat an ihrem strikt rechtsstaatlichen Kurs in der Vergangenheit nie Zweifel aufkommen lassen", heißt es in einer Erklärung der Partei.


Ähnlich krass treibt es in ihrem Kampf gegen alles Linke die rechtsextreme Website Altermedia, wie Die Welt berichtet:

„Abt. Schlimmer Finger: Gewalttätiger Anti-Sozialdemokratenprotest in Norwegen“ ist auf der Seite „Altermedia“ zu lesen, eines der populärsten Internetportale der rechtsextremen Szene in Deutschland. Was dann folgt, soll offenbar witzig sein. „Sozialdemokraten scheinen auch in Norwegen nicht beliebt zu sein, woran das nur liegen kann?“ 76 Jugendliche hat der Attentäter Andre Breivik auf der Insel Utøya erschossen. „Altermedia“ hat nur blanken Hohn für sie übrig. Die Opfer, so der Tenor des Blog-Eintrags, seien selber Schuld. Man müsse, schreibt der Verfasser weiter, dem Attentäter eine Handlung im Affekt zubilligen, „die angesichts der sozialdemokratischen Politik in Norwegen und Europa nachvollziehbar ist“. Die Freude der rechtsextremen Blogger über den Anschlag scheint deutlich durch.


Alan Posener befindet zur Debatte darum, ob reale Gewalt durch verbale Gewalt vorbereitet werde:

Ideen haben Konsequenzen. Worte haben Folgen. Wer diesen Zusammenhang nicht sehen will, gilt heute nicht einmal in linken Kreisen als wirklich ernst zu nehmen.

Umso bezeichnender ist es, dass die neurechten Maulhelden, aus deren Dunstkreis Anders B. hervorging, und die ihn zu den Ihren zählten, bevor er das Maulheldentum satt hatte und zur Propaganda der Tat schritt, nun gar nichts mit ihm zu tun haben wollen, keinen Gedanken auf Selbstkritik verwenden, sich vielmehr in bekannter Manier wehleidig schon jetzt als Opfer des linken „Mainstreams“ und jener „Kulturmarxisten“ hinstellen, die Anders B. absolut folgerichtig seinerseits als Opfer heraussuchte. (Mit seinen Mentoren hatte er nämlich auch gemeinsam, dass „der Islam“ als Feind eine abstrakte Chiffre bleibt, während der eigentliche Hass denjenigen gilt, die verdächtigt werden, den Islamisten den Weg zu bereiten. Eine Haltung, die wir vom Stalinismus und vom McCarthyismus her kennen.)

Dabei waren sie – die Kritiker linken „Gutmenschentums“ – immer schnell dabei, wenn es darum ging, „den 68ern“ vorzuwerfen, ihre Ideen hätten zum Terror geführt.

Die Muslimfeinde, deren Ideen Anders B. zu seiner Tat bewegten, sind auch bei jeder islamistischen Terrortat immer schnell mit der Forderung zur Hand, „die Muslime“ müssten sich davon eindeutig und glaubhaft distanzieren.

Und natürlich geht ihnen keine Distanzierung je weit genug. Die Forderung, auch sie müssten sich nun glaubhaft von der Tat des Anders B. distanzieren, weisen sie hingegen weit von sich.


Man darf sich allerdings dennoch fragen, ob es wirklich eine sinnvolle Reaktion der Politik darstellt, wenn etwa der bayrische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nun "Interneteinträge noch aufmerksamer verfolgen" lassen will. Die Zeit kommentiert:

Nach was will er dort eigentlich suchen? Nach islamophober Hetze, wie sie der Attentäter von sich gab? Ob er weiß, dass er recht schnell bei den Postings von Henryk M. Broder landen wird? Oder bei den Populisten von Pro Deutschland?


Ähnlich sieht es der Oeffinger Freidenker:

Für den Dreck, den Behring sich als Ideologie reingezogen hat, braucht es kein Internet. (...) Ganz ohne Internet kann man die Bücher von Henryk M. Broder und Thilo Sarrazin lesen. Man muss den Hasspredigern überall entgegentreten, aber die schlimmsten Hassprediger der Ideologie, der Behring ein blutiges Fanal gesetzt hat, finden sich in den Talkshows von Anne Will bis Maybritt Illner, werden in Auszügen auf Spiegel-Online veröffentlicht und genießen den Status von "Provokateuren". Das sind die Hassprediger, auf die Behring gehört hat, und sie sind nicht im Internet, sondern in unserer Mitte.


Für den Politikwissenschaftler Farid Hafez stellt sich das Problem ähnlich dar:

Rechte Politiker/innen vereinen sich unter dem Banner des Kampfes gegen die "schleichende Islamisierung Europas". Diese Vernetzung bleibt aber nicht auf rechts-rechte Kräfte beschränkt. Seit einigen Jahren wirken einzelne Akteure der "Islamkritik" in die Mitte der Gesellschaft hinein. Ein Hans-Peter Raddatz, der die "Existenzformel des Islam" als "Recht auf Unrecht [...] in der Vernichtung des Unglaubens und des individuellen Denkens zum Schutz der Scharia" beschreibt, wurde in Österreich im April 2010 von einem konservativen Staatssekretär a.D. als Islam-Experte am Podium begrüßt und Henryk Broder ("Der Unterschied zwischen Islam und Islamismus ist wie jener zwischen Terror und Terrorismus") von einem konservativen Bundesminister drei Jahre nacheinander für ein Referat zum Multikulturalismus und zum Islam eingeladen.


Gegen das Denken in Kollektiven, das für die islamophobe Klientel zentral ist, spricht sich das liberale Blog Freiheit und Optimismus aus:

Die Art, in der die Nationalkonservativen den Islam diskutieren, verwischt die Individuelle Verantwortlichkeit und ist geeignet, kollektives Mistrauen und Hass zu schüren. So werden zum Beispiel Vergewaltigungen als eine Strategie des Islams betrachtet. Daher kommt es in der Denkweise der Nationalkonservativen nicht darauf an, welchen Lebenswandel ein einzelner Moslem führt, er sei schon deshalb gefährlich, weil er den Islam verbreitet.

Es war nur eine Frage der Zeit bis ein durch nationalkonservatives Gedankengut motiviertes Verbrechen verübt wurde. Ich habe eher Gewalt gegen Einwanderer befürchtet – was Wirklichkeit wurde, ist der Versuch, Europa mit Terror zu überziehen.

Ein oft anzutreffendes Erklärungsmuster für den Anschlag ist die These, dass es sich um einen Psychopathen handle. Diese These übt unter den Nationalkonservativen ein gewisse Entlastungsfunktion aus: „Morden wollte der Täter sowieso es sei nur Zufall das er sich aus unserer Ideologie ein Rechtfertigung dazu zimmerte“. Damit wird verdunkelt, dass es einen direkten Zusammenhang von Nationalkonservativer Ideologie mit den verübten Verbrechen gibt. Auch sonst ist von der Psychopathenthese nicht viel zu halten: Es ist denkbar das der Täter von Anfang an völlig empathielos war, aber genauso gut dass seine politische Motivation so groß war, dass er sich seine Menschlichkeit selbst abtrainiert hat. Wer eine Ideologie aufbaut, die seine Gegner entmenschlicht und ihnen die größten Verbrechen andichtet, wird damit auch seine Hemmungen verlieren.


An der Kollektivschuldthese, die die Islamophoben den Muslimen überstülpen möchten, stößt sich auch der libertäre "eigentümlich-frei"-Verleger André Lichtschlag. Aus geschlechterpolitischer Sicht zitierenswerter ist aber ein weiterer Beitrag Lichtschlags, in dem er auf das vaterlose Aufwachsen nicht nur Breiviks, sondern vieler anderer Terroristen hinweist. Das ist sicher nicht "entlastend" gemeint, kann aber gut und gerne ein weiterer Faktor in der Genese dieses Charakters sein. Zumal man Lichtschlags Beispiele leicht erweitern kann: Napoleon war fünfzehn, als sein Vater starb, Hitler vierzehn, Stalin zehn. Die Väter von Napoleon und Hitler waren manchmal über Jahre hinweg abwesend. Stalins Vater verließ Stalins Mutter, als das Kind fünf Jahre alt war. Ein kurioses Muster an Einzelfällen? In meinem Buch Sind Frauen bessere Menschen? hatte ich zum Thema Vaterlosigkeit verschiedene Experten zitiert (dort jeweils mit Quellenangabe):

Bereits 1987 erklärte die Jugendrichterin Elisabeth Schröder-Jenner vor dem Jugendwohlfahrtsausschuss in Hannover, dass nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland zwei Drittel aller Vergewaltiger, drei Viertel aller jugendlichen Mörder und Drogenabhängigen, sowie drei Viertel aller Räuber und Einbrecher, die in Strafanstalten und Erziehungsheimen einsitzen, aus vaterlosen Familien stammen (...).

Auch Michael Lamb vom Nationalen Institut für Kindergesundheit und menschliche Entwicklung in den USA sieht in Vaterlosigkeit die Ursache für eine große Zahl von Verhaltensstörungen, darunter Gewalt gegen Frauen und Kinder, Probleme mit der geistigen Gesundheit sowie Schwächen beim Lesen und beim Bestehen von Tests. Lamb bestätigt die Zahlen Schröder-Jenners: 72 Prozent der jugendlichen Mörder und 60 Prozent der Vergewaltiger stammen aus Familien ohne Vater (...).

Diese Erkenntnisse decken sich mit denen, die in einer deutschen Langzeitstudie gewonnen wurden: Demnach haben, wenn nach einer Scheidung ein Elternteil ausgegrenzt wird, 75 Prozent der Kinder noch Jahre später "große Probleme, den Alltag zu bewältigen und längerfristige Perspektiven für ihr Leben zu entwickeln. Knapp die Hälfte hat Probleme mit Alkohol und Drogen, einige haben wegen Beschaffungskriminalität vor dem Richter gestanden." (...).

In Deutschland wurde die Bedeutung des Vaters für das weitere Leben der Kinder vor allem von Matthias Matussek bekannt gemacht. Weil seine Behauptungen dem Trend der Zeit extrem zuwiderliefen, warfen ihm Feministinnen unseriösen Zahlenzauber vor. Man könne zum Beispiel, so argumentierten sie, nicht einfach danach sehen, wie viele Verbrecher ohne Vater aufgewachsen seien und daraus mir nichts, dir nichts eine Verknüpfung basteln, wobei man sämtliche anderen Faktoren außer Acht lässt. Dieser Einwand hört sich sehr vernünftig an: Es ist etwa durchaus denkbar, dass in denselben Schichten und Milieus, in denen Kinder ohne Vater aufwachsen, auch die Kriminalitätsrare höher ist. Aber die neueste Forschung weist in eine andere Richtung. Die beiden Soziologinnen Cynthia Harper und Sara McLanahan verfolgten zum Beispiel den Lebensweg von 6000 Männern von 1979 bis 1993. Sie stellten fest, dass die Wahrscheinlichkeit, im Gefängnis zu landen, für Jungen, die ohne Vater aufgewachsen waren, doppelt so hoch war wie für die anderen. Das galt selbst dann, wenn man andere Faktoren wie Rassenzugehörigkeit, Familieneinkommen, Ausbildung der Eltern und die Art des Wohnorts mit berücksichtigte. Das Risiko stieg sogar noch für Jungen mit einem Stiefvater (...). Auch William Galston und Elaine Carmock, zwei Soziologen, die für Clinton gearbeitet haben, kamen zu dem Schluss, dass die Beziehung zwischen einem fehlenden Vater und Verbrechen so stark sei, dass sie die Beziehung zwischen Rasse und Verbrechen oder niedrigem Einkommen und Verbrechen auslösche.


Allerdings dürfte das Problem der Vaterlosigkeit im Zusammenhang mit Terroristen wie Breivik kaum diskutiert werden, da dies dem aktuellen Trend leichtfertiger Scheidungen, der Ausgrenzung von Vätern, der Verehrung von Alleinerziehenden sowie der Ideologie "Familie ist, wo ein Kühlschrank steht" sehr entgegenlaufen würde.

Zum Abschluss dieses Blogbeitrags möchte ich wie zu seinem Anfang eine satirische Passage verlinken. Ihr Autor macht ganz eigene Vorschläge, um dem rechten Terror zu begegnen:

Um so zu reagieren wie in der Vergangenheit könnte man zum Beispiel:

- Seiten wie Politically Incorrect überwachen, vielleicht sogar einige Blogs und Foren schliessen.

- nordische Typen an Flughäfen etwas genauer untersuchen (und auf jeden Fall mit mit Skepsis beobachten, wenn sie ein Kreuz um den Hals tragen).

- Bei jedem versuchten Bombenanschlag wollen wir eine klare und deutliche Distanzierung hören von Parteien und Organisationen wie der Schweizerischen Volkspartei, dem Front National, der Tea Party und der English Defense League. Ist dies nicht der Fall (oder wird diese Entschuldigung medial nicht verbreitet), stehen sie im Verdacht, den Anschlag eigentlich gutzuheissen.

- Man sollte sich spezielle Verwahrungsmethoden ausdenken für Rechtsextreme, für die die Beweislast für eine Verurteilung nicht ausreicht, wir aber verdächtigen, dass sie der Gesellschaft gefährlich werden könnten. Das existierende Rechtssystem reicht nicht aus, um uns vor ihnen zu schützen.

- Da der mutmassliche Täter heute noch von weiteren Zellen gesprochen hat, sollte er mit "verbesserten Verhörmethoden" befragt werden ("enhanced interrogation techniques" auch bekannt als Folter). Es könnte ein klassischer Fall einer "tickenden Zeitbombe" sein.

Gerade die Islamophoben, mit oder ohne unterschwelligen Überlegenheitsgefühlen, werden nun aufschreien "sicher nicht, das ist was ganz anderes" (viele von ihnen würden sowieso bestreiten islamophob zu sein). Für einmal bin ich mit ihnen einig. Andere werden eine gewisse Bestätigung verspüren, schmunzeln und die Satire natürlich verstehen.


Diese Passage findet sich auf Scienceblogs – und ihr Verfasser Ali Arbia erklärt kurz darauf ganz unironisch zum vernünftigsten Umgang mit der islamophoben Liga:

Wer nicht zur Gewalt aufruft kann nicht direkt für diese verantwortlich gemacht werden. Wenn sich die Hetzer in Europa von der Schweizerischen Volkspartei bis zum Front National nun ihre Hände in Unschuld waschen wollen, um so weiter zu machen wie bisher, muss ich sie jedoch enttäuschen. Erstens müssen sie nämlich auch damit leben, dass dies zum Beispiel für islamistische Prediger gilt, die gegen die Ungläubigen wettern (wie gesagt, eine Ausnahme sind für mich direkte Aufrufe zur Gewalt). (...) Zweitens findet dieser "Freispruch" mit einem weiteren Vorbehalt statt: Nur weil es keine direkte Verantwortung gibt, heisst das nicht, dass alles durchgeht. Die oft systematisch betriebene Dehumanisierung und Ausgrenzung schafft ein Klima, welches solche Täter in ihren wirren Weltsichten bestätigt und legitimiert. Dafür müssen diese Organisationen geradestehen. Sie müssen und sollen zwar das Recht haben, ihren ausgrenzenden Diskurs zu führen, sie müssen aber auch mit den Konsequenzen konfrontiert werden und dem Klima, das sie damit schaffen. Verbieten soll und kann man es nicht. Sie sollen dafür kritisiert werden und sich rechtfertigen müssen.


Und das ist eigentlich die beste Quintessenz aus der bisherigen Debatte: Es gibt einen vernünftigen Mittelweg zwischen "Rechtspopulisten zensieren" und "Rechtspopulisten in jede Talkshow einladen, auf die Titelseiten bringen und sie mit Ehrungen überhäufen". Dieser Mittelweg besteht darin, solchen Leuten entgegenzuhalten: Ihr habt herzlich gerne all die Vorteile angenommen, die mit eurem menschenverachtenden (neudeutsch: provokativen) Mist verbunden war. Dann übernehmt jetzt gefälligst auch die Verantwortung für die Konsequenzen eurer Hetze – statt euch zu allem Übel auch noch als arme, missverstandene Opfer zu inszenieren.

Montag, Juli 25, 2011

"Lindenstraße" entdeckt die ausgegrenzten Väter

Die "Lindenstraße" gilt unter den deutschen TV-Serien als Speerspitze der volkspädagogischen politischen Korrektheit. Deshalb dauerte es vermutlich 22 Jahre nach der Gründung des "Väteraufbruchs für Kinder", bis sie sich des Themas der von raffinierten Müttern skrupellos ausgegrenzten Vätern annahm – neben der Jungenkrise dem wohl bekanntesten Problemfeld der Männerbewegung. Der ausgegrenzte Vater der "Lindenstraße" ist mit Klaus Beimer Hauptfigur und Sympathieträger der Serie.

Statt dass ich beispielhaft die gestrige Folge selbst nacherzähle, greife ich am besten auf ihre Inhaltsangabe auf der "Lindenstraßen"-Website zurück (dort kann man sich auch die gestrige Folge anschauen):

Klaus hat eine schlaflose Nacht. Die Sorge um seine Tochter Mila hält ihn wach. Seit mittlerweile zwei Wochen hat Klaus die Kleine nicht mehr gesehen. Nastya und ihr neuer Ehemann Tobias sind in einer Sekte und entziehen ihm systematisch seine Tochter. Klaus hat sich an das zuständige Jugendamt gewendet, aber das ist zurzeit auch machtlos. Und auf Klaus wartet schon der nächste Schock: In einem formellen Schreiben wird ihm durch Nastyas Anwalt vorgeworfen, er würde Mila misshandeln. Als Klaus direkt danach Nastya auf der Straße zufällig über den Weg läuft, verliert er jegliche Contenance und attackiert seine Ex sogar körperlich. Auf diese Provokation war Nastya aus. Jetzt hat Klaus die Mutter seines Kindes vor Zeugen angegriffen. Sarah erklärt Klaus, dass er es aus juristischer Sicht akzeptieren muss, Mila in Nastyas Obhut zu lassen. Sie und ihre Anwälte spielen auf Zeit. Bis ein Gericht über eine Klage gegen Nastya entscheidet, können Monate vergehen. Sarah rät Klaus, sich schleunigst professionellen juristischen Beistand zu suchen. Klaus ist verzweifelt und glaubt, dass er etwas ganz anderes als anwaltliche Ratschläge braucht. Er fasst einen riskanten Entschluss.


Als Männerrechtler hat man beim Sehen der Folge ein wenig den Eindruck, einer Katastrophe zuzuschauen, die man bei den unterschiedlichsten Bekannten schon selbst miterleben musste. Und es ist einem nur allzu klar, dass Klaus in der realen Welt nicht den Hauch einer Chance hätte, den Kontakt zu seiner Tochter wiederherzustellen, solange die gesellschaftlichen Verhältnisse so bleiben, wie sie derzeit sind. Man darf gespannt sein, ob sich die "Lindenstraße" für ein realitätsfernes Happy End entscheiden wird oder nicht.

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FOCUS: "Stoppt endlich die Geschlechterapartheid"

Wir wollen beim Engagement gegen Rassismus das Engagement gegen Sexismus nicht vergessen. Deshalb hier ein Hinweis auf den aktuellen FOCUS: Dort fordert ab Seite 52 Monika Ebeling in einem eigenen Artikel

Solidarität mit den Männern: Die geschasste Gleichstellungsbeauftragte von Goslar ruft die Frauen auf, dem radikalen Feminismus Einhalt zu gebieten


Der Artikel liegt leider noch nicht online vor, aber irgendjemand scannt ihn bestimmt gerade ein. :-)

(So, nach diesem Blogbeitrag bekomme ich garantiert wieder Hassmails von den Durchgeknallten beider Seiten, die sich gegenseitig an Lautstärke zu übertönen versuchen. Von rechtsaußen: "Wir Islamophoben sind keine Rassisten! Scheiß Muselpack!" Und von linksaußen: "Wir Feministinnen sind keine Sexisten! Scheiß Männer!" Herrlich. Beide in ein Zimmer sperren und die nächsten 24 Stunden nicht mehr rauslassen, das wäre vielleicht eine Lösung.)

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Die Rechtspopulisten und ihre Reaktion auf den Massenmord

Hier die gestern angekündigte Presseschau zu dem Massaker in Norwegen, das sich alles andere als aus heiterem Himmel ereignet hat:

Im Interview mit dem Standard berichtet der Rechtsextremismusforscher Hajo Funke über ein Milieu, das die Hemmschwelle entsprechend veranlagter Menschen herabsetzt.

Die Welt interviewt den Extremismus-Forscher Florian Hartleb über den Einfluss der islamophoben Szene.

Dietmar Näher ist fassungslos über die Reaktion Henryk Broders auf das Massaker.

Ähnlich geht es Jens Berger, den Betreiber des Blogs "Spiegelfechter". Seine treffende Analyse muss man ausführlicher zitieren, weil wirklich jeder Absatz sitzt:

Als der damalige RTL-Star Thomas Gottschalk im Jahre 1992 den Republikaner-Vorsitzenden Franz Schönhuber in seine Late-Night-Show eingeladen hatte, war dies noch ein handfester Skandal. Auch Erich Böhmes Versuch, den österreichischen Rechtspopulisten Jörg Haider in seiner Talkshow zu demontieren, erregte acht Jahre später immer noch öffentliche und mediale Kritik. Die Zeiten, in denen zumindest der mediale Kompass noch halbwegs funktionierte sind vorbei. Heute werden Rechtspopulisten ohne Berührungsängste hofiert. Thilo Sarrazin darf sein verquastes Gedankengut per Vorabdruck in BILD und SPIEGEL unter das Volk bringen und ist gerngesehener Gast in den Talkshows der Republik. Der Rechtspopulist Henryk M. Broder darf seine undifferenzierte Hetze im SPIEGEL, der WELT oder dem Tagesspiegel verbreiten. Rechtspopulistisches Gedankengut ist heute gesellschaftsfähig.

Wer wissen will, wie die Botschaft von sich als Biedermännern aufspielenden Brandstiftern wie Broder und Sarrazin von Teilen des Volkes aufgenommen wird, sollte einmal einen Blick in die Online-Kommentare von Springers Flaggschiff werfen oder sich besser gleich eines der stark frequentierten rechtspopulistischen Blogs anschauen. Wer glaubt, dass der Hass, der dort aus jeder Zeile trieft, nicht irgendwann in irgendwelchen Köpfen zu Gewaltausbrüchen führt, muss schon ziemlich naiv sein. Diese „neue Rechte“ hasst nicht nur Muslime, sie hasst auch Linke und Liberale, die in ihrem Jargon „Gutmenschen“ sind – ein Begriff, der auch von ihren Vorbildern Broder und Sarrazin gerne benutzt wird.

Das 1.500 Seiten starke „Manifest“, mit dem der Terrorist Anders Behring Breivik seine Verbrechen erklären wollte, liest sich wie ein Potpourri aus Artikeln und Kommentaren rechtspopulistischer Blogs wie „Politically Incorrect“. Die Namen Geert Wilders, Theo van Gogh und Henryk M. Broder tauchen an jeweils mehr als einem Dutzend Stellen im Text auf. Unter der Überschrift „Die Vergewaltigung Europas“ bekommt Broder sogar ein ganzes Kapitel, in dem Breivik seiner Argumentation, dass die Westeuropäer sich lieber dem Islam unterwerfen würden, als gegen ihn zu kämpfen, als Mosaikstein in sein Hassgebilde einpasst.

(...) Wer glaubt, dass die als Biedermänner getarnten Brandstifter nun in sich gehen und endlich einmal über die möglichen Folgen ihrer Worte ins Grübeln kämen, hat sich jedoch getäuscht. „Ich würde es heute wieder genau so sagen [...] Das einzige, worüber ich mir Sorgen mache, ist, woher ich Ersatzteile für meinen Morris Traveller aus dem Jahre 1971 bekomme. Sogar in England werden die Teile knapp“, ließ Henryk M. Broder gestern die Öffentlichkeit wissen. Als Gipfel des Zynismus publizierte er sogar eine der Stellen des „Manifests“, in der er namentlich genannt wird, unkommentiert unter dem Titel „Me and The Manifesto“ auf seinem Blog. Anstatt zumindest einen Augenblick betroffen innezuhalten, gefällt sich Broder einmal mehr in der Rolle des zynischen Provokateurs . Natürlich dauerte es nicht lange, bis seine Dreistigkeit in rechtspopulistischen Blogs als „gesunde Einstellung“ gefeiert wurde. Was muss eigentlich noch passieren, dass die geistigen Brandstifter ein wenig Empathie zeigen?

Es ist leider auch unwahrscheinlich, dass bei den einschlägigen Medien ein Lern- oder Umdenkungsprozess einsetzen wird. In unserer schnelllebigen Aufmerksamkeitsökonomie wird es nach einer kurzen „Pietätspause“ weiter gehen mit der Hetze gegen Muslime und gegen die „Gutmenschen“. Die geistigen Brandstifter werden nicht etwa geächtet, sondern sogar mit Medienpreisen überhäuft. Politik und Medien sind auf dem rechten Auge blind.


Friedrich Küppersbusch befindet:

Als der Täter bereits verhaftet war, musste man sich auch bei Spiegel Online noch durch sieben Absätze Paranoia pflügen, um danach schlanke Hinweise auf Anders B. zu finden. Man berichtet, bevor man etwas weiß, das ist schlechtes Handwerk. Man hängt Schuldige vor der Beweisaufnahme, das ist Propaganda. Egal welches Problem - wahrscheinlich liegts am Islam. Das ist keine andere Denke als die des Täters.

(...) Ist Anders B. im Kern seiner Religion von Thilo Sarrazin zu unterscheiden? "Europa wird arabisiert" - "Deutschland schafft sich ab"? Wenn es je "Salonbolschewiken" gegeben hat, haben wir es längst mit Salonnazis zu tun. Für diese todschicken Hassprediger brauchen wir nicht auf Skandinavien zu zeigen. Die Islam-Schmähungen gehen nie ohne den diffusen Begriff "Netzwerk" ab, während die Welt und Innenminister Friedrich den Täter sogleich zum "verrückten Einzeltäter" erklärten, zum "einsamen Sonderling voller hasserfüllter Gedanken". In Schweden und Dänemark regieren die vereinzelten Sonderlinge bereits mit.


Das MiGAZIN sieht nach den Terroranschlägen Europas Rechtspopulisten allerdings "unter Stress":

Bereits jetzt geht in rechtspopulistischen Kreisen online die Angst um, nicht mehr ganz oben mitsurfen zu dürfen, nachdem sich ihre „Hoffnung“ auf einen islamistischen Attentäter binnen Stunden in Luft aufgelöst hat.

Schon wird versucht, in dem abscheulichen Verbrechen eine Art „Verzweiflungstat“ hinein zu halluzinieren, wobei der Täter schnell zum Opfer „der bösen multikulturalistischen Gesellschaft“ gemacht wird, während die fiesen Migranten angeblich vom Staat bevorzugt würden.

Solche oder ähnliche Leserkommentare tauchten kürzlich in den Online-Foren der großen Zeitungen, aber auch auf einschlägigen Rechtspopulismus-Portalen zu Hunderten auf, wobei führende Zeitungen sie schnell wieder gelöscht haben. Die Einträge zeigen auch, wie krank es in den Köpfen solcher Leute zugehen muss.

Eines ist ganz klar, die Tat von Oslo hat nicht nur weltweit schockiert, sie wird künftig auch die politische Diskussion um den vorlauten und menschenverachtenden Rechtspopulismus, der in der Mitte der Gesellschaften Europas angekommen ist, neu bestimmen.


In einem weiteren lesenswerten Artikel untersucht das MiGAZIN, wie die Islamophoben gerade psychisch zu verarbeiten versuchen, dass ihre Hassideologie zu einem Massenmord geführt hat:

Ich werde hier nicht zu rechtspopulistischen Webseiten oder Texten verlinken, ich fasse nur kurz zusammen, was mir alles untergekommen ist. Die letzten fünf Punkte sind nur eine Auswahl unter den vielen Verrücktheiten, die im Moment umlaufen.

1. Der Täter ist einfach nur ein psychopathischer, ein kranker Einzelgänger und hat mit dem politischen Anliegen der „Islamkritiker“ oder sonst einer politischen Richtung nichts zu tun.

2. Die Tat ist natürlich unbedingt zu missbilligen, aber man kann die Gründe Breivigs verstehen.

3. Ein Nationalist wäre niemals fähig, Landsleute zu ermorden. Breivik ist weder rechts noch national noch Christ.

4. Jetzt überdeckt leider der Schrecken des Massakers in Norwegen die eigentliche Gefahr, die Gefahr der Islamisierung Europas.

5. Die Linke instrumentalisiert den Amoklauf eines Wahnsinnigen für ihre Zwecke.

6. Im Grunde sind doch die Muslime und die Einwanderer und ihre Wegbereiter schuld – sie haben Breivik zu seinem Anschlag getrieben.

7. Der Sprengstoffanschlag in Oslo sei eine Insider-Aktion gewesen, das ganze ein False-Flag-Unternehmen, um die Rechte zu desavouieren.

8. Daraus, dass Breivik mit den Freimaurern zu tun hatte, müsse man schließen, der Auftrag zum Terrorakt komme aus dem Vatikan.

9. Michael Mannheimer, der schon mal öffentlich zum bewaffneten Aufstand gegen diese Republik aufgerufen hat, begrüßt die terroristische Tat Breiviks als Beginn des europäischen Bürgerkriegs gegen die Muslime und ihre Dhimmis.

10. Jemand beweist, akribisch ins Detail gehend, dass das Massaker auf der Insel überhaupt nicht stattgefunden hat.

Wir grenzen an ein Irrenhaus, und über die Blogs haben die Insassen permanent Freigang.

Sonntag, Juli 24, 2011

Das Massaker und die Hassblogger

Es gibt jetzt bereits neue lesenswerte Beiträge über den islamophoben Massenmörder, seine mutmaßlichen Anstifter und die allmählich einsetzende Debatte:

Der Mörder und die Hassblogger

PI-Autor bejubelt "Beginn des Bürgerkriegs gegen die Islamisierung"

Verdächtiger plante "Bürgerkrieg" in Europa

Springers "Welt" löscht Broder

Medienkritik im Internet

"Warum bombt der Islam ausgerechnet in Oslo?"

Nachdem inzwischen verschiedenen Zeitungsberichten zufolge Geständnisse des Täters vorliegen sollen, kann man wohl ohne ein größeres Risiko einer Vorverurteilung festhalten: Mit dem Massaker in Norwegen ist offenbar genau das wahr geworden, was ich seit Jahren befürchtet und wozu ich ebenfalls jahrelang warnend gebloggt habe – und wofür ich von den rechtsextremen Irrlichtern inner- und außerhalb der Männerbewegung immer wieder aufs Übelste angegriffen worden bin. (Bizarrerweise versuchten exakt im selben Zeitraum ähnlich durchgeknallte Irrlichter am linken Rand ausgerechnet mich als "Rechten" zu verleumden – an Wahnhaftigkeit nehmen sich die beiden Extrempositionen des politischen Spektrums wenig.) Ein endloses Dauerfeuer an Hetze, was Muslime angeht, scheint zu vorhersagbaren Resultaten geführt zu haben. Ich bin momentan allerdings dermaßen angefressen über diesen Horror, dass ich keine Lust habe, selbst einen längeren Beitrag darüber zu schreiben (es würde vermutlich ohnehin nur eine Schimpftirade werden). Stattdessen verweise ich auf einige lesenswerte Beiträge in anderen Blogs:

Der Standard:

Terror in Norwegen – Der Moslem war's!

Ein Auszug:

Eine Überraschung sollte das nicht sein: von 249 Terroranschlägen in der EU im Jahr 2010 wurden lediglich drei von Islamisten begangen. Dass alle diejenigen, die bei jeder Gelegenheit Muslime als Schuldige für alles Schlechte in der Welt zur Hand haben, nun für einen Moment innehalten und ihre Vorurteile überdenken, das darf freilich bezweifelt werden.


Die Berliner Morgenpost:

Attentäter gesteht und hinterlässt ein Manifest

Ein Auszug:

Auch Kolumnist Henryk Broder findet Erwähnung in dem Manifest des norwegischen Attentäters. Anders B. zitiert ein Interview, das Broder einer niederländischen Zeitung gab, und in dem der Autor Europäer aufforderte auszuwandern, sollten sie ihre Freiheit weiter behalten wollen. "Broder ist überzeugt, dass die Europäer sich der Islamisierung nicht widersetzen werden", so B. "Viele Deutsche haben nicht auf Broders Rat gewartet. Die Zahl der Migranten aus Deutschland hat längst die Zahl der Immigranten übertroffen."


Die Welt:

Der Rechtspopulismus senkt die Hemmschwelle

F!xmbr:

Oslo, Anders Behring Breivik und das Versagen der Medien

Stefan Niggemeier:

Feiges Journalistenpack

Fernsehkommentare zum Terror: Wer solche Experten kennt, braucht keine Laien

Politblogger:

Islamophober Rechtsextremist richtet in Oslo mindestens 91 Menschen hin

Wie Politically Incorrect den Terror von Oslo sieht

Tagesthemen: Wer war's? Der Islamist natürlich

Norwegen ist überall

Vermutlich werde ich in den nächsten Tagen einige weitere Links auf gelungene Beiträge zu diesem Thema bloggen. Der fremdenfeindliche Rechtspopulismus kotzt mich nicht weniger an als der männerfeindliche Sexismus unserer Tage.

Ich möchte nicht wissen, was hierzulande los wäre, wenn es sich bei dem Täter statt um einen extremen Christen, wie es derzeit aussieht, tatsächlich um einen ein extremen Islamisten handeln würde. Vermutlich wären Broder, Ulfkotte, Sarrazin und Co. auf sämtlichen Titelseiten und würden durch zahllose Talkshows vagabundieren. Ich bin gespannt, ob unsere Medien wenigstens jetzt allmählich zur Besinnung kommen.

Samstag, Juli 23, 2011

Warum ist Genitalverstümmelung lustig, wenn sie Männer trifft?

Das zweierlei Maß in der Geschlechterdebatte ist jedem Kundigen längst offensichtlich: Während beispielsweise die Frauenbewegung von Politik und Medien hofiert wird, stößt die Männerbewegung vor allem auf Anfeindungen und wird ansonsten weitgehend ignoriert. Noch deutlicher wird der geringere Wert von Männern in unserer Gesellschaft jedoch, wenn es um brutale Gewalt geht. Um das zu zeigen, muss man gar nicht erst auf das Thema Massenvergewaltigungen zu verweisen. Ein aktuelles Verbrechen in den USA reicht zur Veranschaulichung vollkommen aus.

Es geht um den Fall von Catherine Kieu, die ihrem Mann den Penis abhackte und diesen Körperteil danach in den Müllhäcksler warf. Mehrere Medien berichteten, darunter der FOCUS:

Der Notarzt fand den schwer blutenden 51-jährigen Mann ans Bett gefesselt, sagte ein Polizeisprecher am Dienstag (Ortszeit) in der südkalifornischen Stadt Garden Grove. Das Opfer sei ins Krankenhaus gebracht worden und befinde sich nach einer Operation in ernstem Zustand. Die 48-jährige Frau wurde verhaftet. Sie habe ihrem Mann am Montagabend ein Essen zubereitet, in das sie Betäubungsmittel gegeben habe, sagte der Polizeisprecher. Als ihr Mann schläfrig wurde, habe er sich ins Bett gelegt. Die Frau habe ihn an Armen und Beinen gefesselt und ausgezogen. Als er wieder zu sich gekommen war, habe sie ihm das Glied mit einem 25 Zentimeter langen Küchenmesser abgeschnitten. „Er war bei Bewusstsein, als der Penis entfernt wurde“, sagte der Ermittler.


Natürlich hatte der Mann die Tat provoziert – er hatte die Scheidung eingereicht ...

Bezeichnenderweise sorgte dieses Verbrechen bei so mancher Frau nicht für Entsetzen, sondern für enorme Belustigung. So hat heute Morgen Christian in seinem Blog den Ausschnitt einer CBS-Talkshow online gestellt, in dem unter anderem Sharon Osbourne ihre Schadenfreude kaum beherrschen konnte. Wir alle wissen, dass das kein Einzelfall ist. Nicht nur Alice Schwarzer verwendete das Wort "entwaffnet", nachdem einem anderen Mann der Penis abgesäbelt worden war, und kommentierte hämisch: "Da muss ja Frauenfreude aufkommen." Für diese Form der Berichterstattung bekam Schwarzer von der "Männergesellschaft" zahlreiche Journalistenpreise und zwei Bundesverdienstkreuze verliehen.

Entgleisungen wie die geschilderten sind offensichtlich nur in einer feministisch ideologisierten Gesellschaft vorstellbar, in der Männer und männliche Sexualität ohnehin als Abfall gelten, lediglich eine überschaubare Gruppe von Männerrechtlern dagegen protestiert und gegen diese Männerrechtler ihrerseits bis hin zur Unterstellung von Rechtsextremismus eine massive Breitseite verbaler Gewalt gefahren wird. Dass diese Gewalt unter anderem von Mitgliedern eines sogenannten "Bundesforums Männer" ausgeht, das sich zur Problematik "Männerfeindlichkeit" selbst mit keiner Silbe äußert, macht diese Zustände nur noch unerträglicher. Wenn infolgedessen im Internet die Stimmung gegen den Feminismus und seine Protagonisten immer feindseliger wird, verwundert das nicht.

Die Situation ist bizarr: Würden sich Männerrechtler über die Genitalverstümmelung bei Frauen lustig machen, begänne ohne jeden Zweifel augenblicklich ein nicht enden wollendes Gebrüll, solche Äußerungen belegten, wie barbarisch, frauenfeindlich, böse und gemeingefährlich Männerrechtler seien. Belustigen sich aber Frauen über die Genitalverstümmelung von Männern, erhalten sie eine Talkshow als Podium für ihre Heiterkeit. Warum gilt das Recht auf körperliche Unversehrtheit bei Männern so viel weniger als bei Frauen? Christian lädt ein zur Diskussion.

Freitag, Juli 22, 2011

Lion Edler: "Europäische Dekadenz gegen islamischen und US-amerikansichen Überlebenskampf"

Auf ef-online setzt sich Lion Edler in einem langen Essay mit "Feminismus, Selbstaufgabe und Geschichtsneurose" auseinander. Ein Auszug:

Möglicherweise sog Schwarzer bereits bei der Aufklärung über die Naziverbrechen ein Geschichtsbild auf, das die französische Publizistin Elisabeth Badinter beklagt und vom Feminismus-Kritiker Arne Hoffmann in seinem Buch „Männerbeben“ zitiert wurde. Badinter führte aus, bei der Beschäftigung mit dem Dritten Reich hätten deutsche Feministinnen und Historikerinnen weibliche Täterschaft „fast 40 Jahre lang nahezu vollständig gemieden“ und sich stattdessen „auf die Aktivitäten von Widerstandskämpferinnen oder die weiblichen Opfer des Nationalsozialismus“ beschränkt. So entstand ein Geschichtsbild, welches die Historikerin Claudia Koonz wie folgt beschreibt: „Die Männer waren Nazis und die Frauen unschuldig.“ Dieses Männerbild halte sich bis heute, wie sich im Umgang mit dem Völkermord in Ruanda zeige. Unter den Personen, die für diesen Völkermord angeklagt waren, befanden sich auch 3.564 Frauen. Badinter fragt: „Aber ist das Schweigen der Medien, das sich um diese Frauen hüllt, nicht verblüffend?“

(...) Schwarzer indessen überträgt ihre halb-religiös übersteigerte antifaschistische und ihre feministische Weltsicht auf die Islam-Debatte. Das Kopftuch etwa bezeichnet sie als Brandzeichen, „vergleichbar mit dem Judenstern“. Es kommt bei der Islamkritik öfters vor, dass nicht-feministische Ansätze des Islam, die aber noch lange nicht frauenfeindlich sind, bereits als Beweis für seinen angeblich totalitären beziehungsweise Nazi-ähnlichen Charakter herangezogen werden. Für Nekla Kelek etwa ist in den Moscheen bereits die übliche Sitzordnung mit der Trennung nach Geschlechtern ein Zeichen für Demokratiefeindlichkeit. Damit wären das freilich auch Studentenverbindungen. Zwei vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegebene Studien führten im letzten Jahr zu der Aussage von der Ministerin Kristina Schröder (CDU), „dass eine erhöhte islamische Religiosität korreliert mit einer erhöhten Zustimmung zu Männlichkeitsnormen, die Gewalt legitimieren“. Jedoch: Belastbare Zahlen zur Kriminalitäts-Rate von muslimischen Einwanderern gegenüber Einheimischen konnte keine der beiden Studien vorzeigen.


Hier findet man den vollständigen Beitrag.

Dienstag, Juli 19, 2011

Warum haben wir Angst vor männlicher Sexualität?

Die politisch eher links stehende britische Zeitung "Guardian" behandelt in ihrer Ausgabe von gestern ein Problem, das ich auch im Vorwort meines Buches "50 einfache Dinge ..." gestreift habe: Die sexuelle Revolution scheint vorwiegend Frauen zugute gekommen zu sein – denn während weibliche Sexualität in vielfacher Form befreit wurde, gilt männliche Sexualität bis heute vor allem als Problem:

Since the era of the permissive society and the mainstreaming of modern feminism, western society has gone a long way towards liberating women's sexuality. Younger women have, to an unprecedented extent, been encouraged to believe they can be as sexual as they like and to experience and express their desires as they wish. Even the age-old proscriptions on female promiscuity have been largely broken down, exemplified by the glorious flowering of the SlutWalk movement.

Simultaneously, and perhaps not coincidentally, male sexuality has been increasingly seen as a problem. You can hear it in the gentle, dismissive mockery that says men are simple creatures who "only want one thing" or, at the extreme, outright vilification. The male gaze threatens, male desire is aggressive. Our primal instincts are pathologised with the jargon of gender studies. Righteous and necessary efforts to reduce sexual crimes have had the unwelcome effect of teaching generations of men that our sexuality can be dangerous and frightening.

(...) Perhaps the greatest concern for men and women alike should be the way male sexuality and sexual expressiveness balances on a narrow tightrope of acceptability. One step off the wire and you tumble into the realm of perversion. As feminist blogger Clarisse Thorn noted last year, any man who hits on a woman and gets it wrong risks being branded a "creep" – sometimes deservedly so, of course, but often for no greater sin than being insufficiently attractive or socially skilled, or having misread a perceived signal of invitation. I've never heard of a woman being stigmatised or disparaged for expressing an attraction to big men, rough men, geeky men or whatever. A man who expresses similar desires for women who don't conform to standard norms of beauty is a perv, a fetishist, a weirdo.

(...) Women have been entirely justified in asking that we blokes respect their rights, autonomy and wishes, that we respect them as sexual beings. It shouldn't be too much to ask for a little of the same in return.


Hier findet man den vollständigen Artikel.

Montag, Juli 18, 2011

Soziologen: "Die deutsche Frau hat ein Imageproblem"

Ursula von der Leyen, diktierte, als sie noch Familienministerin war, einmal der "Welt" die folgenden Sätze ins Blatt: "In Deutschland ist eine Veränderung in der Väter- und Männerrolle, hin zu einem tatsächlich gleichberechtigten Partner, überfällig. Männer, die dazu nicht bereit sind, werden keine Partnerin mehr finden." So manipulativ, wie man das von der Ministerin gewohnt ist, übergeht von der Leyen, dass zu einer Partnerschaft immer zwei gehören, und ein Mann, der keine Partnerin findet, auch eine Frau ohne Partner zurücklässt. Warum sich die Männer unbedingt den Rollenvorstellungen von der Leyens beugen sollen, bleibt unklar. Erst recht, wenn man sich einen aktuellen Artikel im Magazin der "Süddeutschen Zeitung" über deutsche Männer anschaut, die zunehmend Ausländerinnen heiraten. In dem Artikel heißt es unter anderem:

Inzwischen hat nicht mehr die Osteuropäerin oder Asiatin ein Imageproblem, sondern die deutsche Frau. Sie gilt häufig als hart, unnachgiebig, uncharmant. Das bestätigen auch die Untersuchungen David Glowskys, des Soziologen aus Berlin: Deutsche Frauen sind emanzipiert, ihr Beruf ist ihnen wichtig. Männer dagegen bevorzugen die traditionelle Rollenverteilung: Die Frau darf klüger und schöner sein als sie, jedoch nicht gern selbstständiger.

(...) Viele deutsche Männer sind enttäuscht – von den deutschen Frauen: zu anspruchsvoll, zu schlecht gelaunt, zu kompliziert, zu schlampig angezogen, zu viele Bedingungen, zu wenig Sex.

(...) Auf Frauen aus Osteuropa trifft noch etwas zu, was es in Deutschland so gut wie nicht gibt: Es macht ihnen nichts aus, von oben nach unten zu heiraten. Viele von ihnen haben in ihrem Heimatland studiert, heiraten hier Männer, die keinen Hochschulabschluss haben, und sind bereit, einen Job anzunehmen, der ihrer Ausbildung nicht entspricht. Das imponiert deutschen Männern.


Erstaunlich: Nach mehreren Jahrzehnten feministischen Männer-Niedermachens und Frauen-Lobhudelns in Politik und Medien hat nicht der deutsche Mann ein Imageproblem, sondern die deutsche Frau. Vieleicht war es doch ein geschlechterpolitischer Fehler, die Wünsche und Bedürfnisse einer Hälfte der Bevölkerung so komplett zu ignorieren.

Gender-Fußball: Ohne Mädchen-Tore zählen die Jungentreffer nicht

Die Mannheimer "Straßenfußball-WM" wird die Jungs bestimmt lehren, Mädchen als gleichberechtigte Mitspieler ernstzunehmen:

Die durchweg robust aufgestellte Truppe hält sich nicht nur an die Fair-Play-Regeln wie gegenseitiges Händeschütteln oder das Beklatschen gegnerischer Tore. Sie spielen einen ausgezeichneten Fußball und setzen auch die wichtigste Regel-Neuerung perfekt um: Jede Mannschaft muss mindestens ein Mädchen aufbieten. Wenn dieses innerhalb der sieben Spielminuten keinen Treffer landet, waren alle Jungs-Tore umsonst.


Damit ist der Grundgedanke von Gender-Mainstreaming und Frauenquoten auch bei unseren Kleinsten angekommen: Man muss nur ausreichend schiefe Bedingungen schaffen, dann gleichen sich die Leistungen der beiden Geschlechter schnell einander an.

Hier findet man den vollständigen Artikel.

Warum wir die Adressen von Frauenhäusern öffentlich machen sollten

Die ehemalige Goslarer Gleichstellungsbeauftragte Monika Ebeling erklärt in einem aktuellen Artikel, warum sie es für eine gute Idee hält, die bislang weitgehend geheimgehaltenen Adressen von Frauenhäusern zu veröffentlichen.

Sonntag, Juli 17, 2011

Guardian berichtet über Massenvergewaltigungen von Männern

Über Männer als Opfer zu sprechen unterliegt in unserer Geschlechterdebatte ohnehin schon einem massiven Tabu. Das Thema muss selbst mit massiver verbaler Gewalt abgewehrt werden – sei es durch die Parole, Männer sollten nicht in "Opferkonkurrenz" zu Frauen treten, sei es durch von mancher Feministin vorgebrachte Herabsetzungen wie "Jammermännchen", sei es durch verstiegene Theorien a la: Rechtsradikale sehen sich als Opfer, wenn sich Männer also als Opfer sehen, sei das ein Beleg für eine rechtsradikale Gesinnung. Tatsächlich ist es das Ausblenden männlicher Opferschaft selbst, die nach reaktionärstem Sexismus mieft.

Besonders dominant herrscht dieses Tabu jedoch, wenn es um Männer geht, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind. Der britische Guardian wagt den Tabubruch heute mit einem ausführlichen Artikel. Einige Auszüge:

Of all the secrets of war, there is one that is so well kept that it exists mostly as a rumour. It is usually denied by the perpetrator and his victim. Governments, aid agencies and human rights defenders at the UN barely acknowledge its possibility. (...) One of the few academics to have looked into the issue in any detail is Lara Stemple, of the University of California's Health and Human Rights Law Project. Her study Male Rape and Human Rights notes incidents of male sexual violence as a weapon of wartime or political aggression in countries such as Chile, Greece, Croatia, Iran, Kuwait, the former Soviet Union and the former Yugoslavia. Twenty-one per cent of Sri Lankan males who were seen at a London torture treatment centre reported sexual abuse while in detention. In El Salvador, 76% of male political prisoners surveyed in the 1980s described at least one incidence of sexual torture. A study of 6,000 concentration-camp inmates in Sarajevo found that 80% of men reported having been raped.

(...) Because there has been so little research into the rape of men during war, it's not possible to say with any certainty why it happens or even how common it is – although a rare 2010 survey, published in the Journal of the American Medical Association, found that 22% of men and 30% of women in Eastern Congo reported conflict-related sexual violence.

(...) The research by Lara Stemple at the University of California doesn't only show that male sexual violence is a component of wars all over the world, it also suggests that international aid organisations are failing male victims. Her study cites a review of 4,076 NGOs that have addressed wartime sexual violence. Only 3% of them mentioned the experience of men in their literature. "Typically," Stemple says, "as a passing reference."

(...) Stemple's findings on the failure of aid agencies is no surprise to Dolan. "The organisations working on sexual and gender-based violence don't talk about it," he says. "It's systematically silenced. If you're very, very lucky they'll give it a tangential mention at the end of a report. You might get five seconds of: 'Oh and men can also be the victims of sexual violence.' But there's no data, no discussion."

As part of an attempt to correct this, the RLP produced a documentary in 2010 called Gender Against Men. When it was screened, Dolan says that attempts were made to stop him. "Were these attempts by people in well-known, international aid agencies?" I ask.

"Yes," he replies. "There's a fear among them that this is a zero-sum game; that there's a pre-defined cake and if you start talking about men, you're going to somehow eat a chunk of this cake that's taken them a long time to bake." Dolan points to a November 2006 UN report that followed an international conference on sexual violence in this area of East Africa.

"I know for a fact that the people behind the report insisted the definition of rape be restricted to women," he says, adding that one of the RLP's donors, Dutch Oxfam, refused to provide any more funding unless he'd promise that 70% of his client base was female. He also recalls a man whose case was "particularly bad" and was referred to the UN's refugee agency, the UNHCR. "They told him: 'We have a programme for vulnerable women, but not men.'"

(...) Margot Wallström, the UN special representative of the secretary-general for sexual violence in conflict, insists in a statement that the UNHCR extends its services to refugees of both genders. But she concedes that the "great stigma" men face suggests that the real number of survivors is higher than that reported. Wallström says the focus remains on women because they are "overwhelmingly" the victims. Nevertheless, she adds, "we do know of many cases of men and boys being raped."

But when I contact Stemple by email, she describes a "constant drum beat that women are THE rape victims" and a milieu in which men are treated as a "monolithic perpetrator class".

"International human rights law leaves out men in nearly all instruments designed to address sexual violence," she continues. "The UN Security Council Resolution 1325 in 2000 treats wartime sexual violence as something that only impacts on women and girls… Secretary of State Hillary Clinton recently announced $44m to implement this resolution. Because of its entirely exclusive focus on female victims, it seems unlikely that any of these new funds will reach the thousands of men and boys who suffer from this kind of abuse. Ignoring male rape not only neglects men, it also harms women by reinforcing a viewpoint that equates 'female' with 'victim', thus hampering our ability to see women as strong and empowered. In the same way, silence about male victims reinforces unhealthy expectations about men and their supposed invulnerability."


Für alle, die des Englischen nicht ganz so mächtig sind, fasse ich die wesentlichen Punkte der zitierten Passagen zusammen:

- Sexuelle Gewalt gegen Männer kommt vor allem in Diktaturen und (Bürger-)Kriegen in zahlreichen Ländern der Erde häufig vor. Genau wird darüber nicht nachgeforscht, aber wenn man einmal forscht, stößt man immer wieder auf erschreckend hohe Zahlen.

- Für Regierungen, Hilfsorganisationen, Menschenrechtler und Gruppen, die sexuelle oder geschlechtsbezogene Gewalt untersuchen, sind männliche Opfer solcher Gewalttaten kein Thema.

- Auch in der umfangreichen Literatur über sexuelle Gewalt bei militärischen Konflikten werden männliche Opfer höchstens einmal in einem Nebensatz erwähnt.

- Wenn überhaupt einmal ausnahmsweise eine Dokumentation über männliche Opfer erstellt wird, gibt es Versuche, deren Aufführung zu unterbinden, weil das Establishment in den genannten Bereichen befürchtet, dass "der Kuchen (an Hilfsgeldern und sonstiger Unterstützung) nur einmal verteilt werden kann" und man stillschweigend davon ausgeht, dass davon Männer nichts abbekommen sollten.

- Es gibt von jenen Gruppen, die Männer als "universelle Täterklasse" zeichnen wollen, massive Lobbyarbeit dahingehend, ausschließlich über Frauen als Vergewaltigungsopfer zu sprechen.

- Da offenbar als Folge dieser jahrzehntelangen politischen Lobbyarbeit selbst die Vereinten Nationen "sexuelle Gewalt" inzwischen ähnlich mit "Gewalt gegen Frauen" gleichsetzt, wie sie es auch bei "häuslicher Gewalt" tun, werden die Hilfsgelder für Vergewaltigungsopfer betroffene Männer und Jungen vermutlich niemals erreichen.

Und während all das geschieht, füllen verkrachte Soziologiestudenten im 42. Semester gesund und zufrieden die Kommentarspalten von Zeitungen wie dem "Freitag" mit ihren lustigen Erörterungen darüber, dass eine Männerrechtsbewegung keine Befreiungsbewegung sein könne, weil Männer doch nie und nirgends unterdrückt würden. Und noch im selben Atemzug verleumden sie Männer, die sich diesen Luxus nicht gönnen, sondern über Entsetzlichkeiten wie die geschilderten berichten, als rechtsextremen Klüngel. Vielleicht wäre es vernünftiger, stattdessen einmal darüber nachzudenken, wie massiv sie mit ihrer Ideologie von vorgestern und ihren Diffamierungskampagnen selbst am Aufrechterhalten der geschilderten sexuellen Gewalt mitwirken.

Diese Form der Geschlechterdebatte ist nach vier Jahrzehnten Feminismus mit seiner Schwarzweiß-Malerei von allein Frauen als Opfern und Männern allein als Tätern einfach nur ekelerregend geworden. Offenbar braucht es eine Männerlobby, die ähnlich stark ist wie die feministische, bevor sich an den geschilderten Schrecken etwas ändert.

FOCUS weist auf heutige AGENS-Veranstaltung hin

Zugegeben, es dürfte ein wenig plakativ werden. Am symbolischsten Ort Deutschlands, dem Brandenburger Tor, werden Männer, Kinder und ein paar Frauen am Sonntag um 14 Uhr eine Mauer aus Pappkartons bauen, um sie zu den Klängen von Pink Floyd wieder einzureißen. Anschließend steigen heliumgefüllte Luftballons in den Hauptstadthimmel. Nur – anders als mit dieser XXL-Symbolik, meint der Organisator Eckard Kuhla von der Organisation agens, lässt sich nun mal keine Aufmerksamkeit für sein Thema erzeugen: Die seelischen Verwüstungen, die Ehescheidungen nach sich ziehen, bei Kindern und Eltern.

Kuhla kann die Zahlen herunterrattern: Täglich gibt es durch Gerichtsurteile 400 neue Scheidungskinder in Deutschland – weswegen die Berliner Demo auch „Aktion 400“ heißt. Pro Jahr erleben 150 000 Kinder in Deutschland die Trennung ihrer Eltern. Zwei Drittel aller Kinder, die wegen psychischer Störungen behandelt werden müssten, so Kuhla, litten eigentlich unter einem Scheidungstrauma. Und 80 Prozent der kriminellen Kinder stammten aus einem vaterlosen Zuhause.

Bei „agens“ handelt es sich um einen kleinen Verein, der „ein neues Miteinander zwischen Mann und Frau“ fördern will. Und ja, am Sonntag werden auch einige Frauen in Berlin mitdemonstrieren. Allerdings lassen die Veranstalter kaum einen Zweifel daran, dass sie mit ihrer Pappkartonmauer und ihren Luftballons vor allem auf die Folgen der vaterlosen Gesellschaft und die Diskriminierung von Scheidungsvätern aufmerksam machen möchten.


Hier geht es weiter.

Wer in Berlin lebt, die Veranstaltung unterstützen möchte und diesen Beitrag noch rechtzeitig liest, kann natürlich gerne vorbeischauen.

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Neuer Service des Femokratieblogs

Nachdem er sich in den letzten Tagen eingespielt hat und vermutlich dauerhaft besteht, möchte ich hier auf einen neuen Service hinweisen, den Christine Luka in ihrem Femokratieblog anbietet: die News des Tages. In dieser Rubrik stellt Christine Meldungen zur Geschlechterdebatte zusammen, die brandaktuell in diversen Blogs, Foren etc. online gegangen sind. Auch ich stoße dort immer wieder auf Beiträge, die ich sonst womöglich übersehen hätte. Zwei Beispiele von heute: Hannes Stein wird vorgeworfen, auf der "Achse des Guten" die Genitalverstümmelung von Jungen zu preisen und Kritiker in den Ruch des Antisemitismus zu stellen. Und im linken "Freitag" beginnt nach Sidney Davenport jetzt ein weiterer Feminismuskritiker mit dem Nick "Schwarzbart" damit, die bislang eher inzestuös geführte Debatte mit einer Gegenansicht zu beleben. Die ersten Feministinnen äußern sich über diese Entwicklung entsetzt.

Freitag, Juli 15, 2011

Vorwürfe nach Feminismuskritik: Unterwandern Nazis den "Spiegelfechter"?

Der "Spiegelfechter", eines der bekanntesten deutschen Politblogs, veröffentlicht heute den Gastbeitrag "Leitkultur Feminismus". Ein Auszug:

Wenn man sämtliche, in den Medien diskutierte Themen, die direkt oder indirekt etwas mit Emanzipierung oder Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau zu tun haben, Revue passieren lässt, dann bleibt ein fader Beigeschmack, der einer angeblich so aufgeklärten Gesellschaft nicht gut steht. Der erwähnte Kampf um die Befreiung des weiblichen Geschlechts aus gesellschaftlichen Beschränkungen und Vorurteilen scheint immer öfter über das Ziel hinaus zu schießen, ja gar in grotesker Weise zu einem fundamentalistischen Eifer zu werden.

Man wird des öfteren den Eindruck nicht los, dass die heutige Generation von Frauen (und auch Männern) ein gefühltes Jahrtausend selbst erlebter weiblicher Unterdrückung nun mit einem Schlag wieder gut machen will. Gefördert wird dieser Zwang zu Gleichmacherei durch eine Medienschlacht, die auf fast allen relevanten Feldern beruflicher, kultureller und sportlicher Tätigkeiten ausgetragen wird. Zweifel an der Sinnhaftigkeit solcher Debatten einerseits, oder an der Nützlichkeit bzw. Notwendigkeit weiblicher Profilierung und Frauenquoten in traditionell männlichen Domänen andererseits, sind mittlerweile nicht mehr ganz gefahrlos zu äußern.


Hier findet man den vollständigen Text. Der ist zwar grundharmlos, wird von einigen Knallköpfen im Kommentarbereich aber sofort in die rechtsextreme Ecke gerückt: Es fallen allen Ernstes Worte wie "faschistisch" und Phrasen wie "Nazis unterwandern kritische Foren wie den Spiegelfechter". Damit bestätigen diese Kommentatoren natürlich die Grundthesen des Textes aufs Schönste. (Wie dressierte Seelöwen: Man wirft ihnen einen Ball zu, und sie machen "Örk! Örk!" ...) Der "Sommer der Männerbewegung" führt bei den ersten zu einem Sonnenstich.