Samstag, April 29, 2006

immer noch 29. April

Und noch einmal eine kleine Presseschau aktueller Artikel zum Fall Potsdam: Die „Welt“ berichtet, dass der neueste Ermittlungsstand gänzlich anders aussehe als viele Vorverurteilungen und stellt in einem anderen Artikel die berechtigte Frage, was denn eigentlich die ständige Agitation gegen Jörg Schönbohm solle. („Manche Aufgeregtheit wirkt in der Rückschau eher ulkig. So warnte er 1998 vor `Parallelgesellschaften´ und forderte in Deutschland lebende Ausländer auf, sich den Gewohnheiten von `deutschen Bürgern und Behörden´ anzupassen. Das klingt recht ungelenk, dürfte heute aber nicht einmal mehr Claudia Roth zum Kochen bringen. Damals waren Hinweise auf Integrationsdefizite indes äußerst unwillkommen, und das mag dem konservativen Schönbohm jenes Image des Kasernenhof-Reaktionärs verpaßt haben, das ihm seitdem anhängt.“) Das war damals dieselbe Bloß-keine-Kritik-an-Multikulti-Mentalität, die auch der „Jungen Freiheit“ ihren schlechten Ruf verpasste, der ihr noch heute nachhängt. Wir wollen aber nicht so tun, als gäben sich die Ideologen kampflos geschlagen. So berichtet die „Frankfurter Rundschau“ über einen Eklat um die Potsdamer CDU, die gefühlloserweise in einem Brief an die Familie des Opfers nur deshalb nicht von einer „von Rassismus geprägten Gewalttat“ sprechen möchte, weil ... nun ja, weil es keine ausreichenden Belege für eine solche Vorverurteilung gibt und die Motive in Wahrheit weiter unklar sind. „Mitglieder anderer Fraktionen äußerten Unverständnis.“ Klar. Hatte man sich untereinander nicht längst, völlig unabhängig von irgendwelchen Formalien wie Ermittlungsergebnissen, auf die Tatmotive geeinigt?

noch 29. April

Um wen geht es im folgenden Absatz?

“It’s not just bloggers who behave badly and engage in vicious personal attacks on people who simply disagree. (…) When someone disagrees with them publicly, or points out one of the gargantuan holes in their conspiracy theories, they begin harassing that person by phone and/or e-mail, attempting to discredit that person (or organization) with all kinds of outrageous accusations, and threatening to sue all and sundry. (…) Apparently, they don’t consider their opposition to be wackos, or idiots, or just plain stupid, which is a more-typical example of online character assassination. No, anyone who disagrees with them is a criminal, and part of their imagined conspiracy. (…) The mean and cranky have always been with us; only now they can express themselves more widely and efficiently due to the internet.”

Geht es hierbei um das Netzwerk von Internet-Grüppchen wie “Honestly Concerned” und die “Achse des Guten” mit ihren Mailkampagnen und allfälligen Unterstellungen des Antisemitismus? Könnte man meinen, ist aber falsch: Es geht um Lobbygruppen, die in den USA auf dieselbe Weise gegen Männer- und Väterrechtler wüten. Offenbar ist die gewählte Methode weitgehend unabhängig von der damit verbundenen Ideologie. Trudy Schütt erklärt bei den liberalen Feministinnen, wie man mit solchen Leuten am geschicktesten umgehen sollte.

29. April 2006

Verwunderlich ist es nicht, dass ich in meinen Büchern sowohl zionistische als auch feministische Ideologen kritisiere. Vertreter beider Gruppierungen berufen sich auf ihren Opferstatus, um massiv die freie Meinungsäußerung zu torpedieren. Ob hier ein Samuel Laster die Entlassung eines 3sat-Redakteurs fordert, weil dieser Morddrohungen gegen Uri Avnery zum Thema machte, oder dort eine Alice Schwarzer in ähnlicher Weise gegen Tagesschau-Sprecherin Eva Herman mobil macht, weil diese Schwarzers Ansicht zur Emanzipation nicht teilt - die totalitären Bestrebungen ähneln sich wie ein Ei dem anderen: Wer meine Meinung nicht teilt und trotzdem in den Medien tätig ist, soll gefälligst gefeuert werden. Schließlich bin ich ein Opfer, Herrgott noch mal, also tut gefälligst alle, was ich will!

Mit echtem Liberalismus hat das natürlich nichts mehr zu tun. Da passt es, dass die „taz“ für diesen Typus heute eine neue Bezeichnung ins Spiel bringt, wenn sie von der Angstlust der Liberalmilitanten berichtet, was die Auseinandersetzung mit dem Islam angeht: “Weltkrieg ist geil!“

Währenddessen sieht die FAZ in der absonderlichen Beschäftigung mit dem Potsdamer Fall ein neues Blutrecht vorliegen. Auch hier, so argumentiert Volker Zastrow, haben von Politik und Medien anerkannte Opfergruppen einen deutlichen Vorsprung vor jenen Menschen, die diesen Nimbus nicht besitzen.

Freitag, April 28, 2006

28. April 2006

Besser kann man nicht illustrieren, warum ich auch als Linksliberaler gerne eine „rechte“ Zeitung wie die „Junge Freiheit“ lese: Was dort gestern postuliert wurde (und mitunter als ketzerisch galt), findet sich des öfteren heute als neueste Erkenntnis in der Mainstream-Presse wider. Aktuelles Beispiel ist mein gestriges Interview mit der JF und ein Artikel aus der „Neuen Zürcher Zeitung“ von heute. Vom Ausland aus erkennt man so manche deutsche Neurosen eben klarer.

Ach ja, und den Tony-Judt-Essay über die Israel-Lobby und unsinige Antisemitismus-Vorwürfe, den ich hier am Montag verlinkt habe, findet man heute auf deutsch in der "Süddeutschen Zeitung".

noch 27. April

Die Doppelzüngigkeit der Neocons, wenn es um das hohe Gut der Meinungsfreiheit geht, ist inzwischen fast schon sprichwörtlich geworden. Aktuell veröffentlicht das Magazin Counterpunch dazu einen treffenden Artikel. Kostprobe:

--- Across the United States, there is growing evidence that the Israeli and neo-conservative lobbies are acquiring ever greater power. The cancellation by a New York theatre company of My Name is Rachel Corrie - a play based on the writings of the young American girl crushed to death by an Israeli bulldozer in Gaza in 2003 - has deeply shocked liberal Jewish Americans, not least because it was Jewish American complaints that got the performance pulled. "How can the West condemn the Islamic world for not accepting Mohamed cartoons," Philip Weiss asked in The Nation, "when a Western writer who speaks out on behalf of Palestinians is silenced? And why is it that Europe and Israel itself have a healthier debate over Palestinian human rights than we can have here?" ----

Wenn Weis hier von Europa spricht, sollte er Deutschland allerdings ausnehmen. In dieser Hinsicht sind wir im Herzen Amerikaner.

Donnerstag, April 27, 2006

27. April 2006

Die Schweden werden mir immer sympathischer! Besonders lustig finde ich bei diesem Artikel den letzten Absatz. Formuliert hier gerade jemand seinen Aufnahmeantrag für deutsche Neocon-Gangs? So ein herrlich simpel gestricktes Weltbild macht einem das Leben bestimmt viel leichter.

Mittwoch, April 26, 2006

immer noch 26. April

Offenbar gelte ich für die deutschen Medien inzwischen als Fachmann für alles und nichts. Zeitweise wird das Multi-Tasking fast ein bisschen drollig. Nur mal diese Woche als Beispiel: Während ich hier fröhlich zur Nahost-Problematik blogge, interviewt mich am Montag der „Kölner Stadt-Anzeiger“ zu meinem Buch “Unberührt”, heute stört RTL-„Explosiv“ meinen Mittagsschlaf, um zu erfahren, ob auch ich deutsche Mütter für faul halte – ich stimme höflichkeitshalber zu und döse weiter - und morgen erscheint von mir ein ausführliches Interview in der „Jungen Freiheit“ (und das obwohl Wolfgang Thierse Kontakte mit dieser Zeitung doch verboten hat). Gleichzeitig arbeite ich intensiv an einem Sachbuch zu einem komplett anderen Thema, und gerade trudeln die Korrekturfahnen für meinen neuesten Roman bei mir ein. Das eine muss man diesem Job also lassen: Langweilig ist er nicht.

noch 26. April

Für alle, die nicht eh bei Erhard Arendt mitlesen: Wer bisher glaubte, die israelischen Besatzungstruppen und ihre Apologeten würden nur Angehörige der muslimischen Religion schikanieren, muss sich nun eines besseren belehren lassen. Auch griechisch-orthodoxe Gläubige werden inzwischen von israelischen Soldaten attackiert. Und der Weltkirchenrat protestiert in einem aktuellen Schreiben gegen Gewalttätigkeiten israelischer Siedler gegen Christen. Aber religiöse Verfolgung ist nicht das einzige aktuell stärker wahrgenommene Problem in diesem Land. Wie Israelnetz mit Bezugnahme auf eine Studie der Vereinten Nationen berichtet, sei auch der Menschenhandel in Israel besonders schlimm. Leider kann man schon ahnen, wie die Antwort an jene lauten wird, die solche bedenklichen Entwicklungen zur Sprache bringen: Alles Antisemiten ...

26. April 2006

Offenbar geht es selbst so manchem Befürworter der israelischen Regierungspolitik allmählich auf die Nerven, dass sich manche Fanatiker bei jeder Kritik an Israel augenblicklich zu Boden werfen und „Antisemitismus!“ plärren. Dieses Verhalten sei schlicht nur albern, argumentiert Molly Ivins. Als nicht weniger hysterisch wirkt die momentane Verteufelung des Iran, wenn man gleichzeitig etwa über die “Jüdische” erfährt, dass die Universität Israel bereits mit Nachdruck an einer zukünftigen Zusammenarbeit zwischen Israel und dem Iran arbeitet. Jenseits der Agitation macht sich da längst schon Realpolitik bemerkbar.

Dienstag, April 25, 2006

25. April 2006

Wie geht Israel eigentlich mit den Überlebenden des Holocaust um? Ein bedrückender Beitrag darüber findet sich auf Swissinfo.

Montag, April 24, 2006

immer noch 24. April

Gerade habe ich noch gelästert, es würde wohl nicht lange dauern, und unsere liebste Polit-Sekte wird halb Israel als antisemitisch erklären, da erhalte ich einen Aufsatz, in dem der britische Geschichtswissenschaftler und Leiter des New Yorker Remarque-Instituts Tony Judt eben diese Frage in einem verwandten Zusammenhang stellt: „Are we to accuse Israelis, too, of anti-Zionism?“ Woraufhin er in einer Weise, die eigentlich dem letzten Dorftrottel einleuchten müsste, erklärt, warum der Schaden, der durch die ständige Furcht vor Antisemitismus bei der Israel-Diskussion entsteht, dreifach schadet: nämlich den Juden, Israel und den USA. Dass ausgerechnet eine Reihe von Leuten, die Israel und die USA nach der Parole „Right or wrong – my country“ mit aller Wucht verteidigen wollen, eben jenen Rohrkrepierer als Allzweckwaffe ins Felde führen, ist da wohl von einer besonderen Ironie.

noch 24. April

Es wird immer irrer: Jetzt hat die neokonservative Bloggerszene nach Herbert Grönemeyer auch Helmut Schmidt als verkappten Rechtsausleger ausgegraben, der, so suggeriert es der Artikel, Deutschlands Niederlage im Zweiten Weltkrieg nicht verwinden kann und deswegen noch heute gegen die Amis wettert. Da wird die beliebte rhetorische Allzweck-Figur „Die Amis haben die Juden vor den Nazis befreit, also müssen die Deutschen dankbarerweise heute den USA und Israel bei jedem Massaker behilflich sein“ mal wieder so sehr übergeigt, dass sie sich selbst zerlegt. Und hier scheint jegliche aufklärerische Mühe umsonst: Offenbar ist die Erkenntnis, dass nicht eine historische Situation A auf jede andere historische Situation B, C, D und so weiter als identisches Muster anwendbar ist, schon derart anspruchsvoll, dass sie manche geistigen Kapazitäten schlicht übersteigt.
Man muss sich diesen Gedankengang wohl so vorstellen: „Aaaalso. Die Amerikaner haben damals die Juden befreit. Also sind die Amerikaner die Guten, die Deutschen böse und die Juden Opfer. Das ist nicht ganz leicht, aber ich versuch mir das mal zu merken, damit _ich_ wenigstens meine Lehre aus der Geschichte ziehe: Amis gut, Deutsche böse, Juden Opfer. Amis gut, Deutsche böse, Juden Opfer. Amis gut, Deutsche böse, Juden Opfer. Amis gut, Deutsche böse, Juden Opfer. Amis gut, Deutsche böse, Juden Opfer. Amis gut, Deutsche böse, Juden Opfer. Amis gut, Deutsche böse, Juden Opfer. Amis gut, Deutsche böse, Juden Opfer. Amis gut, Deutsche böse, Juden Opfer. Amis gut, Deutsche böse, Juden Opfer. Amis gut, Deutsche böse, Juden Opfer. Amis gut, Deutsche böse, Juden Opfer. Amis gut, Deutsche böse, Juden Opfer. Amis gut, Deutsche böse, Juden Opfer. Amis gut, Deutsche böse, Juden Opfer. Amis gut, Deutsche böse, Juden Opfer. Amis gut, Deutsche böse, Juden Opfer. Amis gut, Deutsche böse, Juden Opfer. Ja, das war nicht ganz einfach, aber ich glaube, jetzt hab ich´s drauf. Huch, was ist denn mittlerweile los? Die Amis fallen in ein Land nach dem anderen ein, Helmut Schmidt unterstützt das nicht vorbehaltslos, und die Israelis gehen mit den Palästinensern auch nicht gerade zimperlich um. Hui, wie soll ich das denn einordnen? Hmmm. Also erst mal ist Schmidt Deutscher und deshalb böse. Dann _überfallen_ die Amerikaner die anderen Länder natürlich nicht, sie _befreien_ sie nur. Hat man 1945 ja deutlich genug gesehen und muss nicht für jeden Einzelfall neu untersucht werden. Und die Israelis sind natürlich Opfer der Palästinenser, die ihnen frecherweise ihr ganzes Land weggenommen und dort die wenigen restlichen Juden zu Ghettos zusammengepfercht haben - oder so ähnlich. Ja, juchhu, so macht das alles wieder Sinn! Warum sind die anderen nur so dooooof, so supersuperdoof, dass sie DAS nicht mal kapieren und nicht so toll schlau wie der Henryk, der Mischa, der Hannes und ich?“
Ja, so ungefähr muss man sich diese Gedankengänge wohl vorstellen. Und in der Tat erinnert diese Groteske inzwischen stark an den Witz von dem Mann, der auf der Autobahn eine Geisterfahrerwarnung im Radio hört und stöhnt: „EIN Geisterfahrer? Tausende!“ Wobei niemand so grenzenlos von sich überzeugt sämtliche Andersdenkenden für geistig unterbelichtet und politisch mindestens dem Faschismus nahestehend zeichnet wie unsere neokonservativen Freunde. Muss man eigentlich damit rechnen, dass sich dieses Grüppchen Erleuchteter demnächst vor lauter Abscheu über den sie allüberall umgebenden Antisemitismus und Antiamerikanismus in ein südamerikanisches Dschungelcamp a la Jonestown zurückzieht? Ihre Glaubensbrüder im Weißen Haus scheinen nach immer neuen Enthüllungen und Rücktrittsforderungen ja mehr und mehr auf dem absteigenden Ast zu sein ...

24. April 2006

Kein Wunder, dass die üblichen Verdächtigen vermeintlichen Antisemitismus immer mehr in den letzten Ecken und Winkeln herbeiphantasieren müssen: Wie die israelische Zeitung Haaretz berichtet, sind im letzten Jahr die antisemitischen Zwischenfälle weltweit in Wahrheit um ein Fünftel gefallen. Der vom Stephen-Rot-Institut für das Studium gegenwärtigen Antisemitismus und Rassismus an der Universität Tel Aviv herausgegebene Report erklärt diesen Rückgang unter anderem mit der Verbesserung von Israels Image nach seinem Rückzug aus Gaza und der relativen Ruhe im Konflikt mit den Palästinensern. „Momentemal“, mag da manch einer verdutzt einwenden und sich fassungslos die Augen reiben: Gehört es denn nicht zum Kern des allgemeinen Katechismus, dass Juden nicht das Geringste dafür oder dagegen tun können, dass Antisemitismus zu- oder abnimmt? Sondern dass er einfach so angeflogen kommt und sich über die Menschen stülpt wie eine Wolke aus dem Nichts? Wurde nicht während der Möllemann-Debatte in den Leitartikeln sämtlicher Gazetten rauf- und runtergebetet, jede andere These würde bedeuten, „die Juden“ seien selbst am Antisemitismus schuld - eine Annahme, die das deutlichste Erkennungsmerkmal für jeden Antisemiten sei? Hieß es nicht von Spiegel und Co. immer und immer wieder, Michel Friedman oder Ariel Sharon als öffentliche Repräsentanten der Juden könnten sich aufführen wie sie wollten, ohne irgendeine Verantwortung für durch dieses Verhalten entstehende Aversionen gegen ihre Gruppe übernehmen zu müssen? Und jetzt kommt genau diese grässlich antisemitische Logik von der Universität Tel Aviv? Kein Wunder, dass unsere zionistischen Freunde vor Panik keine Nacht mehr schlafen können, solange sie am Strand von Haifa nicht gerade im Verdauungskoma liegen: Womöglich dauert es nicht lange, und nach der israelischen Friedensbewegung, der Tel Aviver Uni und einzelnen Mitgliedern der Knesset ist halb Israel als antisemitisch entlarvt, und noch ein paar Wochen später reduzieren sich die einzigen Aufrechten vielleicht auf ein paar Dutzend überaus rührige Internetschreiber. Und was dann?

Freitag, April 21, 2006

21. April 2006

Chris Davies, britisches Mitglied des Europa-Parlaments, zeigt sich nach einem Besuch der West-Bank geschockt und findet deutliche Worte zu den Zuständen in Israel: “We should be honest. These are the racist policies of apartheid, yet Israel continues to pose as a victim. I visited Auschwitz last year, and it is very difficult to understand why those whose history is one of such terrible oppression appear not to care that they have themselves become oppressors.” Während seines Aufenthalts wurde Davis immer wieder auf die Doppelmoral der EU angesprochen, die Palästinenser bestrafe, während sie die Verletzung internationalen Rechts durch Israel stillschweigend hinnehme.

Mittwoch, April 19, 2006

19. April 2006

Mein Interview mit dem israelischen Journalisten Shraga Elam, im Dezember letzten Jahres ursprünglich durchgeführt für „eigentümlich frei“, wo es leider aufgrund diverser Imponderabilien dann doch nicht erscheinen konnte, wurde jetzt von der antirassistischen Zeitschrift „Die Brücke“ veröffentlicht. Außerdem steht es jetzt online bei Erhard Arendt. Irgendwie hab ich den Eindruck, wenn unsere Lieblingsmobster endlich herausbekämen, wer nur der Chef von diesem verdammten Internet ist, würden sie ihn täglich mit aufgebrachten Mails befeuern, was für ein Skandal es sei, dass ich immer noch für dieses Medium schreiben darf. Tscha, Jungs. Meinungsfreiheit war halt viel leichter zu torpedieren, bevor es das weltweite Web gab.

Passenderweise gibt es von Shraga Elam heute auch einen aussagestarken Leserbrief in der “taz” zu dem jüngsten Artikel Uri Avnerys.

Dienstag, April 18, 2006

18. April 2006

Ein sehr guter Artikel über den Iran findet sich heute auf Seite 2 der FAZ (leider nicht online). Darin berichtet Rainer Hermann über viele Gesichtszüge dieses Landes, die von den Kriegstriebern gerne übergangen werden: Zum Beispiel von der jüdischen Minderheit im Iran, die in Teheran über 26 Synagogen verfügen, einen Metzger, der koscher schlachtet, und zwei koschere Restaurants. Oder von den regierungskritischen Zeitungen, die Amadinedschads Geschwätz kritiserten und von denen eine als Erwiderung auf sein Holocaust-Leugnen einen großen Artikel über Adolf Eichmann veröffentlichte. Auch der Bau eines jüdischen Kulturzentrums im Norden Teherans gehe weiter, und pro Jahr reisen 2000 Juden nach Israel. Alle kehren in den Iran zurück. Da geht doch manches Klischee über das vermeintliche Reich des Bösen flöten.

18. April 2006

Ein sehr guter Artikel über den Iran findet sich heute auf Seite 2 der FAZ (leider nicht online). Darin berichtet Rainer Hermann über viele Gesichtszüge dieses Landes, die von den Kriegstriebern gerne übergangen werden: Zum Beispiel von der jüdischen Minderheit im Iran, die in Teheran über 26 Synagogen verfügen, einen Metzger, der koscher schlachtet, und zwei koschere Restaurants. Oder von den regierungskritischen Zeitungen, die Amadinedschads Geschwätz kritiserten und von denen eine als Erwiderung auf sein Holocaust-Leugnen einen großen Artikel über Adolf Eichmann veröffentlichte. Auch der Bau eines jüdischen Kulturzentrums im Norden Teherans gehe weiter, und pro Jahr reisen 2000 Juden nach Israel. Alle kehren in den Iran zurück. Da geht doch manches Klischee über das vermeintliche Reich des Bösen flöten.

Sonntag, April 16, 2006

16. April 2006

Das alarmistische Hochzüchten von Antisemitismus-Paranoia durch abenteuerliche Statistken ist kein rein deutsches Phänomen. Dass sich der gallopierende Schwachsinn auch in anderen Ländern findert, illustriert sehr schön dieser Artikel: „Are 40 Percent of All Swedes Anti-Semites?“

Samstag, April 15, 2006

noch 15. April

In einer Debatte, in der allerhand Nebelbomben gezündet werden, erklärt Charley Reese für Antiwar.com die Verlorenheit der neokonservativen Argumentation und rückt ein paar einfache Fakten zurecht. Kostprobe:

“The Iranians still insist they are not seeking nuclear weapons, and there's not a scrap of evidence to contradict that claim. They still adhere to the Nuclear Non-Proliferation Treaty. They have often called for a nuclear-free Middle East. Once again, the dead roach in America's salad is Israel. The U.S. hypocritically opposes a nuclear-free Middle East because Israel has nuclear weapons. We hypocritically claim the Iranians are in violation of international law when, in fact, it is Israel that refuses to sign the Nuclear Non-Proliferation Treaty and refuses international inspections. Given our craven obedience to Israel, we have exactly zero credibility in the Arab and Muslim world.”

15. April 2006

"Wer Jude ist, bestimme ich!", sagte der antisemitische Bürgermeister Wiens, Karl Lueger, vor hundert Jahren. Jetzt hat sich der Spieß umgedreht: "Wer Antisemit ist, bestimmen wir.”

So beginnt ein aktueller Artikel Uri Avnerys in der taz.

Freitag, April 14, 2006

noch 14. April

Business as usual: USA blockieren Israel-Schelte des Weltsicherheitsrats. Eine Krähe hackt der anderen eben kein Auge aus. Währenddessen ist der Sicherheitsrat für die USA nützlich genug, um damit dem Iran mit Krieg zu drohen. Militärische Gewaltexzesse auch gegen die Zivilbevölkerung sind also legitim, auf ein Programm zur Urananreicherung hingegen steht die massenhafte Todesstrafe. Kein Wunder, dass die Mehrheit der Deutschen die USA für verkommener hält als Teheran. Währenddessen darf man schon mal spekulieren, welcher Staat wohl als nächster auf Bushs Liste steht.

14. April 2006

Also gut, doch noch ein Beitrag zur Studie über die Israel-Lobby. Einfach weil er in der “Zeit” steht und weil schlicht jeder Satz ins Schwarze trifft. Seit Josef Joffe nicht mehr Chefredakteur ist, sondern nur noch im Herausgeber-Gremium sitzt, ist diese Zeitung definitiv nicht mehr, was sie mal war ...

immer noch 13. April

Einer aktuellen Umfrage zufolge sehen 45 Prozent der Deutschen den Weltfrieden eher durch die USA bedroht als durch den Iran. Nur 28 Prozent sehen in Teheran die größere Bedrohung. Aberaberaber ... hör ich da schon einige wieder fassungslos aufkeuchen. Sorry: Wenn ich vergleiche, wie oft in den letzten 25 Jahren die USA in anderen Ländern militärisch eingefallen sind und wie selten bzw. überhaupt nicht der Iran, dann wundert mich diese Einschätzung keineswegs. Aber die Leitartikler werden das schon wieder irgendwie herbeischreiben, dass diejenigen, die ein anderes Land angreifen, zum Schluss trotzdem "die Guten" sind – wegen gemeinsamem Wertesystem und so. Ein Staatschef, der Atomwaffen besitzt, hochaggressiv ist, die Menschenrechte im eigenen Land mit Füßen tritt und alle Naslang wirres Zeug faselt, langt halt als Grund für einen Krieg. Es sei denn natürlich, dieser Staatschef heißt George Bush: Dann gilt einigen schon jede Kritik an ihm als antiamerikanischer Müll. Die "Mullahs" sehen es natürlich genau andersherum. So sind eben die islamistischen wie die neokonservativen Hassprediger nur jeweils das Spiegelbild ihrer Gegenspieler.

noch 13. April

Bevor es in diesem Blog fast nur noch um Polit-Krempel ging, habe ich hier ab und zu mal ein nettes Wiesbadener Lokal empfohlen, zum Beispiel den „Schwarzen Bock“ oder das Tandoorian . Vielleicht sollte man diesen Service nicht völlig einstellen. So sei jedem Wiesbaden-Besucher das Phuket mit Nachdruck ans Herz gelegt. Probieren Sie dort unbedingt mal das Homog Talee (Goldbarschfilet, Hummerkrabben, Krebsfleisch und Tintenfisch mit rotem Curry und Kokoscreme in Bananenblatt gedämpft). Superlecker! Ja, richtig geraten, ich komme gerade von da ...

Donnerstag, April 13, 2006

13. April 2006

Ursprünglich wurde der völkerrechtswidrige Angriffskrieg auf den Irak mit herbeiphantasierten Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins begründet. Als sich die endgültig als Fata Morgana herausstellten, wurde das tausendfache Abschlachten mit dem Argument rechtfertigt, es ginge um eine Befreiung der Iraker von Husseins Diktatur. Jetzt, drei Jahre später, zieht dem Perlentaucher zufolge der irakische Autor Najam Wali in der „Frankfurter Rundschau“ Bilanz: "Mal ganz ehrlich: Was haben wir gewonnen? Früher lebten die Iraker unter der Diktatur, heute in unberechenbarem Chaos. Mord und Grauen lauern an jeder Straßenecke. Das ist die schreckliche Bilanz der letzten drei Jahre. Und nichts bessert sich, im Gegenteil, es wird immer noch schlimmer. Die USA haben Irak zum Hauptschauplatz ihres Krieges gegen ihre erbitterten Feinde, die Al Qaida und Iran, erhoben, und gehen dabei über die Leichen der Iraker." Tage zuvor hatte sich Wali bereits in der „Neuen Zürcher Zeitung“ geäußert: „Glaubten die neokonservativen Dogmatiker etwa, dass der Irak den Sprung zur modernen Wissensgesellschaft schon vollbracht habe, so dass er den `Demokratieschock´ problemlos würde abfedern können? War ihnen nicht bewusst, dass es zur Schaffung einer Demokratie nicht ausreicht, ein totalitäres Regime einfach abzusetzen?“ Oder war es ihnen, vom Strand bei Haifa, einer Villa in Washington oder einer Bude in Berlin aus betrachtet, nicht in Wahrheit schlichtweg egal, was mit dem Irak und seiner Bevölkerung passieren würde, solange man die eigenen politischen Ziele nur durchsetzte? Zur Rechenschaft gezogen werden die Verantwortlichen für dieses Leiden wohl nie, ja, mehr noch, jede Kritik ist mit einem Tabu belegt: antiamerikanisch. Wenn das nichts hilft, der ganz große Hammer: antisemitisch. Und schon hat man das alles von der Backe und kann das nächste Kriegsziel anvisieren.

12. April zum Fünften

Während unsere etwas überspannte Bloggerszene noch mit extravaganten Grönemeyer-Exegesen herumalbert, kümmern sich andere Menschen um reale Probleme. Aktuell verurteilen etwa palästinensische wie israelische Menschenrechtsorganisationen die jüngsten Angriffe Israels auf Zivilisten. So hat halt jeder seine Prioritäten.

Mittwoch, April 12, 2006

12. April zum Vierten

Man muss es einfach immer wieder ausstellen, weil die Paranoia so herrlich durchgeknallt ist: Jetzt wird auch Herbert Grönemeyer in die Nähe des Antisemitismus gerückt. Ob er sich irgendwann irgendwie auch nur über Juden geäußert hat, ist nicht bekannt und für diese lustige Logik auch völlig egal. Hauptsache, wir haben mal wieder jemanden gefunden. Ach ja, Eigensatiren sind doch die schönsten ...

Und als nächstes bitte eine ähnlich treffende Analyse über judenfeindliche Subtexte in „Schnappi, das kleine Krokodil“.

immer noch 12. April

Eine neue Rezension zu meinem aktuellen Buch „Unberührt“ steht online.

noch 12. April

Die Studie von Walt und Mearsheimer über den starken Einfluss einer israelischen Lobby auf die amerikanische Außenpolitik hat zu vielen kontroversen Artikeln im In- und Ausland geführt. Täglich landet mindestens einer davon in meiner Mailbox. Meistens verzichte ich darauf, sie in diesem Blog zu posten, weil für meine Leser der einzelne Artikel in dieser allgemeinen Suppe untergehen würde. Wer immer an den aktuellsten Meldungen, Artikeln und Analysen zur Nahost-Debatte interessiert ist, den kann ich nur einmal mehr an das glänzende Palästina-Portal Erhard Arendts verweisen, mit dem dieses nebenher geschriebene Blog ohnehin nicht sinnvoll konkurrieren kann.

Die Frage liegt nahe, was denn überhaupt das Problem einer einflussreichen Israel-Lobby wäre; schließlich versuchen alle möglichen Staaten auf andere Staaten bzw. die verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen auf andere Gruppen Einfluss zu nehmen. Für mich gibt es hierbei zwei Probleme. Zum einen ist die benannte Lobby weltanschaulich offenbar anders ausgerichtet als ich mit meinem stark pazifistischen Schwerpunkt, hat schlicht andere Ansichten und Interessen. Ärgerlicherweise ist das Wirken der benannten israelischen Lobby (im Gegensatz etwa zur israelischen Friedensbewegung, die ja auch eine Form von Lobby darstellt, aber von mir bekanntlich geschätzt wird) häufig mit Kriegshetze verbunden, was außer einigen Texten aus den Reihen der Gutachsler sozusagen als Primärtexte etwa dieser Beitrag in der Analyse illustriert. Was mich als Liberalen darüber hinaus sehr stört, ist, wenn über diese Lobby bzw. ihre Allzweckwaffe, den Antisemitismusvorwurf, Meinungs- und Informationsfreiheit unterbunden werden. Insofern verweise ich gern auf einen weiteren Artikel, der (wie andere Beiträge) genau dieses Problem klar benennt. Kostprobe: „The dangerous, unacceptable result of that lobbying, however, is the stifling of public debate. Knowing the fiercely negative reactions to accurate, detailed reporting of controversies surrounding Israel, the media fail to cover Israel's violations of every principle for which the United States—and Israel—loudly proclaim they stand. There is only rare, skimpy coverage of the ongoing Israeli mass punishments, house demolitions, illegal settlements, assassinations, settler brutality, curfews and beatings. On the other hand, the blind Palestinian rage generated by decades of receiving humiliating, savage suppression in their homeland is reported in lurid, bloody detail.“ Weiter geht es hier. Aufwiegeln zu militärischen Konflikten einerseits und ein Verstummenlassen gegenläufiger Ansichten und Inormationen andererseits ist ein Süppchen, das mir so gar nicht schmecken will.

12. April 2006

Dem Perlentaucher zufolge gibt es heute einen gelungenen Artikel von dem Erlanger Professor Matthias Rohe in der „Frankfurter Allgemeinen“. Darin wendet sich Rohe gegen „Verallgemeinerungen, die den Islam insgesamt zum Gegenpol westlich-aufgeklärten Denkens stilisieren und die Muslime zu fortwährenden Erklärungen darüber auffordern, weshalb sie trotz ihrer Religion friedfertige Leute sind. Hier wirkt eine eigenartige Allianz muslimischer und christlicher Fundamentalisten zusammen, angereichert um rechts- und linksradikale, feministische oder andere Extremisten – publizistische Krisengewinnler, denen in diesen Tagen ein unverdient hohes Maß an Aufmerksamkeit zukommt."

Dienstag, April 11, 2006

noch 11. April

Die israelische Friedensbewegung Gush Shalom bittet gerade um die Verbreitung eines "Aufrufs an Europa". Vermutlich ist man für irgendwelche Wirrköpfe schon wieder antisemitisch, wenn man die israelische Friedensbewegung unterstützt, aber wenn schon:

***
Aufruf an Europa

Wir, israelische Patrioten, die wir uns Sorgen über die Zukunft unseres Staates machen, rufen Sie, die Führer der Europäischen Union, hiermit auf:
Beenden Sie die Blockade der palästinensischen Regierung!
Bringen Sie nicht ein ganzes Volk in Hungersnot, um seine gewählte Regierung zu stürzen!
Vor nur drei Monaten überwachten europäische Monitoren die palästinensischen Wahlen.
Sie bestätigten, dass Palästina die erste Demokratie in der arabischen Welt ist (nachdem sie die zweiten demokratischen Wahlen abgehalten hatten. Die erste Wahl wurde von der Fatah gewonnen).
Dieses Mal wurde ein Parlament mit einer Hamas-Mehrheit gewählt: Nun erteilen Sie den Palästinensern eine Lektion in Demokratie: Sie sagen ihnen, wenn sie die eben von ihnen gewählte Regierung nicht stürzen, dann gibt es für ihre Kinder keine Milch, für die Kranken keine Medizin, für die Arbeitslosen keine Arbeit, für Ärzte und Lehrer kein Gehalt.
Sie erfüllen so die zynische Verordnung des Beraters unseres Ministerpräsidenten: "Sie sollen abnehmen, aber nicht Hungers sterben."
Dies ist nicht nur eine barbarische Politik, es ist auch ein schrecklicher Fehler: Kein Volk in der Welt würde sich einem solch brutalen und demütigendem Druck von außen unterwerfen.
Die unvermeidliche Folge wird eine weitere Radikalisierung der palästinensischen Meinung sein und ein noch größerer Hass gegen Israel und die ganze arabische und muslimische Welt.
(Sicher dass das kein Übersetzungsfehler ist? A.H.)
Das wird die Aussichten auf Frieden noch weiter in die Ferne schieben, ein Frieden, den wir alle brauchen, wie die Luft zum Atmen. Es wird zu einem weiteren Blutbad führen, das das Leben von Tausenden, Israelis, Palästinensern, Europäern und Amerikanern kosten wird.
Reden Sie mit der palästinensischen Regierung!
Beginnen Sie einen Dialog mit der Hamas!
Gewiss müssen sie das Existenzrecht Israels anerkennen - genau wie Israel das Existenzrecht eines Staates Palästina anerkennen muss. Aber solch eine Anerkennung wird mit den Verhandlungen kommen - und nicht umgekehrt.
Gewiss müssen sie mit der Gewalt aufhören - genau wie es Israel tun muss.
Aber selbst in diesem Stadium kann ein verlängerter Waffenstillstand erreicht werden.
Gewiss müssen sie die Zwei-Staaten-Lösung akzeptieren - genau so auch Israel. Ihre Führer haben schon angedeutet, dass sie dafür bereit sind - und dies muss durch Verhandlungen auf die Probe gestellt werden.
Wir rufen Sie auf, Führer von Europa:
Es ist im Interesse Europas, wie es im Interesse Israels und Palästinas ist, um Frieden zu erreichen. Geben Sie nicht dem Druck von Interessen Außenstehender nach, deren Politik hat schon mehrfach zu Katastrophen im Nahen Osten geführt.
Um unser aller Willen: folgen Sie einer unabhängigen Linie, die von Weisheit und Moral geleitet wird.
Gush Shalom, der israelische Friedensblock,
www.gush-shalom.org, info@gush-shalom.org
dt. Ellen Rohlfs)

11. April 2006

Wie ich gerade erfahre, hat es die Klopperei zwischen Mischa und mir vor einigen Monaten inzwischen in einen Artikel der Nationalanarchisten gebracht. Wenn Sie jetzt nicht wissen, was Nationalanarchisten überhaupt sind: ich auch nicht. Der Artikel jedenfalls ist klug argumentiert und höchst lesenswert! Was im Klartext soviel heißt wie: Er spiegelt in dieser Sache meine Meinung wieder, und ich komme auch persönlich sehr gut dabei weg.

Sonntag, April 09, 2006

noch 9. April

“Gericht erklärt Doku-Filmer zum Mordopfer der israelischen Armee” berichtet heute der SPIEGEL. Lesenswert ist der komplette Beitrag, weil darin über den Mord an einem Einzelnen hinaus wesentliche Strukturen sehr deutlich werden.

9. April 2006

Anis Hamadeh bringt es mal wieder auf den Punkt: „Die EU und die USA haben die Überweisung von Hilfsgeldern für Palästina eingestellt. Wie aus den Medien hervorgeht, ist dies als Bestrafung der palästinensischen Gesellschaft gedacht, da sie die falsche Partei gewählt hat. Zwar sollte nach Ansicht des Westens diese Wahl demokratisch sein, allerdings unter der Bedingung, dass eine bestimmte Partei als Siegerin daraus hervorgeht. Der Hamas, die die Wahl gewonnen hat, werden drei Dinge vorgeworfen: dass sie das Existenzrecht Israels nicht anerkennt, dass sie der Gewalt nicht abschwört und dass sie bestehende Verträge nicht einhält. Ist das nicht zynisch, könnte jemand einwerfen, da diese drei Dinge den jüdischen Staat besser charakterisieren als die palästinensische Seite (...) Viele Palästinenser fragen sich (...), wie ausgerechnet Deutschland einen Staat so bedingungslos unterstützen kann, der mit Waffengewalt herrscht, der eine dubiose Rassentrennung praktiziert, der eine Blut-und-Boden-Ideologie verfolgt, sich rechtlose Untermenschen schafft, der sich Lebensraum im Osten nimmt und sich um die Menschenrechte und das internationale Recht nicht schert, da er sich als rassisch und/oder religiös höherwertig sieht im Vergleich zu anderen Staaten. (...)“ Hamadehs Frage nach einer neuen Tendenz des Wegschauens, Duldens, Mit-dem-Strom-Schwimmens und Nur-ja-nicht-anecken-Wollens unter vielen deutschen Politikern und Journalisten trifft einen wirklich wunden Punkt. Vor siebzig Jahren sorgten die Mechanismen einer Diktatur in unserem Land dafür, dass nur die allerwenigsten es wagten, sich unerträglichen Verhältnissen zu widersetzen. Wieviel weniger Druck braucht es dagegen heute.

Freitag, April 07, 2006

7. April 2006

Beängstigende Verhältnisse: Wie ich hier schon berichtet habe, wurde gegen den israelischen Friedensaktivisten Uri Avnery von einem Politiker seines Landes zum Mord aufgerufen. (Eine Sonderseite dazu gibt es hier.) Das PEN-Zentrum Deutschland hat inzwischen einen Appell an die israelische Regierung gerichtet: Man nehme zwar nicht an, dass die israelische Armee diesem Aufruf nachkomme, wisse jedoch spätestens seit der Ermordung Rabins, wie schnell solche Mordhetze andere Täter auf den Plan rufe. Auch das Auswärtige Amt versprach, auf die israelische Regierung einzuwirken, und nicht zuletzt bittet Rupert Neudeck nachdrücklich um Unterstützung für den mit dem Tode bedrohten Menschenrechtler.

Zeitgleich mit den Morddrohungen wird jedoch in Beiträgen auf Henryk Broders „Achse des Guten“ und in geistesverwandten Blogs tüchtig gegen Avnery Stimmung gemacht: In der Gesamtsicht wirken diese Beiträge fast so, als wolle man der eigenen Zielgruppe klarmachen, dass es, falls der Friedensaktivist ausgeknipst werde, um ihn ohnehin nicht besonders schade wäre – mindestens aber ist der Zeitpunkt für solche Anfeindungen ausgesprochen fragwürdig. Ansonsten herrschte zu den Morddrohungen lange beredtes Schweigen – bis gestern, als Henryk Broder sich dazu noch einmal zu Wort meldete. Eine Distanzierung, ein Erschrecken über das Ausmaß des mitgezüchteten Hasses, ein Aufruf zur Mäßigung? Nichts von alldem, sondern nur das gewohnte Abwiegeln: Der Mordhetzer sei ohnehin nicht ins Parlament gewählt worden, somit wäre jegliche Empörung nicht einmal ein Sturm im Wasserglas. Nicht einmal im Parlament - na dann ist ja alles in Butter, Broder. Und wenn gegen Sie einmal ein rechtsradikales Arschloch einen Mordaufruf starten würde und das im deutschen Fernsehen mit Ihrem Foto im Hintergrund lang und breit ausführen dürfte, wäre das vollkommen schnuppe und keiner weiteren Erwähnung wert, solange der Galgenvogel nur nicht im Bundestag hockt: Glaube ich Ihnen auf´s Wort.

So weit, so widerlich, aber auch so altbekannt, dass es eigentlich keines Kommentars würdig wäre. Für liberale Journalisten bemerkenswert ist es allerdings, dass die jüdische Lobby (die man unter der Strafe des Antisemitismusvorwurfs nicht als solche benennen darf) noch einen Schritt weiter geht: Während etliche deutsche Journalisten, möglicherweise aus Angst, andernfalls als Nazis abgewatscht zu werden, den Mordaufruf gegen Avnery brav ignorierten, berichtete Ernst Grandits auf 3sat-Kulturzeit sehr wohl über diesen Vorfall. Dafür bekommt er jetzt ebenso Druck zu spüren wie schon all die anderen zuvor, die ähnliche Vorgänge in Israel zu thematisieren gewagt hatten: „Ernst Grandits,unser bewährter Potz des Monats, ist nicht geeignet eine Kultursendung mit Informationsauftrag zu moderieren. Der Intendant ist gefragt.“ heißt es inzwischen von Samuel Laster in der „Jüdischen“. Zu deutsch: Ein Journalist, der über die Morddrohungen gegen Avnery berichtet, solle gefälligst seinen Job verlieren. Wieviele aus der in Mailinglisten organisierten Lobby sich mit entsprechenden Mails und Telefonaten an 3sat wandten, kann man nur raten.

Am Ende seines Artikels befindet Laster, der mutige 3sat-Moderator sei „untragbar, intellektuell nicht satisafaktinsfähig“. Das braucht man dann nicht einmal mehr zu kommentieren.

Donnerstag, April 06, 2006

noch 6. April

Auch Perlentaucher berichtet in seiner heutigen Presseschau über "Antisemitismusforscher (...), die sich gegenseitig zu Antisemiten erklären". Was wird wohl ein von dieser Debatte bislang unbeleckter Leser denken, wenn er auf solche Meldungen stößt? Er dürfte unweigerlich den Eindruck gewinnen, dass hier ein allgemeines Kasperletheater überschnappender Bezichtigungen, das ihm vermutlich schon bei den Schauprozessen gegen Hohmann und Möllemann bitter aufgestoßen ist, endgültig ins Groteske überdreht. Wer muss nicht unwillkürlich grinsen, wenn vor seinem geistigen Auge ein Kongress von Antisemitismusforschern entsteht, die mit den Worten "Judenhasser!" – "Selber!" in eine allgemeine Keilerei miteinander verfallen? So gerät die deutsche Wirklichkeit immer mehr zur allerfeinsten Realsatire. Noch besser kann man nicht illustrieren, dass der Antisemitismusvorwurf durch seine allfällige Verwendung als rhetorisches Stilmittel ins Absurde übersteigert und somit letztlich völlig entwertet wurde. Und wenn dann doch einmal jemand berechtigt die Anschuldigung „Antisemit!“ erhebt, verdreht der Durchschnittsdeutsche inzwischen nur noch entnervt die Augen. Worauf man ihm dann mit vor Empörung überkippender Stimme vorwerfen kann, für dieses schreckliche Thema offenbar noch immer so empfindungslos zu sein wie 1933, und wie das geendet habe, wisse man ja ...

6. April 2006

Nachdem der Antisemitismusforscher Klaus Holz analysiert hatte, wie hysterisierend und wissenschaftlich unredlich Lars Rensmanns Werk „Demokratie und Judenbild“ sei, wurde er erwartungsgemäß selbst von jenen aufs Korn genommen, denen an einer möglichst alarmistischen Debatte einiges zu liegen scheint. (Wohl nicht zuletzt weil die dräuende Gefahr eines allerorts lauernden Antisemitismus trefflich benutzt werden kann, dem israelischen Militär bei all seinen Verbrechen weitestgehend freie Hand zu verschaffen.) Einige befürchten, dass die Anfeindungen gegen Holz sowie seine persönlichen Diffamierungen in eine ähnliche Hetzjagd münden werden wie beispielsweise gegen den Nahost-Experten Ludwig Watzal. Heute kommt Holz in der Berliner „tageszeitung“ mit einem ausführlichen Beitrag zu Wort. Ein paar Auszüge:

„Unter Antisemitismusforschern ist in den letzten Monaten ein heftiger Streit ausgebrochen. In diesem geht es im Kern um zwei Probleme. Zum einen wird die Einhaltung wissenschaftlicher Mindeststandards eingefordert, zum anderen wird der inflationäre Gebrauch des Antisemitismusvorwurfes kritisiert. (...) Mit Rensmanns Dissertation hält eine Praxis in der Antisemitismusforschung Einzug, die in der Linken seit Jahren Schaden anrichtet. Im Zuge des nach 1989 gestärkten Nationalismus und Antisemitismus hat sich aus der Linken heraus eine Gruppierung entwickelt, die den Antisemitismusvorwurf instrumentalisiert. Diese so genannten Antideutschen erklären sich die ganze Welt aus einem einzigen Axiom. Sie sind deshalb zum Beispiel für die Bush-Regierung, halten jede Kritik der israelischen Besatzungspolitik für antisemitisch und feiern den Irakkrieg als Feldzug gegen die islamistische Judenfeindschaft. Sie bieten eine einfache Weltsicht, die nicht zur Kritik, sondern zur Identifikation einlädt.“ Und über die Steigbügelhalter Rensmanns heißt es treffend: „Sie verfahren (...) nach der Methode: Warum sachlich, wenn's auch persönlich geht? Man versucht, den Kritiker zu beschädigen, und ignoriert den Inhalt der Kritik.“

Wer da nicht unweigerlich an Grüppchen wie Honestly Concerned und Henryk Broders „Achse des Guten“ denkt! Da wundert es nicht, dass Holz bei diesen Leuten nicht sehr gut gelitten ist. Bleibt zu hoffen, dass sich die seriöse Wissenschaft gegen die rein rhetorische und interessengeleitete Polemik durchsetzt.

Dienstag, April 04, 2006

4. April 2006

Der Deutsche Journalistenverband hat auf der Leipziger Buchmesse eine „Sprachfibel gegen Rassismus“ angekündigt, die in der redaktionellen Arbeit als „unverzichtbares Werkzeug“ eingesetzt werden solle. Tabuisiert würden damit fürderhin Wörter wie „Asylbewerber“ oder „Gutmensch“. Zu diesem Vorhaben äußert sich die Sozial- und Medienwissenschaftlerin Dr. Ute Scheuch in einem mit „Weg in die Erziehungsdiktatur“ betitelten Interview mit der „Jungen Freiheit“. Ein Auszug:

JF: Die Fibel soll laut DJV all jene Wörter auflisten, die „Antisemitismus“ und „Rassismus“ Vorschub leisten und die Journalisten deshalb nicht mehr verwenden sollen.

Scheuch: Der DJV stellt nach eigenen Worten fest, daß „die deutschen Medien glücklicherweise weitgehend frei von rassistischen Angriffen sind“. Und so werden als Beispiele für die künftig per Fibel zu indizierenden Wörter auch nicht etwa Begriffe wie „Weltjudentum“ oder „Blutschande“ genannt, sondern erstaunlicherweise Begriffe wie „Asylbewerber“ oder „Gutmensch“. Denn nur so kann unterschwellig fast allen deutschen Medien unterstellt werden, Helfershelfer des „Antisemitismus“ und „Rassismus“ zu sein.

(...)

JF: Die Ausarbeitung der Fibel soll das DISS, das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (siehe auch Seite 12), übernehmen. Wie schätzen Sie das Institut ein?

Scheuch: Professor Siegfried Jäger, der Leiter des Instituts, vertritt zum Beispiel die Auffassung, es habe nichts gebracht, das Wort „Asylant“ durch das Wort „Asylbewerber“ zu ersetzen, denn Asylbewerber sei bald ebenso negativ besetzt gewesen wie zuvor Asylant. Deshalb, so Jäger, müsse es darum gehen, „den Begriff zu dekonstruieren“, und das heiße nichts anderes, als „die Deutung eines gesellschaftlichen Sachverhaltes grundsätzlich zu verändern“. Orwell hat in seiner Horrorvision „1984“ die De- und Neukonstruktion von Begriffen als zentrales Manipulationsmittel der Diktatur des Großen Bruders beschrieben. Sie rangiert sogar noch vor dem Mittel der Geheimpolizei! Nun würde im DJV jedermann Wesen und Methoden des Großen Bruders ablehnen. Und entsprechend will man dort die Fibel nur als eine „Empfehlung“ verstanden wissen. Doch selbst den bloßen Versuch der Manipulation unserer Wirklichkeit durch „empfohlene“ Beschönigungen, Umdeutungen oder Verschweigen von Mißständen sollten wir abwehren. Mein Mann, der Soziologe Erwin K. Scheuch, hat einmal formuliert: „Wenn Sie nicht einmal in Ihrer Wortwahl mehr frei sind …, ja, im vorauseilenden Gehorsam das eigene Beugen schon gar nicht mehr bemerken, dann ist es schlimm um die Unbefangenheit bestellt, die zur Kreativität erforderlich ist.“

Nicht weniger deutlich wird in einem zweiten Interview Gernot Facius, stellvertretender Chefredakteur der „Welt“:

JF: Im Fall der Mohammed-Karikaturen hat keine Redaktion versäumt, ihren unermüdlichen Einsatz für die Pressefreiheit laut zu bekunden. In diesem Fall hat sich bislang aber noch keine einzige deutsche Zeitung zu Wort gemeldet.

Facius: Dieses fragwürdige Verhalten ist nicht neu. Denken Sie doch nur an Ihren eigenen Fall! Während sich alle unlängst für die Mohammed-Karikaturen eingesetzt haben, hat für die Pressefreiheit Ihrer Zeitung doch kaum einer den Finger gerührt. Da war doch viel Heuchelei im Spiel.

Sonntag, April 02, 2006

2. April 2006

„The first weapon of choice for the Israeli lobby when someone with prestige publishes a soundly researched paper or book critical of Israel or its powerful lobby is silence. If it's a book, it rarely gets reviewed; its author doesn't get interviewed. If it's a paper, there are no news stories in the big corporate press, no interviews with the authors, no television appearances. For the average American who depends on the press to tell him what's going on, it's as if the criticism never existed. The second weapon is, of course, to launch vicious personal attacks.”

Truer words were never spoken. Und das gilt auch für unser Land. Selbst zu Norman Finkelsteins Neuerscheinung, die eigentlich eine Riesendiskussion über speziell auch die deutsche Antisemitismus-Keule auslösen müsste, gibt es lediglich einen abwiegelnden Kommentar wie den vorgestern von mir verlinkten. Allgemein scheint das Motto zu lauten: "Weitergehen, hier gibt´s nichts zu sehen, alles in bester Ordnung hier." Wieder einmal zeigt sich, dass es den deutschen Medien um eines jedenfalls _nicht_ geht: um mutige Aufklärung und eine kontroverse, offene Debatte. Lieber hält man den Mund als ihn sich zu verbrennen. Hier geht´s weiter mit obigem exzellenten Artikel, der diese Problematik glänzend auf den Punkt bringt.