Freitag, Dezember 30, 2005

30. Dezember 2005

Einen trotz einiger Härten im Layout brillanten Beitrag zur gegenwärtigen „Antisemitismus“-Propaganda liefert aktuell die „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost“.

Die Autoren befinden: „Sowohl die USA als auch Israel gerieten und geraten wegen ihrer Politik in der Öffentlichkeit überall auf der Welt, nicht zuletzt in Europa, in ein schlechtes Licht. Deswegen betreibt Israel nun auch verstärkt in Europa eine Propagandaoffensive. Ein Hauptpropagandainstrument dabei ist der Vorwurf des Antisemitismus mit dem Zweck, alle Menschen als Antisemiten zu diffamieren, die Israels Politik gegenüber den Palästinensern kritisieren. Eine andere Propagandastrategie (…) ist die Dämonisierung der Muslime, die Hetze gegen die Muslime, als neuen Feind, deren angebliche Bedrohung für die ganze Welt George W. Bushs `Feldzug gegen das Böse´ rechtfertigen soll.“

Dieser Artikel über den Antisemitismusvorwurf als Propagandainstrument ist eine glänzend argumentierende Antwort auf viel Dummsinn, den man in letzter Zeit ertragen musste und über den ich auch in diesem Blog berichtet habe. Besonders treffend ist auch die in dem Essay enthaltene Analyse von bestimmten angeblichen „Merkmalen für Antisemitismus“:

„Sie werden heute identisch von verschiedenen Autoren (…) angeführt. Ja, eine mächtige Lobby für Israel versucht sogar, EU-Staaten und EU-Organisationen diese Punkte aufzuzwingen. Wir werden aufzeigen, dass wenn man sich nach diesen Punkten richtet, die israelische Gewaltpolitik nicht mehr kritisieren kann und somit, ob man es will oder nicht, der Propagandalobby zur Unterstützung der israelischen Annexionspolitik auf den Leim geht.“

Nachdem die Verfasser des Artikels erklärt haben, wie genau diese Propagandamaschine funktioniert, schreibt ein abschließendes Zitat allen Broders, Mierschs und Stawskis klare Worte ins Stammbuch: „Der Missbrauch von angeblichem Antisemitismus ist moralisch verwerflich. Es brauchte Hunderte von Jahren und Millionen von Opfern, bis der Antisemitismus – ein besonderer Fall von Rassismus, der geschichtlich zum Genozid führte – tabusiert war. Menschen, die dieses Tabu missbrauchen, um Israels rassistische und genozidale Politik gegen die Palästinenser zu unterstützen, schänden, ja: schänden das Andenken jener jüdischen Opfer, deren Tod aus humanistischer Sicht Sinn nur insofern hat, als er der Menschheit als ewige Warnung vor allen Arten der Diskriminierung, des Rassismus und des Genozids dient.“

Donnerstag, Dezember 29, 2005

noch 29. Dezember

Die SM-Zeitschrift SCHLAGZEILEN, die in letzter Zeit (warum auch immer) eher garstig zu mir war, findet bei ihrer Rezension meines aktuellen Kurzgeschichtenbandes lobende Worte: „Wer »Neue Leiden« aus unserem Hause mochte, dem gefallen bestimmt die neuen Kurzgeschichten von Cagliostro, die der Band »Wachs in deiner Hand« versammelt. Man mag zu dem Autoren stehen, wie man will – auf alle Fälle versteht er sein Handwerk. Die Protagonisten seiner Geschichten bewegen sich scheinbar sicher in ihren Rollen, bis jemand kommt, der ihnen den Weg zu ihrer wahren Bestimmung zeigt. Dabei vermeidet Cagliostro meist geschickt die üblichen Klischees.“ Wenn man hier bedenkt, dass es sich um unveröffentlichte Geschichten aus meiner Anfangszeit als Autor handelt, ist das Lob meiner Handwerkskunst ein besonders großes Kompliment.

"Man mag zu dem Autoren stehen, wie man will" - ts! Dauert nicht lange, und ich bin der Eminem der deutschen SM-Szene ... :-)

29. Dezember 2005

Nach dem ernsten Beitrag gestern, heute mal wieder ein bisschen Kuriosa und Fallerala:

„It isn´t easy being the sexy bin Laden“ berichtet Osamas Nichte in diesem Artikel, über den ich gerade gestolpert bin und zu dem auch ein erotisches Foto gehört.

Einen interessanten Beitrag über männliche Prostituierte für Frauen in Jamaika gibt es hier.

Währenddessen bietet ein Berliner Bordell Discount-Preise für Arbeitslose an.

In einer Hitparade der besten Filmorgasmen kam Meg Ryan nur auf den zweiten Platz.

Dafür erhielt der Autor Giles Coren den Bad Sex in Fiction Award für die ungeschickteste Schilderung einer sexuellen Begegnung.

Und Women´s Web berichtet, was Frauen heutzutage bei Männern wirklich wichtig ist.

Was man halt so alles entdeckt, wenn man für sein überüberüberüberüberüberübernächstes Buchprojekt schon ein bisschen vorab recherchiert …

Mittwoch, Dezember 28, 2005

28. Dezember 2005

Da albere ich an Heiligabend noch unter anderem über die Herren Miersch und Broder herum und erhalte heute schon eine ernste Nachricht, die mich wieder einmal fassungslos macht.

Dazu vielleicht eine kleine persönliche Vorgeschichte: Langjährige Leser meines Blogs wissen ja, dass einer meiner besten Freunde ein Wiesbadener Rechtsanwalt ist. Dem übersandte ich neulich auf privater Ebene einen Zeitungsartkel über die aktuellen Anfeindungen gegen mich, worauf er meinte, Mierschs Unterstellung, ich würde „antisemitischen Schrott“ verbreiten (bezogen auf ein Interview, in dem ich mich klar gegen Antisemitismus ausgesprochen und Strategien dagegen vorgeschlagen hatte, aber auch das entsetzliche Vorgehen der israelischen Regierung klar als solches benannte), diese Behauptung also sei eigentlich eine ideale Grundlage für eine Unterlassungsklage. Mierschs Unterstellungen seien ehrverletzend und juristisch durchaus belangbar. Ich winkte meinem Freund gegenüber ab, weil ich Mierschs Praktiken zwar ebenfalls widerwärtig finde, dem unbenommen aber der Ansicht bin, dass ein politischer Streit nicht dadurch ausgetragen werden sollte, dass einer dem anderen juristisch den Mund verbietet, sondern indem sich die überzeugendere Meinung durchsetzt. (Wenn Miersch dem Muslimmarkt-Betreibern Todesdrohungen unterstellt, selbst nachdem dafür längst ein gegenteiliges BKA-Gutachten vorliegt, mag das zwar ebenfalls üble Nachrede sein, aber juristisch nicht meine Angelegenheit.)

Gegen missliebige Meinungen Rechtsmittel einsetzen zu wollen scheint nun aber ausgerechnet bei jenen in Mode zu kommen, die selbst in ihren Texten am wildesten und maßlosesten zu Werke gehen. So erreicht mich heute folgender Solidaritätsaufruf Erhard Arendts, Betreiber des renommierten Palästina-Portals, das über jene Verbrechen in Israel berichtet, über die viele Medienjournalisten nur allzu gerne hinwegsehen. Diese Enttabuisierung scheint nicht jedem recht zu sein. Herrn Arendt zufolge wird er mit seinem Portal nämlich gerade von einem wahren Sperrfeuer juristischer Attacken unter Beschuss genommen – und zwar von Leuten und Organisationen, die man wohl nicht als jüdische oder israelische Lobby bezeichnen darf, weil das „Ressentiment und Hetze“ wäre, die aber genau diesen lobbyistischen Anschein ganz ausgezeichnet erzeugen. Das für mich Unglaubliche an Arendts Meldung ist, dass zumindest eine treibende Kraft bei diesem Sperrfeuer Mierschs famoser Kompagnon Henryk M. Broder sein soll. Und das macht mich fassungslos. Zugegeben: Erhard Arendt kritisiert auch Broder scharf, sei es, indem er ihn anhand seiner eigenen Zitate bis zur Kenntlichkeit entblößt, sei es durch Links auf Zeitungsartikel wie diesen hier, dem zufolge Broder auch schon mal auf die Juden schimpft, weil diese „zu blöd seien, aus den Arabern gefillten Fisch zu machen“. Klar, dass einen solch unverblümte Kritik wurmt. Nun ist allerdings Broder selbst einer, der wenig Hemmungen zeigt, wenn es um persönliche Beschimpfungen, Beleidigungen und Angriffe unterhalb der Gürtellinie geht. (Beispiele sind en masse auf Broders Website und in seinen Einträgen bei der „Achse des Guten“ nachzulesen). Und ausgerechnet dieser Mann geht gegen Kritik an seinen Äußerungen mit angedrohten Unterlassungsklagen vor? Wie gesagt, fast fällt es mir schwer zu glauben. Andererseits habe ich keinen Grund, an Herrn Arendts Behauptungen zu zweifeln und bin ja auch aus eigener Erfahrung selbst bestens über die wenig feinen Methoden jener „Achsenmitglieder“ informiert, die sich anscheinend selbst als „die Guten“ bezeichnen mussten, weil wohl kaum ein verständiger Leser von sich aus auf diesen Gedanken gekommen wäre. Unterstützt wird Erhard Arendts lesenswerter Solidaritätsaufruf hingegen auch von so integren, respektablen Publizisten wie Felicia Langer und Anis Hamadeh.

Was also geht hier vor? Hier sind es Abmahnungen und Kontopfändungen als Weihnachtsgeschenk, dort werden Leute mit Dreck beworfen, indem man sie als „antisemitisch“ verleumdet. Geht es hier wirklich nur um den bekannten Charakterfehler, dass manche Leute bei weitem besser austeilen als einstecken können? Oder liegt hier die Methode nicht eher darin, dass jegliche allzu laute Kritik an den Untaten von Sharon und Konsorten mit allen Mitteln unterbunden werden soll, damit diese Greuel so ungestört wie irgend möglich über die Bühne gehen können? Michael Miersch äußerte in seinem Interview für „eigentümlich frei“ den schönen Satz: „Die Fälle Möllemann und Hohmann, wo es durch den Vorwurf des Antisemitismus zu einem echten Karriereknick kam, sind seltene Ausnahmen.“ Übergehen wir einmal den Zynismus, Möllemanns Tod als „Karriereknick“ zu bezeichnen, übergehen wir ebenso die anderen von Miersch „vergessenen“ Fälle, in denen Menschen durch solche Unterstellungen auch beruflich schwer zu Schaden kamen: Hört man aus Mierschs Worten etwa ein Bedauern heraus, dass der Automatismus „Antisemitismusvorwurf führt zu Karriereknick“ hierzulande noch immer nicht so gut greift, wie es mit etwas mehr gutem Willen doch möglich wäre? Erweist sich Ludwig Watzal momentan als gar zu zäh? Wird noch etwas mehr McCarthy hier von einigen geradezu herbeigesehnt? Dabei muss es nicht erst der „Karriereknick“ sein, der Menschen in Angst versetzt, ihre Meinung zu den Greueln im Nahen Osten offen zu sagen: Die Furcht vor einer monatelangen Hetz- und Verleumdungskampagne wird den meisten durchaus genügen. Eine ganze Bandbreite potenziell existenzbedrohender juristischer Attacken nicht weniger.

Zur Hitlerzeit hat man sich gefragt, warum so viele Menschen auch außerhalb Deutschlands die Klappe gehalten und nicht eingegriffen haben, obwohl ihnen das himmelschreiende Unrecht doch sichtbar sein musste. Vielleicht sollte man sich statt mit der unveränderbaren Vergangenheit wenigstens ein bisschen mehr mit der veränderbaren Gegenwart beschäftigen und schauen, welche Interessensgruppen heute aus welchen Gründen wieder Erfolg haben, wenn über Verbrechen geschwiegen werden soll. Da mögen sich manche zu tapferen Widerständlern gegen „antisemitische Verschwörungen“ phantasieren, als ob wir heute immer noch in den dreißiger und vierziger Jahren lebten, obwohl eben diese Leute heute von einer Talkshow zur anderen irrlichtern, prominent und gutsituiert für die „Welt“ schreiben und für den „Spiegel“ und für Kriege werben, in die andere Menschen ziehen müssen, während die Provokateure selbst geschützt am Schreibtisch sitzen oder in Haifa Wein süffeln und in Berlin Champagner. Man lebt anscheinend ganz gut im Kampf „Gut gegen Böse“, wenn man nur darauf achtet, dass die „Guten“ diejenigen sind, die – ob Bush, Sharon oder die Springerpresse – sich gerade an der Macht befinden. Die weiße Rose war da offenbar einfach zu blöde für. Selten war der nachträgliche Widerstand gegen den Nationalsozialismus so billig zu haben. Den wahren Widerstand allerdings findet man heute wie damals eher im Verborgenen: auf kleinen, ehrenamtlichen, der ganz breiten Öffentlichkeit kaum bekannten, aber in Sachen Frieden und Menschenrechte um so engagierteren Internetseiten wie denen von Erhard Arendt. Und schon deshalb hat dieser jede Solidarität verdient.

Samstag, Dezember 24, 2005

Heiligabend 2005

Hiermit wünsche ich allen ein wunderschönes Weihnachtsfest!

Außer Michael Miersch natürlich.

Und Henryk M. Broder.

Von Alice Schwarzer wollen wir gar nicht erst reden.

Und diese zwei Schnepfen aus dieser Berliner Buchhandlung da …

Bush! George W. Bush! Dem schon mal gar nicht! Wenn ich nur an den denke, an den Kerl!

Saddam Hussein natürlich auch nicht. Sonst heißt es wieder, man schimpft nur gegen die eine Seite, obwohl die anderen doch viel schlimmer sind.

Hab ich Aserbaidschan schon erwähnt, oder wie dieser iranische Obermufti jetzt heißt?

Also wenn man erst mal angefangen hat …

… da kommen ganz schön viele zusammen.

Vielleicht wär ich schneller fertig gewesen, wenn ich alle genannt hätte, denen ich was Schönes wünsche?

Je!

("So bescheuert schreibt _der_ seine Weihnachtsgrüße.")

Ist noch von dem Punsch da?





Also gut, also gut. Ich wünsche ein frohes Weihnachtsfest natürlich an erster Stelle meinem Lisa-Engel :-), außerdem allen lieben Freunden, Bekannten und Mitstreitern, all meinen Verlegern, die rechtzeitig die Kohle überwiesen haben, allen Lektoren, die mein Gemotze ertragen mussten, allen Lesern, die mir freundliche oder aufschlussreiche Rückmeldungen haben zukommen lassen, und überhaupt allen Leuten, die mir dieses Jahr nicht allzu sehr auf die Eier gegangen sind. Friede auf Erden! Habt Spaß!

Wo steht mein Punsch?

Freitag, Dezember 23, 2005

noch 23. Dezember

Immer wenn man denkt, in Sachen „Vergangenheitsbewältigung“ sei irgendwann der Gipfel des Beklopptseins erreicht, bekommt man einen neuen kuriosen Link zugeschickt – in diesem Fall zu einer Schlagzeile in dem Online-Magazin hagalil, die da allen Ernstes lautet: ”Wie erinnern sich Jugendliche an den Nationalsozialismus?”. Hm. Am besten wohl in einer hypnotischen Rückführung in ein früheres Leben? Oder war in den Neunzigern auch noch Drittes Reich, und ich hab nur nichts davon mitgekriegt, weil in der SM-Szene sowieso alle so komische Stiefel trugen? Ich hab schon Probleme zu glauben, dass sich ein heutiger Jugendlicher an den Fall der Mauer erinnern kann, aber an den Nationalsozialismus? Gut, immerhin heißt es in dem Artikel ja auch „Zu Beginn des 21. Jahrhunderts werden die Stimmen immer lauter, die Vergangenheit Vergangenheit sein zu lassen.“ Noch irritierender finde ich allerdings die Stimmen, für die Vergangenheit und Gegenwart offenbar genauso ein und dasselbe sind wie „sich erinnern“ und „Geschichtsforschung betreiben“. Wenn sich ein Jugendlicher an den Nationalsozialismus „erinnert“, meinetwegen an die Verbrechen der Wehrmacht - „erinnert“ er sich dann an das, was ihm von den Veranstaltern der berühmten Wehrmachtsausstellung gesagt wurde, oder an das, was ihre Kritiker daran zu beanstanden hatten? Kann man sich an zwei gegensätzliche Dinge zugleich „erinnern“? Und warum wird „erinnern“ immer mehr zu einer Vokabel, die zum einen Wahrheit assoziiert (sonst könnte ich mich ja nicht darin „erinnern“) und zum anderen politische Korrektheit („Erinnerungskultur“), also politische Korrektheit und Wahrheit quasi in eins setzt? Und wieso käme eigentlich niemand auf die Idee, einen Artikel „Jugendliche erinnern sich an die Weimarer Zeit“ zu betiteln? Sprache ist verräterisch. Sprachmanipulation auch.

23. Dezember 2005

“`Cagliostro´ ist tot” – mit dieser Betreffzeile schockte mein Verleger Rüdiger Happ heute morgen vielleicht den einen oder anderen Leser der SM-Newsliste „Schlagworte“ aus seiner Vorweihnachtsstimmung. Glücklicherweise (oder für einige Zeitgenossen: leider) bin ich aber noch putzmunter. Was endlich sterben und zu Grabe getragen werden musste, war lediglich mein Pseudonym, das mich über zehn Jahre hinweg als SM-Autor begleitet hatte.

In Rüdigers schwarzhumoriger Newsmeldung heißt es weiter: „Tief betrübt geben wir das `Ableben´ von `Cagliostro´ bekannt. Sein literarisches Debüt fand 1997 mit dem vielbeachteten Kurzgeschichtenband `Die neuen Leiden´ (Charon Verlag) statt. Die Geschichten, die in diesen Band keinen Eingang mehr fanden, wurden jetzt vom Marterpfahl-Verlag in den Bänden `Wachs in deiner Hand´ (November 2005) und `Machtgeil´ (soeben) veröffentlicht, deren Erscheinen zu erleben dem Autor gerade noch vergönnt war, bevor das Schicksal ihn in die ewigen literarischen Jagdgründe abberief ... `Cagliostro´ ist tot - es lebe Arne Hoffmann! Alle künftigen Veröffentlichungen werden unter dem Namen Arne Hoffmann erscheinen; es ist allerdings nicht auszuschließen, daß auf dem einen oder anderen Speicher oder Dachboden noch eine kleine literarische Trouvaille aus dem Nachlaß `Cagliostros´ zum Vorschein kommt ...“

Okay, so formuliert liest sich das wie ein Pseudo-Nachruf, der sich als makabrer Scherz entpuppt. Die eigentliche Nachricht bzw. die Geschichte dahinter ist folgende: Ich hatte vor einem knappen Jahrzehnt begonnen, unter dem Pseudonym Cagliostro SM-Geschichten zu schreiben, weil ich meine Eltern vor etwaigen dämlichen Kommentaren von Bekannten schützen wollte. Inzwischen ist meine Mutter seit Jahren verstorben, mein Vater hat mit meiner Arbeit als Erotikautor keine Probleme, SM hat heute für viele einen Stellenwert als eine Sexpraktik neben anderen inne, und meine unter meinem Klarnamen "Arne Hoffmann" veröffentlichten Bücher sind mittlerweile bekannter als meine erotischen Erzählungen. Dementsprechend hatte ich mein Pseudonym auch schon 2001 gelüftet. Selbst meine in den letzten Jahren beibehaltene Trennung – Erzähltexte unter "Cagliostro", Sachbücher unter "Arne Hoffmann" – macht angesichts der aktuell geplanten Veröffentlichungen keinen rechten Sinn mehr. Da war es an der Zeit, als Autor das Stadium der Verpuppung zu beenden und den Kokkon "Cagliostro" endgültig zu verlassen. Als besonders passend empfinde ich, dass sich der Kreis mit einem Band eben jener erotischen Kurzgeschichten schließt, mit denen er begonnen wurde. "Machtgeil" ist insofern der letzte Band, der unter dem Namen "Cagliostro" erscheinen wird.

Mittwoch, Dezember 21, 2005

noch 21. Dezember

Einen hübschen Beitrag gibt es heute in dem jüdischen Online-Magazin hagalil. Darin geht es um eine Tagung über die Brückenfunktion der deutsch-jüdischen Gemeinden im israelisch-deutschen Dialog, veranstaltet vom Zentralrat der Juden in Deutschland und der Heinrich-Böll-Stiftung. Dem Hagalil-Artikel zufolge schloss die Veranstaltung unter allgemeiner Zustimmung mit dem Fazit Charlotte Knoblochs: „Israel ist und bleibt unsere religiöse und geistige Heimat.“

Bitte? Darf ich schüchtern einwenden, dass es als hochbedenkliches Zeichen von Antisemitismus skandalisiert wurde, als Ignatz Bubis vor Jahren von einem Rostocker Stadtverordneten gefragt wurde, ob er Israel als seine Heimat betrachte? Und dass das Meinungsforschungsinstitut Forsa in einer für den „Stern“ durchgeführten Umfrage, die bei 23 Prozent der Befragten judenfeindliche Einstellungen zu erkennen glaubte, als eine der Schlüsselfragen für einen solchen Hinweis „Fühlen sich die Juden in erster Linie Israel verbunden?“ wählte? Wenn ein Befragter hierin Charlotte Knobloch zustimmte, ohne in Feinheiten in der von "Forsa" vorgegebenen Formulierung zu achten ("die Juden", "in erster Linie"): Ätsch, reingefallen, Sie sind antisemitisch!

Vor einigen Wochen wurden Äußerungen von mir als antisemitisch insinuiert, weil ich es gewagt hatte, jüdische Vertreter der Nahost-Friedensbewegung anzuführen. Die bizarre Logik ging damals in die Richtung: „Jüdische Kronzeugen sind für Antisemiten typisch, sharonkritische Juden sind jüdische Antisemiten, nur ein sharontreuer Jude ist ein guter Jude.“ (Das ist natürlich ein Teil des politischen Machtkampfes, so wie wenn Alice Schwarzer suggeriert, Frauen, die ihr nicht zustimmten, seien „vom Patriarchat manipuliert“ und übernähmen unbewusst dessen Frauenfeindlichkeit. Hier gilt analog: Nur linientreue Frauen sind gute Frauen.) Okay, inzwischen darf man also noch nicht mal mit Vertretern des Zentralrats der Juden in Deutschland übereinstimmen, ohne als antisemitisch diffamiert zu werden? Am besten man hält zum Thema Juden komplett die Klappe, was dann zweifellos auch wieder nicht richtig wäre? Kein Wunder, dass hier einige inzwischen von einer „neurotischen Rezeptionshaltung“ sprechen. Vielleicht könnte man allmählich dazu übergehen, den Dialog zwischen Juden und Nicht-Juden von einer Reihe komplett überflüssiger Tretminen zu befreien, selbst wenn das einigen Leuten ihr „Antisemitsmus-Aufstöbern-wo-es-nur-irgend-geht“ als Lieblingshobby nehmen würde.

21. Dezember 2005

Schon witzig, wenn man mal schaut, was aus ehemaligen Klassenkameraden aus der Neunten und Zehnten so geworden ist. Der eine aus meiner Klasse ist gestern neben seiner Uni-Professur in den Vorstand unserer städtischen CDU gewählt worden, ein anderer ist neben seiner Karriere in der Business-Welt als Philosoph erfolgreich, ein dritter ist inzwischen Geschäftsführer des Flugplatzes Bielefeld und außerdem auch selbst Pilot. Ich finde, das ist eine nette Freizeitidee für einen trüben Dezembernachmittag: einfach mal nachgooglen, wo die Leuten von damals mittlerweile gelandet sind …

Dienstag, Dezember 20, 2005

20. Dezember 2005

Meine neueste Politik- und Medienanalyse ”Warum Hohmann geht und Friedman bleibt” erhält derzeit nicht nur weiter sehr gute Kritiken bei Amazon, Erhard Arendt hat es in seinem Palästina-Portal sogar zum “Buch des Jahres 2005” gewählt und stellt es mit all den darüber entstandenen Diskussionen auf einer Sonderseite vor. Das ist doch mal ein tolles frühzeitiges Weihnachtsgeschenk!

Samstag, Dezember 17, 2005

17. Dezember 2005

Der Fragebogen, mit dem mich vor einiger Zeit die „Junge Freiheit“ interviewte, steht inzwischen online. Ich finde meine Antworten ja eher wischi-waschi, aber versuchen Sie doch mal für sich, auf diese Fragen passende Antworten zu finden - und bitte jeweils in so wenigen Worten, dass sie problemlos in eine Zeile passen.

Freitag, Dezember 16, 2005

16. Dezember 2005

So, bei „Dämonenprinz“ steht jetzt das erste Kapitel. Die Geschichte fängt deutlich langsamer an, als ich das eigentlich vorhatte, aber man braucht eben ein bisschen Zeit, um die Figuren und ihren Hintergrund wenigstens halbwegs vorzustellen. Außerdem gibt es das typische Phänomen, von dem viele Autoren berichten, tatsächlich – dass nämlich die Hauptfiguren einer Geschichte anfangen, eine Art Eigenleben zu entwickeln und nicht mehr das tun wollen, was man sich als Autor eigentlich gedacht hatte. Vermutlich liegt das aber nur daran, dass man als Autor noch nicht richtig im Charakter seiner Figuren „drin“ ist, solange man nicht mit dem Schreiben angefangen hat, und dann laufen plötzlich Charakterentwicklung und ursprünglich geplante Plotentwicklung in verschiedene Richtungen.

Generell sollte ich mir mal überlegen, ob ich, was meine Belletristik angeht, nicht stärker das Genre von der Erotik zum Beispiel zur Phantastik wechsle. Sicher, erotische Szenen sind immer ein starkes Verkaufsargument, aber man muss zum Schreiben auch immer selbst mindestens einigermaßen in Stimmung sein. Und es gibt einfach Tage, da fühle ich mich absolut ungeil.

Donnerstag, Dezember 15, 2005

immer noch 15. Dezember

Okay, ich fühle mich geschmeichelt, aber glaubt ihr ehrlich, dass das clever ist, ausgerechnet in einer Kontaktanzeige mein Werk „Sind Frauen bessere Menschen?“ unter den Lieblingsbüchern aufzuführen? :-)

noch 15. Dezember

„Die Folterrealos, die den Menschenrechtsfundis einen heuchlerischen Selbstwiderspruch anlasten, sehen den Balken im eigenen Auge nicht.“ schreibt heute Peter Warta im Wiener “Standard“ all jenen ins Stammbuch, die Proteste gegen die Folter als moralische Heuchelei abzuqualifizieren suchen. Proteste übrigens, die inzwischen offenbar ihre Früchte zeigen: Offenbar steht in den USA ein regierungsamtliches Folterverbot trotz Dershowitz und Krauthammer und wie sie alle heißen kurz bevor. Grund dafür dürfte weniger plötzliche moralische Erleuchtung der Bush-Krieger gewesen sein als schlichter Pragmatismus, mutmaßt auch die “Frankfurter Allgemeine“: „Was es heißt, wenn weniger von der islamistisch-terroristischen Bedrohung gesprochen wird, dafür um so mehr von (angeblicher) Folter und Verschleppung, hat neulich schon die Außenministerin erfahren. Es zersetzt und demoralisiert - und hat Frau Rice dazu veranlasst, man muss fast sagen: dazu gezwungen, für Amerika ein Antifolterbekenntnis abzugeben.“

15. Dezember 2005

Die Salami-Technik bei der schrittweisen Etablierung von Folter schreitet munter voran. Durfte man gestern in der Talkrunde des Senders „Phoenix“ noch einen Vertreter der amerikanischen Republikaner für das Argument bewundern, wenn man Schlafentzug, Schein-Ertränken und 48 Stunden langes Stehen als „Folter“ bezeichne, würde man die „echte“ Folter verharmlosen, argumentiert heute schon Alan Dershowitz (Autor von „Plädoyer für Israel“) in der „Zeit“ für eine Legalisierung, solcher Praktiken. Erst mal natürlich nur in „Einzelfällen“, und auch nur „nicht-tödliche“ Folter. Die Frage ist: Wenn auch dieser Schritt erst einmal akzeptiert ist, mit welchem nächsten Schritt geht der Spaß dann weiter? Irgendwie graust mir bei der Vorstellung, dass in ein paar Jahren jeder, der immer noch gegen Folter ist, als Anti-Amerikaner oder Antisemit angegriffen werden wird. Ich kann die überschnappende Entrüstung förmlich schon hören: „Die Folter dient unserer Verteidigung gegen Terroristen, die uns ausmerzen wollen, und jeder, der das nicht akzeptiert, offenbart überdeutlich, auf welcher Seite er steht!“ Also dieselbe Rhetorik wie heute, nur noch einen Tacken schlimmer.

Treffend kommentiert Jörn Schulz in der “Jungle World“, wo die Gefahr bei den aktuellen Entwicklungen liegt: “Seit der amerikanischen Revolution sind die bürgerlichen Rechte Schritt für Schritt erweitert und zuvor ausgegrenzten Bevölkerungsgruppen wie Frauen und Schwarzen zugesprochen oder von ihnen erkämpft worden. Nun aber entwickelt die US-Gesellschaft neue Ausgrenzungsmechanismen. Als Feind wird der »gefährliche Fremde« ausgemacht, der enemy combatant, der durchaus (…) ein US-Bürger sein kann.“ Während schon immer gefoltert wurde, so Schulz, hatten im Kalten Krieg die Supermächte entsprechende Vorwürfe als Propaganda des Gegners abgetan, und niemand wäre, wie heute, „auf die Idee gekommen, die Normen selbst in Frage zu stellen, weil der Feind sie nicht achtet. Was früher geleugnet wurde, wird heute öffentlich erwogen und gerechtfertigt. Linke fordern gern mehr Ehrlichkeit in der Politik. Die Heuchelei ist jedoch ein notwendiger Bestandteil der bürgerlichen Ordnung, denn sie bremst die Gewalttätigkeit des Staates und die Verrohung der Gesellschaft. Wenn sich niemand wegen seiner antihumanitären Ansichten oder Handlungen mehr schämen muss, wird es wesentlich leichter, das nächste Tabu zu brechen.“

Dienstag, Dezember 13, 2005

noch 13. Dezember

Drollig. Für Wikipedianer läuft „Der Untergang“ inzwischen unter Nazipunk. Das ist die subtilste und zugleich perfideste Kritik an Bernd Eichingers Film, die ich je gelesen habe.

13. Dezember 2005

In der gestrigen „tageszeitung“ findet sich ein interessantes Interview mit dem israelischen Schriftsteller Jitzhak Laor. Dieser führt unter anderem aus: „Mir ist diese Israelliebe, die mit einem Hass auf die Muslime einher geht, sehr suspekt. (…) Etwas befremdet mich an dieser Judeophilie in Deutschland. Ich frage mich, ob dieser zwanghafte Multikulturalismus, wenn es um Juden geht, nicht ein paar Versäumnisse auf der anderen Seite verschleiert. Ich frage mich auch, warum während all dieser antimuslimischen Hetze der letzten Jahre niemand aus der Jüdischen Gemeinde in Deutschland aufgestanden ist und gesagt hat: Hier läuft etwas schief.“ Immerhin schön zu wissen, dass ich nicht der einzige bin, dem dieses Ungleichgewicht Missbehagen bereitet.

Montag, Dezember 12, 2005

12. Dezember 2005

Ein kleiner Nachtrag vielleicht noch zu der Literaturliste weiter unten: Wenn Sie ein vernünftiges Buch mit einer Gegenposition zu den in diesem Blog vertretenen Auffassungen lesen möchten: Tobias Jaeckers ”Antisemitische Verschwörungstheorien nach dem 11. September“ ist nicht ganz schlecht. Offensichtlich teile ich Jaeckers Meinung in vielem nicht, schon gar nicht wenn sie unhinterfragbar wie ein Axiom daherkommt, aber man kann dieses Buch durchaus gewinnbringend lesen.

Davon abgesehen habe ich heute endlich angefangen, an meinem neuesten Roman „Dämonenprinz“ zu arbeiten, vom Genre her eine Art erotischer Phantastik. Also ein Buch ohne Weltpolitik, ohne Tabubrüche und ohne die Gefahr, damit irgendjemandem auf die Füße zu treten. Ich denke, das wird für mich sehr entspannend werden.

Sonntag, Dezember 11, 2005

noch 11. Dezember

Wer eben den Auftritt Daniel Schwammenthals bei Sabine Christiansen verfolgte, dem konnte schon das Gruseln kommen. Während der Reporter des „Wall Street Journals“ die meiste Zeit mit einem höhnischen Grinsen auf den Lippen schweigend dasaß, so waren seine Äußerungen um so erschreckender, wenn er einmal das Wort ergriff. Relativ unverhohlen plädierte er für eine offene Debatte darüber, ob im Kampf gegen den Terror die Folter von Tatverdächtigen ein rechtmäßiges Mittel sein könnte. Eine ähnliche Position hatte Schwammenthal bereits in einem nicht weniger üblen Artikel seines Magazins vertreten. Es war Gregor Gysi, der den Folter-Apologeten mit treffenden Argumenten zurechtstutzte: Welchen Wahnwitz treibt eigentlich eine Regierung, die Staaten wie Syrien wegen ihrer Missachtung der Menschenrechte als „Schurkenstaaten“ angreift, um genau diese beklagte Barbarei auszunutzen, um Tatverdächtige dort verhören zu lassen? Und was wäre, wenn nicht die USA, sondern ein Staat wie Uganda nichtsahnende deutsche Staatsbürger verschleppen, über Monate hinweg gefangen halten und misshandeln würde – müsste man dann auch auf Samtpfoten um das Thema herumtänzeln, um nicht eines „Anti-Ugandismus“ bezichtigt zu werden?

Nun brauchte es nicht erst Menschen wie Schwammenthal, damit bei Millionen von Deutschen inzwischen der Eindruck entsteht, dass sich die USA hin zu einem Folterstaat bewegen. Vielleicht sollte man da einmal mehr darauf aufmerksam machen, dass das nicht die ganze Wahrheit ist: This is not America - das ist vor allem die Regierung Bush. Die Gegenstimmen, die vor diesem Rückfall ins Mittelalter warnen, werden immer lauter. So macht die liberale US-amerikanische Wochenzeitschrift ”The Nation”, die zu den führenden Magazinen der Vereinigten Staaten gehört, in ihrer aktuellen Ausgabe diese beängstigende Entwicklung mit mehreren Artikeln zum Kernthema: „The new torture complex cannot be attributed to just a few rotten apples.“ heißt es dort. „Rooted in the White House and Pentagon, its branches extend to the Justice Department, political leaders, academics, medical professionals, media and ordinary soldiers.”

“The Nation” ist gottseidank nicht die einzige Publikation in den USA, die den gegenwärtigen Krieg gegen den Terror und seine Methoden scharf kritisiert. Das Magazin "Counterpunch" etwa vergleicht in einem Artikel über Condoleeza Rices orwellsche Sprachspielereien bei ihrer Europa-Tour die Praktiken der CIA offen mit denen der Gestapo. Da Deutschland oder Europa wohl kaum in der Lage sein dürften, bei der letzten verbliebenen Supermacht ein Einhalten der Menschenrechte durchzusetzen, bleibt hier nur zu hoffen, dass in dieser inneramerikanischen Kontroverse Moral und Aufklärung über eine Der-Zweck-heiligt-die-Mittel-Rhetorik siegen werden.

11. Dezember 2005

In der aktuellen „Neuen Zürcher Zeitung“ rezensiert Ernest Goldberger Norman Finkelsteins Neuerscheinung Beyond Chutzpah. On the Misuse of Antisemitism and the Abuse of History. Goldbergers Bewertung ist durchmischt: So schätzt er etwa Finkelsteins „Emotionalität und Scharfzüngigkeit“, wenn es darum geht, mit dem unsäglichen Humbug eines Alan Dershowitz abzurechnen, dessen Apologetik des israelischen Apartheidsystems hierzulande im Europa-Verlag als „Plädoyer für Israel“ (mit einem Vorwort von Henryk M. Broder) erschienen ist. Goldberger beschreibt dessen schrägen Inhalt zutreffend: „Darin bezeichnet Dershowitz beispielsweise die Beachtung der Menschenrechte in den besetzten Gebieten durch Israel als grossartig (superb) und diskreditiert alle Menschenrechtsorganisationen, die seit Jahren präzis und unbestreitbar schwere Verletzungen von humanen Grundrechten der palästinensischen Bevölkerung belegen. Dershowitz geht so weit zu behaupten, dass Israel nicht an das internationale Recht gebunden sei und sich dieses daher nicht vorhalten lassen müsse. Er hält sich an seinen öffentlich wiederholt verkündigten Grundsatz, seine Aufgabe sei die Freisprechung der von ihm verteidigten Straftäter, auch wenn er um deren Schuld wisse.“

Zu bemängeln hat Goldberger an Finkelsteins Buch, dass er darin „Gedankengänge über die sich aufdrängenden übergeordneten Fragen“ schmerzlich vermisse: „Welche Motive, Identitätsvorgänge, Mitläufertendenzen oder missverstandenen Solidaritätsgefühle treiben intelligente Menschen dazu, mit unstatthaften Mitteln Kritik an der gegenwärtigen Regierung Israels zu tabuisieren, und welche Folgen hat eine solche Unterdrückung der kritischen Wahrnehmungsfähigkeit für die Zukunft des Landes?“ Genau DAS ist auch für mich nicht erst seit den jüngsten Ereignissen eine der zentralen Fragen, mit denen ich mich in meinem eigenen Buch ”Warum Hohmann geht und Friedman bleibt” sowie meinem gestrigen Blogeintrag hier beschäftigt habe.

Samstag, Dezember 10, 2005

immer noch 10. Dezember

Die Zeiten sind schlimm! Jetzt musste ich in der letzten Woche schon Heribert Prantl zustimmend zitieren, dann Bettina Gaus, und jetzt auch noch Henryk M. Broder. Es ist zum Verzweifeln! Vermutlich sprechen Broder-Kritiker deshalb von den „zwei Gesichtern“ dieses Herrn: Wo er sich im Internet vor allem unterhalb der Gürtellinie bewegt, sind seine SPIEGEL-Artikel doch immer wieder mit Genuss zu lesen. So zum Beispiel sein aktueller, vor Sarkasmus triefender Beitrag über die jüngsten Ausfälle Mahmud Ahmadinedschads. Nur in der überflüssigen Spitze gegen Norbert Blüm am Schluss wird vom iranischen Hassprediger bis zum christlichen Menschenrechtler mal wieder jeder zusammengeworfen, der sich in irgendeiner Form negativ über Israel geäußert hat.

Weiter interessante Beiträge zu Ahmadinedschads Gegeifer findet man hier, hier, hier und hier.

noch 10. Dezember

Auch ich bekomme gerne Fanpost. So wie zum Beispiel diese hier (ohne Anrede und Unterschrift, Rechtschreibung von mir ein wenig korrigiert): „Tolle Unterstützer haben Sie: Frau Krienen, die vor wenigen Tagen noch eine Liberale war und heute, weil sie Publikum braucht, wieder in Richtung DKP schwimmt. Lesen Sie mal das hier: http://differenz.blogg.de/eintrag.php?id=239. Und über Galtung brauchen wir uns nicht zu unterhalten. Der Mann lag stets daneben, tönt aber immer noch. Sie sind einfach nur dumm und glauben jeden Mist. Ja, ja, ein Antisemit sind Sie nicht. Aber an ihren Taten sollt ihr sie erkennen – nicht an dem, was sie oberflächlich äußern.“

Wenn wir uns über Galtung nicht zu unterhalten brauchen, unterhalten wir uns eben über die Ausfälle gegen Tanja Krienen. Wo diese Dame politisch steht, ist mir offen gesagt ziemlich schnuppe. Darum geht es nicht. Frau Krienen wurde in den von mir beanstandeten Äußerungen nicht auf der Ebene ihrer politischen Haltung angegriffen, sondern wegen ihrer Transsexualität. Das ist dasselbe Niveau, wie wenn man Gudio Westerwelle nicht meinethalben als neoliberalen Wichtigtuer angreifen würde, sondern als kranken Homo, der schon längst einen Tritt in die Eier verdient hätte. In solchen Sachen erhält Wer-auch-immer von mir selbstverständlich Unterstützung, weil solche Diffamierungen gegen die Grundregeln des menschlichen Anstands gehen. Das einzig Positive ist, dass Leute, die immer wieder auf diese Ebene wechseln, von sich aus offenbaren, dass es um ihre Argumente in diesem Teil der Debatte nicht sehr gut bestellt sein kann.

10. Dezember 2005

Ich muss Sie in diesem Tagebuch mal eben mit einem theoretischen Text belästigen. Falls Sie das zu sehr abschreckt: Es kommt darin Sex mit Schweinen vor.

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12 Deutungen zur Motivation überschießender Vorwürfe von Antisemitismus

In diesem bereits früher hier verlinkten Beitrag aus der „Jungen Freiheit“ wird die Problematik der aktuellen Antisemitismusdebatten in einem einzigen Satz scharf umrissen: „Wenn die Süddeutsche als "Hetzblatt" mit Stürmer und Völkischem Beobachter verglichen und die Bundeszentrale (für politische Aufklärung) als "Hort des Antisemitismus" diffamiert wird, endlich die Washington Post behauptet, der Antisemitismus in Europa entwickele sich zur "zweiten und finalen Phase der 'Endlösung der Judenfrage'", dann offenbart dies Umrisse eines Wahns, der alle konventionellen Verschwörungstheorien sprengt.“

Die zentrale Frage ist hier, woraus sich dieser „Wahn“ speist. Ich möchte gerne einmal verschiedene Deutungsmöglichkeiten auflisten und zur Diskussion stellen.

Variante 1: Es handelt sich um überhaupt keinen Wahn. Die aktuell grassierenden Vorwürfe sind berechtigt, und die „Süddeutsche Zeitung“ ist wirklich so schlimm wie der „Stürmer“, Europa bewegt sich wirklich auf eine neue „Endlösung“ zu und Norbert Blüm ist ein Bruder im Geiste mit Mahmud Ahmadinedschad.

Variante 2: Die (Über-)Sensibilität hinsichtlich Antisemitismus stellt eine ursprünglich sinnvolle Schutzfunktion dar, die gerade Amok läuft. In meinem Buch „Warum Hohmann geht und Friedman bleibt“ zitiere ich etwa die Jüdische Autorin Katja Behrens („Ich bin geblieben – warum? Juden in Deutschland – heute“, Bleicher 2002), worin von dem jungen Jehuda berichtet wird, der zu Beginn des Dritten Reichs als einziger seiner Familie merkte, dass etwas noch viel Bösartigeres an die Stelle der „üblichen Gemeinheiten“ gegen Juden getreten war, woraufhin er vergebens versuchte, seine Verwandten zur Emigration nach Israel zu überreden, schließlich alleine ging und so als einziger seiner Familie überlebte. Solche Schicksale erklären Sätze wie Michel Friedmans „Es kann keine Übersensibilität gegen Antisemitismus geben“. Wenn allerdings die „Süddeutsche Zeitung“ inzwischen schon mit dem „Stürmer“ verglichen wird, kann man sich auch fragen, ob dieser Schutzmechanismus nicht mittlerweile doch in einigen Fällen aus dem Ruder gelaufen ist, etwa wie wenn ein traumatisiertes Vergewaltigungsopfer danach auch vor harmlosen Formen von körperlicher Berührung zurückschreckt.

Variante 3 sieht überbordende Antisemitismus-Vorwürfe als politisches Machtmittel. Man denke hier an den ehemaligen amerikanischen Präsidenten Lyndon B. Johnson, der einem seiner politischen Konkurrenten im Wahlkampf vorgeworfen haben soll, dass er Sex mit Schweinen habe. Als man Johnson später fragte, ob er das wirklich geglaubt habe, soll er geantwortet haben: „Nein, aber mein Konkurrent musste seitdem ständig erklären, dass er an Sex mit Schweinen keinerlei Interesse habe.“ Ähnlich, so könnte man postulieren, läuft die Chose ab, wenn jemand es wagt, die Verbrechen der israelischen Regierung zu thematisieren: Man hängt ihm das Etikett des Antisemiten um den Hals, das dauert fünf Minuten, und der Gute ist damit möglicherweise über Monate oder Jahre beschäftigt. Wollen wir doch mal sehen, ob der noch mal das Maul aufmacht! Oder, wie die „Junge Freiheit“ schreibt: „Das verantwortungslos hysterische Hochschreiben des Antisemitismus geht aufs Konto einer zynischen Mediengesellschaft, wurzelt freilich zudem in handfesten Interessen. Israel ist an der Abwehr von Kritik interessiert, die jüdisch säkulare Diaspora am Zusammenhalt durch Konfrontation und innerdeutsche Eliten am Machterhalt im Generationskonflikt.“

Variante 4: Statt als bewusst angewendtes Machtmittel kann man Antisemitismus-Unterstellungen so wie andere Unterstellungen auch schlicht als eine der Stufen in der Eskalation von Konflikten betrachten.

Variante 5 knüpft am letzten Punkt des vorhergehenden JF-Zitates an und sieht überbordende Unterstellungen von Antisemitismus, wenn sie von nichtjüdischen Deutschen geäußert werden, vor allem als Entlastungsversuch. So argumentiert Norman Finkelstein auf seiner Website: „Einige Deutsche der Nachkriegsgeneration hatten zweifellos die Last der Schuld und die damit einhergehenden lähmenden Tabus gegenüber unabhängigem, kritischem Denken aufrichtig angenommen. Heute aber ist die deutsche politische Korrektheit zu einer Farce verkommen, die nur so tut, als ob sie die Bürde, ein Deutscher zu sein, annimmt, obwohl sie sie eigentlich ablehnt. Denn was sonst soll diese endlose öffentliche Selbstgeißelung anderes bedeuten, als die Welt ständig daran zu erinnern, dass `wir nicht wie die sind´.“ Hierbei ginge es also um den missglückten Versuch, eine angebliche Kollektivschuld von sich zu weisen: „Sehr her, obwohl ich ein Deutscher bin, kann ich gar kein Antisemit sein; ich bin nämlich der erste, der bei anderen solche Vorwürfe erhebt.“

Variante 6 wäre, dass bei einer Bedrohung durch Terrorismus häufig jegliches Differenzierungsvermögen verloren geht. So beklagte sich Heinrich Böll in den siebziger Jahren bitter darüber, dass er nicht einmal von den Sozialdemokraten, sondern nur von einigen wenigen linken Liberalen gegen die Sympathisanten-Hetze verteidigt worden sei. In analoger Weise zu damals kann heute offenbar jeder, der mit Muslimen spricht, als „Terroristen-Versteher“ diffamiert werden.

Variante 7 knüpft an dieser Stelle an: Beim fahrlässigen Vorwurf des Antisemitismus würde es sich dann um nichts anderes handeln als um die Projektion eigener Rassismen auf seine Mitmenschen. Man spaltet die fremdenfeindliche, diffamierende Seite der eigenen Persönlichkeit, die man nicht wahrhaben möchte, bei sich ab und projeziert sie auf andere, setzt sich also nicht mit den eigenen Abwertungen auseinander, sondern unterstellt sie in gewendeter Form dem politischen Gegner. Insbesondere nachdem ich mir einige islamfeindliche Blogs und Zeitschriften wie „konkret“ in den letzten Tagen näher angeschaut habe, scheint mir diese Deutung viel Sinn zu machen. Hier kommt noch dazu eine ungleiche Gewichtung ins Spiel: Während Antisemitismus schon als unbegründeter Vorwurf derzeit _das_ Kainsmal überhaupt darstellt, wird seine Schwester, die Islamophobie und das Ressentiment gegen alles Muslimische, mit einem Schulterzucken abgetan: „Der mag halt keine Moslems, na und? Die sind ja auch wirklich ein bisschen schräg.“

Variante 8 würde statt von einer Projektion von einer Übertragung ausgehen. Die Kritik, die echte Antisemiten verdient hätten, wird dabei stellvertretend an Menschen ausagiert, denen man Judenhass fälschlich zuschreibt, weil man von ihnen in einer bestimmten Weise getriggert wird.

Variante 9 stammt aus der Transaktionsanalyse, das Stichwort hierzu wäre Dramadreieck (vgl. auch Eric Bernes „Spiele der Erwachsenenen“). Die Transaktionsanalytiker argumentieren, dass sich in der menschlichen Kommunikation immer wieder unbewusste Strategien abspielen, bei denen beispielsweise ein Mensch die Rolle des „Opfers“ einnimmt, ein zweiter die Rolle des „Retters“ und einem Dritten die Rolle des „Täters“ zugeschrieben wird. (Wohlgemerkt: Wir sprechen hier von Fällen falscher Unterstellungen, nicht um reale Täterschaft.) Ich halte das in vielen Fällen für eine der sinnvollsten psychologischen Deutungen und würde mich daher nicht wundern, wenn sie nie wieder aufgegriffen wird.

Variante 10 sieht den Antisemitismusvorwurf bei narzisstischen Persönlichkeiten als Schutz des grandiosen Selbst vor jeder Form von Kritik. Während eine Feministin, die Mist baut, Vorwürfe mit dem Slogan abblocken kann: „Das sagen die nur, weil ich eine Frau bin!“, kann ein jüdischer Schmock jegliche innere Auseinandersetzung mit seinem Verhalten umgehen, indem er sich sagt: „Die greifen mich nicht alle an, weil ich als ein arrogantes und feindseliges Arschloch rüberkomme, sondern weil ich ein Jude bin. Da sieht man´s mal wieder, der Antisemitismus ist einfach nicht totzukriegen!“

Variante 11 stellt ebenfalls eine Analogie zur Feminismuskritik dar. Wendy McElroy sagte einmal zur Leidenschaft mancher Feministin, für alles und jedes „das Patriarchat“ verantwortlich zu machen: „Wenn man als einziges Werkzeug einen Hammer hat, erscheint einem nun mal alles, was man entdeckt, wie ein Nagel.“ Insofern ist der Antisemitismusvorwurf die Allround-Rhetorik für Denkfaule, die es sich leicht machen und immer nur dieselbe Melodie zwitschern wollen. Jemand thematisiert die Verbrechen gegen die Palästinenser? Antisemitismus! Jemand empört sich über das Verhalten von Michel Friedman? Antisemitismus! Neue, komplexere Erklärungsmodelle: Fehlanzeige. Warum auch, wenn man mit denselben rhetorischen Floskeln jahrzehntelang problemlos dieselben Artikel ständig wiederkäuen kann?

Variante 12 wäre die religiöse Dimension: Wer „Eretz Israel“ (auch im weiteren Sinne dieser Definition) als ebenso gottgegebenen Auftrag sieht wie die früheren US-Amerikaner das „manifest destiny“, für den ist jeder Kritiker an der Durchführung dieses Auftrags des Teufels.

Vermutlich gibt es noch mehr als diese zwölf denkbaren Motivationen. Welche Motivation nun genau vorliegt, kann sich von Fall zu Fall, von Person zu Person und von Situation zu Situation unterscheiden. Sicherlich können sie sich auch überlappen und nebeneinander bestehen. Als Arbeitshypothese scheinen mir diese Deutungen aber ganz brauchbar zu sein.

Donnerstag, Dezember 08, 2005

noch 8. Dezember

In der aktuellen Ausgabe der konservativen Wochenzeitung „Junge Freiheit“ findet sich ein lesenswertes Interview mit dem Nestor der internationalen Friedens- und Konfliktforschung Prof. Dr. Johan Galtung, einem Träger des Alternativen Nobelpreises, über den „Geofaschismus“ der USA.

8. Dezember 2005

Im kleinen, aber feinen Start-Up-Verlag von Dieter Geruschkat erscheint ab heute mein Kriminalroman „Winterdämmerung“. Er hat nichts mit den Abgründen der Weltpolitik zu tun, sondern mit den Abgründen der menschlichen Seele. Die Geschichte spielt zur Vorweihnachtszeit in einem winzigen Dorf im Taunus, in dem plötzlich verstörende Dinge geschehen …

Mittwoch, Dezember 07, 2005

noch 7. Dezember

„Auch die Öffentlichkeit ist schuldig“ schreibt Bettina Gaus heute in der Berliner „tageszeitung“ und führt aus: „Es ist wahr, dass gerade im sensiblen Bereich der Außenpolitik nicht alles öffentlich verhandelt werden kann. Das gilt jedoch nicht für Rechtsbrüche. Die werden nämlich auch durch noch so strenge Diskretion nicht rechtmäßig. Innerhalb der USA wächst die Kritik an Menschenrechtsverletzungen der Regierung. Hierzulande wird Leisetreterei mit Diplomatie verwechselt. Die Öffentlichkeit nimmt das hin. Und macht sich so mitschuldig an Folter, Gewalt und Willkür. Niemand soll hinterher sagen, man habe das nicht wissen können. Es steht alles in den Zeitungen. Schon lange.“

Bettina Gaus schreibt über Wegsehen und Schweigen, wenn es um die Untaten der US-Regierung geht. Nicht um die Regierung von Israel. Lesen lassen sich ihre Worte für beide.

Derweil kommentiert übrigens auch das Institut für Staatspolitik meinen Kampf um die Meinungsfreiheit gegen die Mobbingversuche von Broder, Miersch und Co.

7. Dezember 2005

Inzwischen frage ich mich, ob wir es bei der gegenwärtigen Debatte nicht mit demselben Phänomen zu tun haben, wie man es in manch einer Hauptschulklasse vorfinden würde. Da gibt es Schüler, die über die Bänke toben und brüllen: „Scheiß Kanaken!“, „Arschloch!“ und „In die Fresse, du Homo!“ Das ist ein unmögliches Verhalten, aber die unbewusste Strategie dieser Schüler mag oft aufgehen: Sie erhalten die gewünschte Aufmerksamkeit, und stillere, aber fleißige und kluge Schüler werden in dem ganzen Trubel übersehen und kommen zu kurz.

Genauso gibt es im Internet Menschen, die auf ähnliche, nur ein wenig politisierte Weise herumpöbeln: „Scheiß Muslime!“, „Antisemit!“ und „In die Fresse, du Transe!“ heißt es von dieser Seite. Durchgehendes Grundprinzip: Warum zur Sache, wenn es auch persönlich geht? Diese Nummer sorgt für Zündstoff und Konflikte, sie lockt Leser an und erhöht den Traffic der Websites – ein ähnliches Prinzip wie bei manchen Radau-Shows im Nachmittags-TV. Klügere und analytischere Internet-Publizisten, die sich auf dieses Spiel nicht einlassen, werden in dem ganzen Trubel oft übersehen und kommen zu kurz.

Während man jeder Form von Mobbing und Rufmord natürlich entgegentreten sollte, halte ich es für den falschen Weg, sich nur noch mit den Krawallbrüdern und Kriegstreibern zu beschäftigen. Sie haben schon genug Aufmerksamkeit erhalten. Viele Leser dieses Blogs werden aus ganz anderen politischen Zusammenhängen kommen, haben jetzt vielleicht Interesse am Thema gewonnen und würden gerne mehr dazu lesen, wissen aber noch gar nicht so genau, welche vernünftigen Websites es denn zum Thema Nahostkonflikt und Minderheitenpolitik gibt. Deshalb möchte ich hier einige davon empfehlen.

Ich habe sie schon mehrfach verlinkt, aber auch hier seien sie der Vollständigkeit halber noch einmal aufgeführt: Erhard Arendts Palästina-Portal und Steinbergs Recherche.

Eine wundervoll analytische Website gibt es von dem Internet-Journalisten Anis Hamadeh. Dort findet sich zum Beispiel der Essay „Was ist Antisemitismus?” des kanadischen Philosophen Michael Neumann sowie Hamadehs eigene fulminante Analyse „Der Antisemitismus-Vorwurf in kritischer Betrachtung”. Lesenswert!

Ein jüdischer Buchverlag, der gegen den Meinungsstrom schwimmt, ist der Melzer Verlag.

Informative Neuigkeiten und Kommentare zum Nahost-Konflikt bieten die „Freunde Palästinas“.

Brisante, aber immer klug argumentierende englischsprachige Polit-Magazine sind Counterpunch und ZNet. Letzeres hat auch einen deutschsprachigen Ableger.

Und schließlich noch ein paar Buchtipps zum Thema:

Cockburn, Alexander: The Politics of Antisemitism. AK Press 2003
Findley, Paul: They Dare to Speak Out. People and Institutions Confront Israel´s Lobby. Lawrence Hill Books 2003
Finkelstein, Norman: Beyond Chutzpah. On the Misuse of Antisemitism and the Abuse of History. University of California Press 2005
Kimmerling, Baruch: Politizid. Ariel Sharons Krieg gegen das palästinensische Volk. Diederichs 2003
Langer, Felicia: Brandherd Nahost oder: Die geduldete Heuchelei . Lamuv 2004
Neudeck, Rupert: Ich will nicht mehr schweigen. Recht und Gerechtigkeit in Palästina. Melzer 2005
Novick, Peter: Nach dem Holocaust. Der Umgang mit dem Massenmord. Dva 2001
Pott, Marcel: Der Nahost-Konflikt. Kiepenheuer und Witsch 2004
Rabinovici, Doron u.a. (Hg.): Neuer Antisemitismus? Eine globale Debatte. Suhrkamp 2004

Man sollte es nie vergessen: Politischer Sachverstand und Aufklärung entstehen nicht durch Sprechverbote, sondern durch eine möglichst umfassende Information.

Unterdessen sickert das Gewährenlassen von Folter und der Abgesang auf den Rechtsstaat von den USA und Israel immer mehr auch in Deutschland ein. „Ein Abgrund“ befindet Heribert Prantl dazu in der „Süddeutschen Zeitung“. Ich befürchte, das wird nicht der letzte Abgrund sein, in den wir bei der „Verteidigung der Werte des Westens“ blicken werden – und ich kann jetzt schon sehen, wer dann jeweils an der Seite stehen wird und klatscht.

Dienstag, Dezember 06, 2005

6. Dezember 2005

In meiner Mail befand sich heute unter anderem ein bemerkenswertes Zitat von Evelyn Hecht-Galinski, Tochter des verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski (Quellenangabe: Süddeutsche Zeitung, 14./15.12.2002). Es steht offenbar im Zusammenhang mit der damaligen Möllemann-Debatte und bezieht sich auf das Verhalten des Zentralrats der Juden in Deutschland:

„Dieser Zentralrat tritt als diplomatische Vertretung Israels in Deutschland auf und als Sprachrohr der israelischen Botschaft. Etwas mehr kritische Hinterfragung wäre auch in Deutschland wünschenswert. Er sollte besser fragen, warum Israelis mehr und mehr Angst vor Terror haben. Ist es nicht Israels unerbittliche Politik, die so viel Verzweiflung über die Menschen bringt? Israel siedelt immer mehr in den besetzten Gebieten, zerstört jegliche Lebensgrundlage der Palästinenser, tötet präventiv, wendet Sippenhaft an, läßt Palästinenser ohne Prozeß und Rechtsgrundlage einsitzen, erkennt keine UN-Resolutionen an, hält Verträge nicht ein, erschießt UN-Vertreter hinterrücks und läßt keine Untersuchung zu, sondern unterstützt im Gegenteil noch die Soldaten, die solche Taten verüben. Das ist Staatsterrorismus! Gerade als Jüdin schäme ich mich für solche Taten.“

Ich bin nicht der Ansicht, dass sich Frau Hecht-Galinski für diese Taten schämen sollte, denn ich wüsste nicht, dass sie irgendetwas getan hätte, um sie zu ermöglichen. Schämen sollten sich vor allem die, die diese Verbrechen im In- und Ausland unterstützen und jedes klare Benennen mit einem Tabu belegen wollen – ob es nun Juden sind oder nicht. Darin allein liegt Schuld. Darin liegt Schande.

Montag, Dezember 05, 2005

5. Dezember 2005

Inzwischen sind einige Lesermails zu meinen jüngsten Blogeinträgen bei mir eingetroffen, die ich gerne hier veröffentliche. Ich habe alle Passagen herausgekürzt, die die Anonymität der Autorinnen und Autoren gefährden würden oder die für mich nicht so schnell nachprüfbare potentiell rufschädigende Tatsachenbehauptungen enthalten. Ein Leser hat mein Blog inzwischen den Größen der Nahost-Friedens- und Menschenrechtsbewegung sehr ans Herz gelegt. Falls diese Empfehlung angenommen wurde, heiße ich unter anderem Felicia Langer und Rupert Neudeck mit Freuden als Leser willkommen.

Die folgenden Reaktionen habe ich auf meine letzten Blogeinträge erhalten:

1.) „Zur Frage in Deinem BLOG (21.11.): `Sagt es mir ehrlich: Habe ich etwas an mir, was manche Leute provoziert?´ Zweifelsohne. :-) Ich bin Dir aber trotzdem dankbar für die Artikel und Bücher, ebenso wie für das Interview im MM. Ich bin kein Experte für den Islam, aber ich kenne persönlich einige Leute, u.a. eine Deutsche (Mitstudentin), die einen Syrer geheiratet hat, und diese generelle mediale Verleumdung gegen alles Islamische - primär mit dem Argument `genereller Frauenfeindlichkeit´ – ist absolut zum Kotzen. Auch wenn diese Debatte auf reale Probleme verweist, dürfen die dort beschriebenen Zustände nicht verallgemeinert werden.“

2.) „Das Interview (mit dem Muslimmarkt) hat sich schon mehrfach gelohnt, denn so viel Feindschaft, wie Sie für das Interview bekommen haben, hätten Sie anders kaum so einfach in so kurzer Zeit bekommen können! Und Sie sind kein Muslim und keiner, den man als `Ausländer´ ansieht. Vielleicht können Sie jetzt eine Vorstellung davon bekommen, was man mit uns so treibt.“

3.) „Den Artikel von Miersch habe ich eben gelesen. Ist so ein unverschämter Ton üblich??? Was soll denn das mit dem `Kotzkübel´; das ist ja diffamierend?!! Ich habe ihm eine (sachliche) Mail zu seinem Artikel geschrieben. Du mußt ja ein unendlich dickes Fell haben.“

4.) „Die Szene der ach so pro-israelischen, pro-amerikanischen usw. Blogger mit ihrer Hetze gegen den Islam, Arbeitslose, die Sozialdemokratie, sozial Schwache etc. ist mir bestens vertraut aus eigener leidvoller Erfahrung. (…) Alles in allem sieht es so aus, dass Leute wie Broder diese Leute vor Faschismus-Vorwürfen schützen, sozusagen als `Quotenjude´. Selber pöbeln sie natürlich kräftig mit.“

In der Tat. Inzwischen erfahre ich, dass Muslime und Menschenrechtler nicht die einzigen sind, gegen die aus der sogenannten „Achse des Guten“ heraus heftig gemobbt wird. Offenbar gehören Transsexuelle mittlerweile auch dazu. „Den Schwanz hast du schon weg und alles andere bist du auch bald los“ heißt es da etwa von Henryk Broder an eine Transsexuelle, die Broder zufolge „nicht weiß, ob er/sie sich zum Pinkeln hinstellen oder hinhocken soll“ und bei der sich Broder leider „nicht mit einem Tritt in die Eier bedanken“ könne. Mit derselben Beliebigkeit der Beschimpfungen könnte es auch gegen Schwule, Behinderte oder andere Minderheiten gehen. So sieht für die „Achse des Guten“ also der „Kampf gegen den Antisemitismus“ aus.

Währenddessen hat im Nahen Osten der führende israelische Politiker Benjamin Netanjahu einen Angriff auf den Iran vorgeschlagen.

Sonntag, Dezember 04, 2005

4. Dezember 2005

Der Konflikt, der zwischen Michael Miersch und mir bislang im Internet ausgetragen wurde, findet jetzt in der neuesten Ausgabe von „eigentümlich frei“ seine Fortsetzung.

Zunächst einmal kommt Michael Miersch selbst zu Wort und nimmt bei seinen Attacken gegen mich kein Blatt vor den Mund: „Was mir fürchterlich auf den Geist geht, ist, dass Arne Hoffmann ständig betont, auch Israelis und Juden würden seine Ansichten teilen. Na und? (…) Der Hinweis ist nichts weiter als der Standardspruch aller Antisemiten. (…) Ich finde, dass bei Arne Hoffmann offensichtlich geworden ist, wie er tickt. (…) Zu behaupten, Israel bereite vermutlich einen Völkermord vor, ist Ressentiment und Hetze. Auch implizit immer wieder anzudeuten, Politik und Medien stünden unter einem übermächtigen mafiösen jüdischen Einfluss, ist Hetze.“

Hm. Ich erinnere mich an Zeiten in der deutschen Geschichte, in denen die Behauptung als „Hetze“ angefeindet wurde, die Nationalsozialisten würden einen Völkermord vorbereiten. Wenn ich so etwas in der Gegenwart bei welchem Staat auch immer befürchte, ist es natürlich nicht nur mein Recht, sondern sogar meine Pflicht, das auch so zu äußern. Was Mierschs Geschwafel von einem "mafiösen jüdischen Einfluss" angeht, bezweifle ich, dass er mein Buch „Warum Hohmann geht und Friedman bleibt“ gelesen hat, denn darin geht die Analyse in eine andere Richtung. Und wenn er schließlich suggeriert "Auch Antisemiten haben jüdische Kronzeugen, also ist jeder Sharonkritiker, der sich auch auf Juden und Israelis bezieht, ein Antisemit", greift Miersch deutlich zu kurz. Die von mir zitierten jüdischen und innerisraelischen Oppositionellen haben ja Gründe, warum sie die gegenwärtige israelische Regierungspolitik unter Sharon für mörderisch halten. Es sind einfach Menschen, die in Israel sehr nah am Geschehen sind, und deshalb muss man sich auf sie berufen dürfen, auch wenn sie Juden sind - und man danach in einer paradoxen Volte als Antisemit gilt.

Dass die Betreiber des Muslimmarkt andere Menschen angeblich mit dem Tod bedrohen, wie Miersch behauptet, ist übrigens in einem Gutachten des BKA widerlegt worden – allerdings erst nachdem die bloße Beschuldigung einen der Muslimmarktler den Job gekostet hat. „Wer hetzt gegen wen?“ fragt sich inzwischen nicht nur Thomas Immanuel Steinberg. Wie in anderen Fällen wird leider auch hier die Widerlegung einer Behauptung übergangen und der Vorwurf selbst frohgemut weiterkolpotiert. Über Mierschs andere Behauptungen sollte er vielleicht mit den Betreibern des Muslimmarkt selbst diskutieren, sobald er dafür handfeste Belege liefern kann. Nicht alles, was in den Medien munter behauptet wird, stellt sich bei gründlicher Gegenrecherche als fundiert heraus. „Auf den Internetseiten Muslimmarkt handele es sich in der Regel um moderate Texte“ zitiert etwa das Deutschlandradio den Türkeiwissenschaftler Klaus Kreiser.

Ich kann mich insofern des Eindrucks nicht erwehren, was einigen Leuten am Muslimmarkt in Wahrheit so gar nicht schmeckt, sind Seiten wie diese oder diese.

Aber zurück zum aktuellen Heft von „eigentümlich frei“: Natürlich nehme ich auch selbst darin in einem neuen Interview zu Mierschs Attacken gegen mich Stellung.

Nach „Anklage“ und „Verteidigung“ erfolgt in dieser Ausgabe schließlich eine Art „Urteilsspruch“ David Schahs, der mit den schönen Worten beginnt: „In liberal-libertären Kreisen geht es manchmal zu wie in einer Seifenoper.“ Wie wahr.

Die „nächste Instanz“ des Verfahrens eröffnet derweil Kaspar Rosenbaum mit einer allgemeinen Kritik am neuen Medium Blog bzw. wie einige Leute damit umgehen: „Mit eigenem Bog verwandelt sich selbst ein angesehener `Spiegel´- Journalist mit der Zeit zu einem hochaggressiven Troll. Hauptsache, heute schon andere Blogger beleidigt. (…) Und was man sich nie trauen würde, jemandem ins Gesicht zu sagen, wird im Internet eben mal in die Tastatur gehauen.“ Auch hier kann man nach den jüngsten Vorgängen nicht wirklich widersprechen.

Vorläufig abschließend zu dieser Debatte kann ich nur noch ein weiteres Mal Judith Butler zitieren: „Wenn wir aus Angst davor, als antisemitisch etikettiert zu werden, unsere Kritik begraben, überlassen wir denen die Macht, die den freien Ausdruck politischer Überzeugungen beschneiden wollen.“ Und das geht für liberale Autoren einfach nicht an.

Was übrigens meinen im Muslim-Markt-Interview geäußerten Appell angeht, nicht zuletzt die Muslime selbst müssten sich noch viel stärker gegen Terroristen und Extremisten engagieren, die unter dem Vorwand des Islam ihre Untaten begehen, fühle ich mich durch die Entwicklungen der letzten Tage sehr bestätigt. Diese Bemühungen sollten unterstützt und vorangetrieben werden.

Es gibt allerdings noch weitere spannende Artikel in der aktuellen Ausgabe von „eigentümlich frei“. So spricht sich David Schah in einem weiteren klugen Beitrag gegen jede Gesinnungsjustiz aus und fordert Meinungsfreiheit selbst für Auschwitzleugner. Na wenn DAS nicht mal wieder falsch verstanden wird! Und Alexander Markus Homes attackiert ein ganz anderes Redetabu – er wird interviewt zum Thema „Von der eigenen Mutter vergewaltigt“.

Kurz gesagt: Debatten, die anderen Medien zu heikel sind, finden sich noch immer vor allem auf den Seiten von „eigentümlich frei“.

Freitag, Dezember 02, 2005

2. Dezember 2005

Unterbrechen wir mal eben die Themen Islam und Nahost-Politik, um über wirklich wichtige Dinge zu reden: zum Beispiel, wie man sich gepflegt einen von der Palme wedeln kann. Nach dem Männermagazin FHM stellt jetzt nämlich auch seine direkte Konkurrenzzeitschrift MAXIM in ihrer Ausgabe 1/2006 meinen Ratgeber „Onanieren für Profis“ vor. Und zwar so: „Zugegeben, das Cover ist schlimm. Aber: Der Mann nennt die Dinge beim Namen. In Worten, wie sie Ihr bester Kumpel benutzt, erklärt Hoffmann neue Techniken, wie Sie aus Gegenständen Sextoys basteln und was Ihr Po mit dem Thema zu tun hat.“ Freut mich, wenn mein Schreibstil gewürdigt wird.

Währenddessen wird mein leider nicht mehr im Handel erhältlicher Ratgeber „Dirty Talking“ zu schon recht witzigen Preisen bei ebay gehandelt. Und ich sag noch: Kauft meine Bücher lieber rechtzeitig! Amazon zum Beispiel garantiert Ihnen bei „Onanieren für Profis“ die „Lieferung pünktlich zum Fest“. Und was sonst sollte man über die Weihnachtsfeiertage großartig vorhaben?