Dienstag, Februar 28, 2006

28. Februar 2006

“Broder verklagt Künstler wegen Satire” meldet heute die Netzeitung und berichtet auch, dass sich Broder über den Hintergrund dieser Klage eher zugeknöpft, aber gewohnt beleidigungsfreudig zeigt: „Ich kann mich nicht zu jedem Psychopathen äußern“ erwiderte er der Netzeitung auf deren Anfrage.

Einen treffenden Kommentar mit daran anschließender Debatte dazu gibt es hier.

Zu dem politischen Streit, der diesem angeblichen Konflikt um Urheberrechte wohl in Wahrheit zugrunde liegt, findet man einen hübschen Artikel von Christof Siemes in der aktuellen „Zeit“. Er trägt den passenden Titel „Wir gegen die die“ und befasst sich mit dem antiislamischen Ressentiment, das von Broder und seinem Umfeld verbreitet wird und gegen das Erhard Arendt mit seinem kulturverbindenden Palästina-Portal Einspruch einlegt. Siemes stellt eine Kernfrage in dieser Debatte, nämlich die nach dem Ziel der muslimfeindlichen Agitation: „(W)ohin sollen all diese Dämonisierungen führen? Soll die Bundesrepublik, nachdem sie sich endlich dazu durchgerungen hat, ein Einwanderungsland zu sein, nun ihre Migranten kastrieren, damit die nicht überhand nehmen? Soll `der Westen´ dem gesamten Islam den Krieg erklären, damit er der blutrünstigen `Hetzmasse´ (Sofsky) zuvorkommt? Dass die westlich aufgeklärte Toleranz und Liberalität ihre Grenzen haben müssen, wenn sie selbst bedroht werden, ist die wohlfeile Losung der Stunde. Höhnisch machen sich die Scharfmacher darüber lustig, dass der Westen immer für alles Verständnis habe. Aber was ist daran so verwerflich? Wohin der Feldzug im Namen unser aller Freiheit im Irak geführt hat, kann man auf jedem neuen Bild aus Abu Ghraib sehen.“

Sonntag, Februar 26, 2006

noch 26. Februar

Ich habe mich inzwischen mit meinem Verleger Rüdiger darauf geeinigt, dass mein neuer Roman „Dämonenprinz“ nicht erscheinen kann. So wie er jetzt geworden ist, wäre das schlicht unverantwortlich. Davon abgesehen findet Rüdiger (der in diesem Blog mitliest) sein Harmoniebedürfnis durch diesen Roman allzu gestört. Hm, jetzt schreibe ich schon Erzählungen, die gestandene SM-Verleger emotional aus dem Gleichgewicht bringen. Ich sollte wohl mal langsam anfangen, mir ernsthafte Gedanken zu machen ... :-)

26. Februar 2006

Die „Welt am Sonntag“ von heute berichtet über die juristischen Attacken Henryk Broders auf Erhard Arendt und dessen angesehenes Palästina-Portal. Arendt hatte Broder anhand dessen eigener Zitate bis zur Kenntlichkeit entlarvt, was dieser augenscheinlich mit aller Wucht unterbinden möchte. Nach Arendts bereits letztes Jahr veröffentlichtem Solidaritätsaufruf gibt er nun eine aktuelle Presseerklärung zu diesen Vorgängen heraus, verfügt aber selbstverständlich nicht über die medialen Möglichkeiten eines Henryk Broder. Wie dieses Blog mehrfach berichtete und verlinkte, machen Broder und sein Umfeld in ihrem Umgang mit Kritikern wenig Federlesen, was Beschimpfungen, Beleidigungen, Unterstellungen von Antisemitismus und juristische Angriffe angeht. Wenn im phantasierten Endkampf von „Gut gegen Böse“ US-amerikanische Folter, israelische Menschenrechtsverbrechen und kontinuierliche Hetze gegen Muslime gestärkt werden müssen, scheinen inzwischen viele Mittel recht, um Gegnern dieser Propaganda den Mund zu stopfen. Nur wenn es um rassistische Zeichnungen geht, entdeckt man plötzlich die Meinungsfreiheit als allerhöchstes Gut ...

Freitag, Februar 24, 2006

24. Februar 2006

Schau an, André Mielke stimmt mir in der „Welt“ zu, was amerikanische Folterreklame im Fernsehen angeht – und erläutert diese Analyse ausführlicher.

Dienstag, Februar 21, 2006

21. Februar 2006

Wenn es um islamfeindliche Karikaturen geht, betonen viele den hohen Wert der Meinungs- und Pressefreiheit. Jetzt erscheint ein türkischer Film in deutschen Kinos, der zahlreiche aus Ami-Streifen sattsam bekannte Klischees einfach nur umdreht, und schon geht die Rede von Verbotsforderungen. Die „Welt“ von heute berichtet über die Debatte um das „Tal der Wölfe“.

Meine Meinung: Solange die ständige Rechtfertigung von Folter in US-Serien wie "24" sogar im deutschen Fernsehen zur besten Sendezeit umstandslos hingenommen wird, kann man mit ähnlichen Brutalitäten von der amerikafeindlichen "Gegenfraktion" kaum anders umgehen, ohne mit zweierlei Maß zu messen.

Montag, Februar 20, 2006

20. Februar 2006

Als unsere liberale Zeitschrift „eigentümlich frei“ es vor einigen Monaten tat, kam es mir noch recht mutig vor, und als ich dieses Thema in meinem Buch „Warum Hohmann geht und Friedman bleibt“ ansprach, fragte ich mich auch, ob das einige nicht in den falschen Hals bekommen würden. Heute zitiert jedoch schon die Berliner „taz“ zahlreiche Intellektuelle, die für die Meinungsfreiheit selbst eines Holocaust-Leugners wie David Irving plädieren - keine Befürworter von Irvings Ansichten, sondern Menschen, die finden, dass in einer freien Gesellschaft die Wahrheit grundsätzlich und ausnahmslos im Diskurs gefunden und nicht durch Verbote und Strafandrohungen verordnet werden sollte.

Donnerstag, Februar 16, 2006

16. Februar 2006

Die scheußlichsten Plattencover aller Zeiten.

Mittwoch, Februar 15, 2006

noch 15. Februar

Seit heute steht Henryk Broder nicht mehr allein, wenn er ein bundesdeutsches Gericht mit dem Volksgerichtshof der Nationalsozialisten in Verbindung bringt: Ein Zuschauer im Prozess gegen den Holocaust-Leugner Ernst Zündel scheint sich Broder hier zum Vorbild genommen zu haben. Gegen ihn wurden vier Tage Ordnungshaft verhängt.

15. Februar 2006

Doch noch ein par vereinzelte Nachzügler zur Karikaturen-Debatte, aber nicht mehr in dieser hohen Dosis wie zuvor:

Eine hübsche Glosse zum Thema „westliche Tabus“ gibt es heute in der FAZ.

In der US-amerikanischen Oppositionszeitschrift „The Nation“ streitet Gary Younge für “The Right to be Offended”.

Währenddessen scheint die erste der angedrohten Holocaust-Karikaturen, angefertigt von einem Zeichner aus Melbourne als Beitrag zur Meinungsfreiheit, gar nicht so geschmacklos geworden zu sein, wie ich befürchtet habe, sondern äußerst treffend.

Dienstag, Februar 14, 2006

14. Februar 2006

Amazon mal wieder: “Unser Vorschlag: Kaufen Sie `Unberührt. Menschen ohne Beziehungserfahrung´ und `Onanieren für Profis. Der Ratgeber für Männer, von dem die Welt spricht´.“ Eine passende Zusammenstellung, in der Tat, die man so nicht von jeder Buchhandlung geboten bekommt …

Sonntag, Februar 12, 2006

12. Februar 2006

Wie ich hier und andernorts schon verschiedentlich berichtet habe, empfand ich Lars Rensmanns Werk „Demokratie und Judenbild“ vom wissenschaftlichen Standpunkt her als eine nicht geringe Zumutung. Insofern war es für mich ebenso verblüffend wie ärgerlich, als ich lesen musste, dass diese Schrift nicht nur mit einem „summa cum laude“ bewertet wurde, sondern auch bei Amazon mit wahrhaft hingerissenen Elogen bestreut wird, als hätte Rensmann die politische Aufklärung neu erfunden und als sei ausgerechnet dieses Buch ein mustergültiges Beispiel an differenzierter Sachlichkeit. Fast beginnt man nach so viel verzücktem Lob schon an seiner eigenen Wahrnehmungsfähigkeit zu zweifeln – hätte es in diesem Werk nicht so viele Stellen gegeben, die ganz objektiv und nachprüfbar falsch waren (in meiner Ausgabe befand sich eine Riesenliste mit Errata, die nur einen Bruchteil der tatsächlichen Errata abdeckte) und wären darin nicht mittlerweile viele Stellen geschwärzt und der Zugang dazu im Leihverkehr inzwischen aus juristischen Gründen recht schwierig geworden. Der Gedanke liegt also nahe, dass ähnlich wie bei früheren Antisemitismus-Debatten viele Leute denjenigen für den größten Vorkämpfer gegen den Judenhass halten, der sich in den absurdesten Alarmismus und die ausuferndsten Unterstellungen hineinsteigert, seien seine Vorwürfe auch noch so schwer haltbar.

Wie ich gerade mit Freude lese, stehe ich mit meinen Beobachtungen in der Fachwelt nicht allein. So äußert sich der Antisemitismusforscher Klaus Holz in einer umfassenden Stellungnahme sehr deutlich zu Rensmanns Geschwurbel: „Das Buch hat so erhebliche Mängel, dass Teilen abgesprochen werden muss, wissenschaftlicher Text zu sein. Dies betrifft Rensmanns Umgang mit Quellen, seine allzu selektive resp. falsche Rezeption der Fachliteratur, die Missachtung von Grundregeln kollegialer Konkurrenz und das Verschweigen bedeutender Informationen und Argumente zugunsten seiner eigenen Thesen und Theoreme.“ Unter anderem findet es Holz unanständig, „wie Rensmann zuweilen mit Quellen umgeht. Er zitiert (Ludwig) Watzal völlig sinnverkehrend, indem er nur Bruchstücke zitiert, die anscheinend seine Deutung stützen, lässt aber widersprechende, für den Sinn entscheidende Sätze einfach weg.“ Auch Rensmanns Unterstellungen gegenüber anerkannten Historikern wie Jäckel und Mommsen sei inakzeptabel: „Es mag ja sein, dass man als Nachwuchswissenschaftler ein wenig poltern muss, um ins Geschäft zu kommen. Aber derlei ist infam.“ Schließlich gelangt Holz zu dem Schluss: „Die Fehler der Dissertation sind derart offensichtlich, dass es sich nicht um bloße Versehen handeln kann. Auch schlichte Fahrlässigkeit oder sonstige Missgeschicke scheiden als Erklärungen aus. Vielmehr sind die Fehler und Falschdarstellungen entscheidende Hilfsmittel, um Rensmanns Dissertation als großen Wurf und ihn als Neubegründer einer endlich wieder theoretisch durchdachten Antisemitismusforschung erscheinen zu lassen. Dies verstößt gegen das Ethos wissenschaftlichen Arbeitens und ist unredlich. Die Bewertung mit `summa cum laude´ zeigt leider, dass man damit Erfolg haben kann.“

Samstag, Februar 11, 2006

11. Februar 2006

Heute gibt es in meiner fast täglichen Presseschau zur Karikaturen-Debatte nur einen einzigen Beitrag, aber er ist so gelungen, dass ich damit das Thema für dieses Blog gerne abschließen würde. Er stammt von der türkischen Autorin und Soziologin Elif Shafak, findet sich in der heutigen “Welt” und wendet sich gegen die Anheizer beider Seiten, also die zu Aufruhr anstachelnden Demagogen in der muslimischen Welt und die ressentimentgeladenen, islamfeindlichen Hetzer und Provokateure unter anderem in der hiesigen Bloggerszene gleichermaßen.

Ein Auszug: „Die zwei Parteien des Karikaturenstreits scheinen verschiedene Sprachen zu sprechen, aber im Grunde sprechen sie dieselbe Sprache: Es ist die Hassrede. Eine Karikatur, die den Propheten Mohammed mit einem bombenförmigen Turban zeigt, ist Hassrede. Ein moslemischer Demonstrant, der ein Schild trägt mit der Aufschrift `Köpft jene, die den Islam beleidigen´, verbreitet Hassrede. In einer Welt, die sich immer stärker polarisiert, muss Hassrede kritisiert und unter Kontrolle gehalten werden. (…) Um den Karikaturenstreit zu schlichten, ist es von grundlegender Bedeutung, das Problem nicht von einem der Enden, sondern von der Brücke aus zu betrachten. Wir müssen die Empfindlichkeit der Moslems und die Prinzipien der westlichen Demokratie gleichermaßen berücksichtigen. Wir brauchen eine Herangehensweise, die sich mit beiden Positionen auskennt. Innerhalb dieses zerbrechlichen Gefüges müssen wir uns unbedingt daran erinnern, dass der Islam und die westliche Welt nebeneinander existieren können. Beide sind unauflösbar miteinander verbunden und voneinander abhängig. Wir brauchen viel mehr Mischformen - hybride und friedliche und demokratische Kulturen, die Elemente beider Seiten vereinigen. Wir brauchen viel mehr Moslems, die ihren Glauben an die Demokratie zum Ausdruck bringen und jene Moslems kritisieren, die mit Hassreden auf Menschen im Westen reagieren. Wir brauchen viel mehr Menschen im Westen, die ihrer Sympathie mit moslemischen Kulturen Ausdruck verleihen und jene Kräfte im Westen kritisieren, die mit Hassreden auf Moslems reagieren. Wir müssen auf die Stimme der Brücke hören. Wir müssen die Brücke _sein_.“

Dem gibt es nichts mehr hinzuzufügen.

Freitag, Februar 10, 2006

10. Februar zum Sechsten

Ob es um antiislamische Karikaturen geht, um Israelkritik oder um die Inhalte einer nationalkonservativen Zeitung, war es immer meine Maxime gewesen: Andere Meinungen kritisieren und sich damit wenn nötig auch scharf auseinandersetzen – jederzeit. Andere Meinungsäußerungen durch politischen Druck, persönliche Diffamierungen, Ausgrenzungen etc. faktisch unmöglich machen – auf keinen Fall. Insofern freut es mich sehr, dass die aktuelle Kontroverse um die JUNGE FREIHEIT jetzt entschieden ist. Darüber berichtet die Zeitung in einer aktuellen Pressemitteilung:

--- Leipziger Buchmesse lenkt ein
JF: Großer Tag für die Pressefreiheit
Messeleitung stimmt uneingeschränkter Teilnahme der JUNGEN FREIHEIT an der Leipziger Buchmesse zu

Erfreut zeigt sich Dieter Stein, Chefredakteur der Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT (JF), über den Verlauf eines Gesprächs mit dem Direktor der Leipziger Buchmesse, Oliver Zille. Die Leipziger Messe hat danach jetzt schriftlich die Zusage zur uneingeschränkten Messeteilnahme der JUNGEN FREIHEIT an der Leipziger Buchmesse (16.-19. März) erklärt.

Zuvor gemachte Erklärungen, wonach die JUNGE FREIHEIT nur unter der Auflage, keine Veranstaltungen anzubieten, teilnehmen darf, werden zurückgenommen. Die von der JF bei der Messe angemeldeten Veranstaltungen zum Thema "Meinungs- und Pressefreiheit" und "20 Jahre JF" werden wie geplant stattfinden.

"Dies ist ein großer Tag für die Pressefreiheit in Deutschland", sagte Dieter Stein. Die zuletzt über 1.000 Unterzeichner des "Appells für die Pressefreiheit", darunter zahllose Prominente aus dem Politik- und Geistesleben, mit dem die JF aus Protest gegen die Ausladung von der Leipziger Messe an die Öffentlichkeit getreten war, hätten ein Beispiel für bürgerschaftliches Engagement für das in einer Demokratie elementare Grundrecht auf Meinungs- und Pressefreiheit gegeben. "Ein herzliches Dankeschön allen, die uns solidarisch unterstützt haben", so Stein.

Die JUNGE FREIHEIT feiert am 1. Juni 2006 ihr 20jähriges Bestehen. Sie war 1986 als Schüler- und Studentenzeitung in Freiburg im Breisgau entstanden.1993 erfolgte der Umzug nach Berlin. Seit Januar 1994 erscheint die JF als Wochenzeitung. ---

Natürlich würde ich mich mindestens genauso engagiert für die Pressefreiheit einer linken Publikation einsetzen. Allerdings sieht es wohl so aus, dass momentan der Zeitgeist vor allem die Rechten auf dem Kieker hat.

10. Februar zum Fünften

Ein sehr schöner Beitrag zum Thema Verteufelung und hysterischer Alarmismus im Umgang mit dem Islam findet sich heute im Diskussionsforum der Männerrechts-NGO Manndat: „Die Skandalisierung des Phänomens Zwangsheirat“.

10. Februar zum Vierten

Eine aufschlussreiche Innenansicht aus dem Konflikt der Zeitung JUNGE FREIHEIT mit den Leipziger Messerveranstaltern bloggt heute mein Verleger Götz Kubitschek.

immer noch 10. Februar

Fast schon wieder witzig, die Rorschachtests dieser Tage: Die einen erkennen überall Antisemitismus, die anderen entdecken an den unmöglichsten Orten Hitler.

noch 10. Februar

Wie die JUNGE FREIHEIT stolz vermeldet, seien zu den Unterzeichnern ihres „Appells für die Pressefreiheit“ inzwischen der Schriftsteller Rolf Hochhuth, der britische Bestsellerautor Frederick Forsyth, der frühere Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit Carl-Dieter Spranger, der Direktor des Bundesrates a. D. Georg-Bernd Oschatz, der Berliner Historiker Jörg Friedrich, der Fernsehjournalist Franz Alt, einer der letzten lebenden Teilnehmer des 20. Juli 1944, Philipp Freiherr von Boeselager, sowie das ehemalige Mitglied der Widerstandsgruppe "Weiße Rose" Susanne Zeller-Hirzel hinzugekommen. Mit all diesen Namen wird zumindest das diskursive Ausgrenzen der JUNGEN FREIHEIT, wie es jahrelang geschehen war, zunehmend schwerer. (Man sollte hier allerdings nicht ganz unerwähnt lassen, dass sich in dieser Zeit auch die JF selbst ein Stück vom ganz rechten Rand wegbewegt hat.) JF-Chef Dieter Stein betonte nochmals, dass er für ein Gespräch mit der Messeleitung jederzeit zur Verfügung stehe. Er könne sich kaum vorstellen, dass der Messe nicht an einer einvernehmlichen Lösung des Konflikts gelegen sei.

10. Februar 2006

Anis Hamadeh hat Fritz Edlinger zu dem von ihm herausgegebenen Buch „Blumen aus Galiläa“ interviewt und stößt dabei auf bemerkenswerte Aussagen, was die Analyse überbordender Vorwürfe von Antisemitismus angeht. Zunächst äußert sich Erdinger zu dem Umgang mit dem erwähnten Buch: „Dass - wie bei derartigen Kampagnen üblich - viele der verbreiteten Zitate vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen sind und dass manche der Aktivisten das Buch nie selbst zur Hand genommen hatten, war für mich nicht neu. (…) Wie bereits zuvor erwähnt, habe ich mehrfach die Erfahrung gemacht, dass sich Menschen gegen das Buch, dessen Autor, gegen mich und den Verleger gewendet haben, ohne überhaupt das Buch gelesen zu haben. Ja manche haben nicht einmal die selektive Zitatensammlung gekannt sondern nur von parteiischen Journalisten und oder Wissenschaftlern verfasste Pamphlete. (…) Diesen Lobbyisten geht es schlicht und einfach darum, die unhaltbare Politik Israels zu vertuschen und von deren Verbrechen abzulenken.“ Was diese Politik angehe, habe er die Beobachtung gemacht, dass sich selbst israelkritische jüdische Freunde inzwischen sehr bedeckt hielten: „Ich habe dafür einige Erklärungen, die durchaus auch auf nicht-zionistische Juden anwendbar sind. Diese reichen von einem mitunter extrem starken Milieudruck (es ist sicherlich auch für säkulare nicht-zionistische Juden keine Freude, von Zionisten und/oder gläubigen Juden ständig als Verräter oder dergleichen diffamiert zu werden) bis hin zu einer vorauseilenden Selbstzensur.“ Die in den letzten Jahren aufgekommene These eines „Neuen Antisemitismus“ bereite Edlinger Probleme: „Die einschlägigen Definitionen sind derart vieldeutig und unklar, dass man mehr oder minder je nach Gutdünken den Kreis der neuen Antisemiten sehr weit ausdehnen kann. Man hat das ja vor nicht allzu langer Zeit mit dem vom Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung vorgelegten Definitionsversuch für Antisemitismus gesehen. Ich plädiere also in diesem Zusammenhang dafür, dass man sich auf die harten Fakten des alten Antisemitismus (also Verherrlichung des Nationalsozialismus, Holocaustleugnung, verschiedene Aspekte des alten christlichen Antisemitismus etc.) beschränkt, und alle anderen neuartigen Definitionen dem Reich der unwissenschaftlichen Spekulation überlässt.“ (Hier deckt sich Edlingers Auffassung offenkundig mit der meinen.) Schließlich kommt er auf die „politische Instrumentalisierung des Antisemitismus“ zu sprechen: „Es ist ja inzwischen eine Binsenweisheit, dass das politische Establishment in Israel und ein beträchtlicher Teil der internationalen jüdischen Organisationen den Antisemitismusvorwurf als Waffen gegen alle Kritiker der israelischen Expansions- und Besatzungspolitik verwenden. (…) Je ärger die israelische Besatzungspolitik und demzufolge auch ihr Grad an Völkerrechtswidrigkeit wurde, desto stärker wurde die Waffe des Antisemitismusvorwurfes eingesetzt. Nun hat die israelische Landraub- und Besatzungspolitik unter Arik Sharon zweifellos ihren Höhepunkt erreicht, sodass es natürlich auch eines entsprechenden propagandistischen Ausgleichs bedarf.“ Was die Debatte um die Mohammed-Karikaturen angeht, erkennt Edlinger „hinter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit eine skandalöse rassistische volksverhetzende und ausländerfeindliche Aktion“, die „auf das Schärfste abzulehnen“ sei, wobei er indes auch den Islam von scharfer Kritik nicht verschont.

Man sollte bei all dem allerdings nicht übersehen, dass es gegen Passagen von "Blumen aus Galiläa" auch Antisemitismusvorwürfe gibt, die handfester zu sein scheinen, als vieles was hier sonst manchmal gehandelt wird. (Ich selbst habe das Buch nicht gelesen und kann mir so zu seinem Inhalt kein Urteil erlauben.) Nicht nur Erdinger selbst gesteht diesen Vorwürfen offenbar Substanz zu, auch der seinerseits angefeindete Ludwig Watzal äußert sich im heutigen „Freitag“ klar: "So sind seine hauptsächlich in zwei Kapiteln des Buches vorgetragenen aggressiven Attacken gegen die jüdische Religion und den Einfluss des amerikanischen Judentums auf die Politik der USA völlig inakzeptabel und offenbaren judeophobes, verschwörungstheoretisches und antisemitisches Denken." Auch wegen anderer Äußerungen des Autors sah sich Watzal veranlasst, seine Zusammenarbeit mit ihm zu beenden.

Ebenfalls im aktuellen „Freitag“ äußert sich Sabine Kebir zur Karikaturen-Debatte: „Ich dachte immer, der Grad von Pressefreiheit misst sich an der ungestraften Möglichkeit, vor allem die eigenen Herrscher zu kritisieren und zu karikieren. Den vermeintlichen Feind zu reizen und zu verhöhnen, war und ist schließlich auch in Diktaturen erlaubt, oft sogar ausdrücklich erwünscht. (…) 1914 war für das Auslösen eines Weltkrieges noch ein echter Fürstenmord nötig. 1939 reichte ein fingierter Angriff auf den Sender Gleiwitz. Heute scheint ein Spaß zu genügen, den sich die Zivilgesellschaft eben mal erlaubt, obwohl sie per Selbstdefinition doch eigentlich friedlich ist. Tatsächlich unterstützen aber immer weniger Europäer - ja, immer weniger Menschen weltweit - den Heiligen Krieg des Westens gegen den Islam. Der Verdacht liegt nahe, dass bestimmte, nicht zuletzt mediale Scharfmacher deshalb ganz bewusst die Aufgabe übernehmen, augenfällige Beweise zu produzieren, dass die Muslime rückständig, gewalttätig und unberechenbar seien und deshalb vom Westen beaufsichtigt, kontrolliert, notfalls auch einmal geschurigelt werden müssten.“

In der „taz“ von heute argumentiert hierzu Neal Ascherson: „Auf beiden Seiten, und nicht nur in der muslimischen Öffentlichkeit, versuchen ehrgeizige Agitatoren, die aufgestauten Gefühle der Unsicherheit und der Bedrohtheit bauchrednerhaft zu artikulieren und auszubeuten. (…) Jede europäische Generation muss die Meinungsfreiheit neu erkämpfen und verteidigen - doch auf keinen Fall mit einer Art `neokonservativer´ Präventivschlag-Doktrin. (…) Alle Rechte - auch das auf Pressefreiheit - beinhalten zugleich das Recht zu entscheiden, wann wir sie in Anspruch nehmen. Diese Entscheidung kann etwa von Common Sense oder auch von Vorsicht geleitet sein. Ich mag das Recht haben, eine Zigarette neben einem Stapel undichter Benzinfässer wegzuwerfen, aber wahrscheinlich werde ich es nicht tun, und wenn ein Feuer ausbricht, werde ich dafür strafrechtlich belangt.“

Günter Grass äußert sich zu diesem Thema in der „Welt“: „Ich empfehle wirklich allen, sich die Karikaturen einmal näher anzuschauen: Sie erinnern einen an die berühmte Zeitung der Nazi-Zeit, den `Stürmer´. Dort wurden antisemitische Karikaturen desselben Stils veröffentlicht. Man kann nicht das Recht auf freie Meinungsäußerung geltend machen, ohne zu analysieren, wie es um diese im Westen wirklich steht.“ Und Zafer Senocak erklärt in derselben Ausgabe, warum manche Islamhasser ihren größten Feinden durch ihre Tapsigkeit nur Schützenhilfe geben: „Die Islamophobie, die sich im Westen Gehör verschaffen möchte, ist nur die Kehrseite des Islamismus. Längst ist es üblich geworden, Praktiken wie Zwangsehen oder Ehrenmorde, die mit der islamischen Religion nicht zu legitimieren sind, unter der Rubrik Islam abzuheften. Damit wird jenen, die eine eindeutige, nach islamischen Vorstellungen nicht zulässige Deutungshoheit über die Quellen der islamischen Religion beanspruchen, Fett aufs Brot geschmiert. Aus Dummheit? Oder weil die Globalisierung und das Zusammenrücken von Menschen unterschiedlicher Kultur und Nationalität auch die Menschen in Europa überfordern?“

Über den Konflikt zwischen der Leipziger Buchmesse und der nationalkonservativen Zeitung JUNGE FREIHEIT berichten derweil unter anderem der „Kölner Stadtanzeiger“ („Aus alledem erwächst der Verdacht, dass die Leipziger Argumentation unaufrichtig ist.“), die „Frankfurter Rundschau“ („Die Affäre tendiert nun ins Possenhafte“) und der Berliner „Tagesspiegel“.

Und in der „Frankfurter Rundschau“ schließlich problematisiert der Jurist Horst Meier, dass dem Rechtsradikalen Horst Mahler der Reisepass entzogen wurde, damit er Deutschland nicht im Iran blamiert: „Da braucht man seine Schadenfreude nicht zu zügeln. Oder vielleicht doch? Nun, man könnte sich fragen, ob es mit rechten Dingen zugeht, dass jene Ausreisefreiheit, die das SED-Regime den Ostdeutschen so lange vorenthielt, neuerdings Rechtsradikalen verweigert werden darf.“

Donnerstag, Februar 09, 2006

9. Februar 2006

Und wieder einmal eine kleine Presseschau.

Telepolis berichtet in deutlichen Worten vom anhaltenden moralischen Verfall des Hauses Springer: „Es sind die Hurenböcke in der BILD-Redaktion, für die sich Deutschland schämen müsste.“ Und Daniel Cohn-Bendit nimmt in einem Interview mit der “taz” Springers “Welt” ihre momentane Selbstinszenierung nicht ab: „Dieses ganze Sich-in-die-Brust-Werfen für Meinungsfreiheit hat bei uns einen strengen heuchlerischen Geruch.“

In der “Berliner Zeitung” von heute warnt Harald Jähner vor Trugbildern: „Ein islamischer Geistlicher steht mit ausgebreiteten Armen vor der brennenden dänischen Botschaft in Beirut. Die Hände erscheinen im Schattenriss wie die von Nosferatu, dramatisch weht der schwarze Bart. Das Bild wurde im gestern erschienenen `Stern´ mit der Unterzeile versehen: `Geistlicher heizt die Stimmung aufgebrachter Gläubiger in der libanesischen Hauptstadt an.´ Andere Blätter, auch diese Zeitung und die Agentur AFP, schrieben dagegen: `Muslimischer Geistlicher beschwichtigt Protestierer.´ Was stimmt denn nun? Ein halbes Dutzend Worte verändern die Stimmung, in denen uns im Moment die Weltlage erscheint. (…) Die Bilder von den hasserfüllten Menschen verraten nicht, wie repräsentativ sie für den kulturellen Raum sind, aus dem sie kommen. Man sieht nicht einmal, wie klein der Mob ist, der vor westlichen Botschaften randaliert. Man sieht eine den engen Bildrahmen sprengende Menge wütender Menschen. Der Ausschnitt suggeriert, dass die Menge schier endlos ist. Man kennt das Phänomen vom 1. Mai in Kreuzberg: Drei brennende Autos auf dem Mariannenplatz, zwei Schnitte in eine aufgebrachte Menge, und schon entsteht der Eindruck, eine Stadt versinke im Chaos.“

Das ist eine durchaus kluge Mahnung vor allzu vorschnellen ersten Eindrücken auf der Basis persönlicher Vorurteile. Da ist es dann leider um so pikanter, wenn die „Berliner Zeitung“ in derselben Ausgabe grob fahrlässig mein Buch „Warum Hohmann geht und Friedman bleibt“ in eine Reihe angeblich „revisionistischer und antisemitischer Bücher“ einordnet. Natürlich fehlt für diesen Vorwurf jede Begründung, und es erscheint mir fraglich, ob der betreffende Redakteur auch nur eine Seite des Buches gelesen hat. (Die anderen Bewertungen der „Berliner Zeitung“ in diesem Absatz sind nicht weniger abenteuerlich. Ist es jetzt schon unanständig, wenn Zeitzeugen von den letzten Kriegswochen an der Front berichten oder eine mögliche Ursache für Hitlers Rassenwahn analysiert wird? Seltsam.) Jedenfalls wissen wir jetzt, von welcher Seite man im Kampf um die Pressefreiheit eher keine Unterstützung erhält.

Glücklicherweise gibt es noch einen Rest von Leuten, die Bücher auch lesen, bevor sie sich dazu äußern. So ging gerade eine neue Rezension zu meinem Kurzgeschichtenband „Wachs in deiner Hand“ online. Da Sie zum Betreten dieser Website ein Password benötigen, kopiere ich die Besprechung der Einfachheit halber mal hier hinein:

--- Wachs in Deiner Hand

Cagliostro hat wieder zugeschlagen. Hinter dem wohlbekannten Namen verbirgt sich der inzwischen mit Preisen dekorierte Schriftsteller Arne Hoffmann, der sich inzwischen zwar nicht mehr gezwungen sieht, seinen Namen zu verheimlichen, das bekannte Pseudonym dennoch für seine SM-Texte weiter verwendet.

Cagliostro - das verspricht nicht-alltägliche Texte mit viel SM, viel Witz und so manches mal einen Ausritt in die Welten jenseits der Tabugrenze. So ist auch „Wachs in Deiner Hand“ wieder ein Lesegenuss für alle, die sich selbst nicht zu ernst nehmen und den Unterschied zwischen Kopfkino und Realität durchaus mental verarbeiten können.

Acht Kurzgeschichten entführen uns in Abenteuer, die wir vermutlich nicht wirklich erleben möchten, die aber durchaus an Geilheit einiges zu bieten haben. Teilweise scheint der Autor gar mit seinen Lesern zu spielen, bringt Einwürfe wie ein Schauspieler, der sein Publikum urplötzlich in das Lesegeschehen integriert.

Ein erfrischendes Buch, das sich ganz bewusst nicht an SSC-Korsett klammert. Durch die plastische Darstellung bekommt man das Gefühl, mitten im Geschehen zu stehen, und wenn man denkt, weiter könne man die Spannungsspirale nicht mehr heraufschrauben ... weit gefehlt, ein wenig geht immer noch.

Dieses Buch gehört unbedingt in das Bücherregal, das die Erbtante nicht sehen darf. ---

Mittwoch, Februar 08, 2006

8. Februar zum Vierten

Das Spiel „Wer ist geschmackloser und damit der größere Held für die Meinungsfreiheit“ hat begonnen. Die ersten (reichlich bescheuerten) „Auschwitz-Karikaturen“ rollen an. Wer die dänischen Karikaturen für so unverzichtbar wertvoll im Sinne der Pressefreiheit hält, dass sie noch nicht mal kritisiert werden dürfen, wird aber sicher auch mit diesem Müll keine Probleme haben?

Da wir gerade bei doppelter Moral sind: Von der dänischen Zeitung "Jyllands-Posten", die sich mit ihren Mohammed-Verunglimpfungen als mutige Vorkämpfer gegen die Schere im Kopf inszenierte, kam jetzt heraus, dass sie Jesus-Karikaturen abgelehnt hat - aus Sorge um die Gefühle der Leser. Kritiker wenden nun ein: So richtig Laune scheint der Widerstand gegen die Zensur einigen nur zu machen, wenn er auf dem Rücken von Minderheiten ausgetragen wird. Da ist "Jyllands-Posten" nun geradezu gezwungen, in die Vorwärtsverteidigung zu gehen: Sie erwägt, die angekündigten arabischen Holocaust-Karikaturen zu drucken. Und wie wir von der Netzeitung erfahren, ist sie da nicht die einzige.

Ein weiteres Encore zum Thema Doppelmoral liefert die Debatte um die JUNGE FREIHEIT und die Leipziger Buchmesse. JF-Chefredakteur Dieter Stein schleudert in der morgigen Ausgabe seiner Zeitung allen Einäugigen in Sachen Meinungsfreiheit ein „Ihr Heuchler!“ entgegen. Aber auch andere, führende Presseorgane schalten sich in diese Diskussion ein. So bringt die morgige “Frankfurter Allgemeine” die hiesige Verlogenheit auf den Punkt: „Die Muslime in aller Welt mit einem Vortrag über das hohe europäische Gut der Meinungsfreiheit zu katechisieren, ist in diesen Tagen eine der leichteren Übungen. Hinten, weit in der Türkei, sollen die Menschen in den Genuß einer freien Presse kommen. Heikler wird es, wenn die Sache näher rückt: Die Leipziger Buchmesse hat der Wochenzeitung `Junge Freiheit´ den angemeldeten Stand verweigert. Die Zeitung steht rechts von der Mitte, aber als extremistisch wird man sie (…) nicht bezeichnen wollen.“ Zwar habe die JF einige namhafte Unterstützer gefunden. „Aber das wird nicht viel helfen, denn wer will schon in den Ruf kommen, mit der `Jungen Freiheit´ paktiert zu haben? Warten wir lieber auf die nächste Buchmesse in Damaskus, Algier oder Teheran. Dort wird man sicher auch den einen oder anderen Verlag ausschließen und sich auf mögliche Proteste des muslimischen Volksempfindens berufen. Dann haben die deutschen Großintellektuellen eine passendere Möglichkeit, wieder einmal die so dringend nötige Pressefreiheit anzumahnen.“

Nicht weniger deutlich äußert sich Eckhard Fuhr in der morgigen “Welt”: „Man möchte der Leipziger Messe gern glauben, daß es ihr nicht darum ging, einen politisch mißliebigen Aussteller fern zu halten. Allein, das Sicherheitsargument ist auf eine so dummdreiste Weise an den Haaren herbei gezogen, daß einem die Pressesprecherin Leid tut, die diesen Unsinn vertreten muß. Es gibt in diesem Fall in Leipzig keinen Anlaß, wegen der Sicherheit an der Freiheit Abstriche zu machen.“

Fast schon niedlich ist es, wenn sich der SPIEGEL darüber wundert, dass auch einige von uns Linksliberalen die JUNGE FREIHEIT in solchen Dingen unterstützen: „Überraschenderweise ist auch der Schriftsteller und Mitgründer sowie Autor des Satiremagazins `Titanic´ Eckhard Henscheid aufgeführt, der früher unter anderem für die linksgerichtete Zeitschrift `Konkret´ geschrieben hat. Das Messeverbot für die Wochenzeitung sei `daneben´, sagte Henscheid im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Henscheid sprach von einem generellen `Meinungsterror der Linken´.“ Da mag ich Herrn Henscheid nicht widersprechen – es war exakt dieser Meinungsterror auch bei anderen Themen (Feminismus etc.), der mich der politischen Linken ein gutes Stück entfremdet hat.

Ein Sprechverbot, das ebenfalls mit einem Meinungsterror hierzulande zu tun hat, ist ein Vergleich zweier Apartheidsysteme: Südafrika und Israel. Der britische “Guardian” schert sich nicht drum und macht genau das in einem zweiteiligen Report zum Thema.

Soviel für heute. Schalten Sie auch morgen wieder ein, wenn Sie Arne Hoffmann sagen hören: „Hilfe, meine Verleger wollen mir mein Blog wegnehmen, damit ich endlich wieder an meinen Büchern arbeite …“

immer noch 8. Februar

Die Saat der Scharfmacher auf beiden Seiten scheint aufzugehen: Inzwischen fühlt sich einer aktuellen Umfrage zufolge jeder zweite Deutsche auch von den in Deutschland lebenden Muslimen bedroht. Die US-Amerikaner blicken kopfschüttelnd nach Europa, wie unter anderem sz-online berichtet: So habe „der frühere frühere US-Präsident Bill Clinton (…) die Europäer vor wachsenden anti-muslimischen Vorurteilen als Nachfolge des historischen Anti-Semitismus“ gewarnt. „Clintons früherer Botschafter für Religionsfreiheit Robert Seiple ging noch einen Schritt weiter und ermahnte die Europäer in einem Interview mit der türkischen Zeitung `Zaman´, ihre Lektion aus der Geschichte zu lernen. Auch Karikaturen hätten zum späteren Holocaust beigetragen.“ Währenddessen verurteilen die muslimischen Spitzenorganisationen die Gewaltausbrüche von einigen ihrer Glaubensbrüder und erhalten ihrerseits gegen die antiislamischen Zeichnungen Unterstützung vom Zentralrat der Juden in Gestalt von Paul Spiegel, der Verständnis für ihre verletzten Gefühle bekundet und davor warnt, sämtliche Muslime für die Gewalttäter unter ihnen in Kollektivhaftung zu nehmen. Was immer man von Spiegels Äußerungen in anderen Zusammenhängen halten mag, fällt hier doch wohltuend seine konsequente Haltung auf, mit der er für Mitglieder der islamischen Religion ebenso Empathie empfindet wie für Mitglieder seiner eigenen. Damit unterscheidet er sich in angenehmer Weise von all jenen, die bei Kritik am israelischen Regierungshandeln von „antisemitischen Ressentiments“ wettern, hetzerische und herabsetzende Karikaturen gegen Muslime aber als den höchsten Ausdruck von Meinungsfreiheit darstellen, den es um jeden Preis zu unterstützen gilt.

noch 8. Februar

Zu den Unterzeichnern des „Appells für die Pressefreiheit“ der JUNGEN FREIHEIT sind inzwischen der Verleger und Publizist Wolf Jobst Siedler sowie die CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach hinzugekommen. JF-Chefredakteur Dieter Stein weist indessen eine Behauptung der Leipziger Messe zurück, die Aussperrung von der Buchmesse habe keine politischen Gründe, sondern sei lediglich wegen einer "Sonderveranstaltung" erfolgt: "Das ist eindeutig eine Schutzbehauptung, die vorne und hinten nicht stimmt". In dem von Messe-Direktor Oliver Zille unterzeichneten Ablehnungsschreiben sei unmißverständlich von einer "Standbeteiligung" die Rede, die angeblich den "ordnungsgemäßen Ablauf" der Messe gefährde. Außerdem habe die JF lediglich im Rahmen ihres Messestandes eine halbstündige Veranstaltung zum Thema "Presse- und Meinungsfreiheit" angemeldet. "Wenn das schon für eine Ablehnung reichen sollte, wäre der Skandal noch viel größer, als er ohnehin schon ist", erklärte Stein.

8. Februar 2006

Antiislamismus ist auch in den deutschen Buchhandlungen ein starker Trend. Aber er steht auf einem schwachen Fundament, argumentiert die “Zeit” und kritisiert einige Autoren scharf: “Offenbar wurden hier die eigenen - und zwar wissenschaftlich abgesicherten - Erkenntnisse mutwillig verbogen, um am Buchmarkt einen Erfolg zu landen und sich dabei selbst als authentischen und vorgeblich wissenschaftlich legitimierten Ansprechpartner für alles, was mit `den Türken´ oder `dem Islam´ zu tun hat, in Szene zu setzen.“

In der “Welt” äußert sich Wadah Khanfar, Direktor des arabischen Fernsehsenders Al Dschasira, zu den aniislamischen Karikaturen: „Wir respektieren zutiefst freie Meinungsäußerung. Es ist ein sehr wichtiges Gut, vor allem in der arabischen Welt. Aber diese Zeichnungen enthalten keine Information, offenbaren keine Meinung. Sie sind einfach nur verletzend.“

Harry Nutt gibt in der “Frankfurter Rundschau” einiges zu bedenken, was die Proteste und Ausschreitungen in arabischen Ländern angeht: „Zum Abwiegeln besteht kein Grund, aber unklar ist dennoch, was die Fernsehbilder zeigen. Gewalttätige Demonstrationen und Überfälle auf repräsentative Institutionen sind eine Begleiterscheinung vieler sozialer Bewegungen. Sie machen dem staatlichen Gewaltmonopol bisweilen erheblich zu schaffen, eine Gefährdung der Zivilisation sind sie deswegen nicht.“

In der „Süddeutschen Zeitung“ von heute (kein direkter Link möglich) stellt der iranischstämmige Kölner Autor Navid Kermani klar: „Die Mohammed-Karikaturen sind kein zweiter Fall Salman Rushdie. Es war Rushdies unveräußerliches Recht, die eigene islamische Kultur zu diffamieren ... Rushdie steht in einer langen Tradition von Literaten der islamischen Welt, die sich mit dem Islam anlegen. Viele von ihnen haben dafür mit Verboten, Verhaftungen oder gar ihrem Leben gebüßt (auch wenn die orientalische Geschichte nicht annähernd so viele Ketzer aufweist wie die europäische). Der dänischen Redaktion ging es um etwas völlig anderes. Hier wurde eine Minderheit im eigenen Land zu einer Reaktion provoziert, die zur Rechtfertigung dienen sollte, eben diese Minderheit noch weiter zu marginalisieren.“

Die Berliner “taz” schließlich hat zu der dänischen Zeitung „Jyllands-Posten“ einiges zu sagen – und zu ihren „Methoden, die journalistisch höchst zweifelhaft“ seien: „Themen kamen ins Blatt, für die man den Tatsachenbeweis schuldig blieb. Ein Chefredakteur ging, nachdem die Leitung gegen seinen Widerstand passend zu den Parlamentswahlen eine Geschichte über angeblichen systematischen Sozialsystemmissbrauch durch Asylsuchende ins Blatt gehoben hatte. Kurz vor den weltweit bekannt gewordenen Zeichnungen prangte auf der Titelseite: `Islam am kriegerischsten´. Eine groß aufgemachte Geschichte einer muslimischen Todesliste mit jüdischen Namen erwies sich als Fantasieprodukt.“ Wenn hier einige Leute behaupten, man müsse sich im Dienste der Meinungsfreiheit ohne Wenn und Aber mit den dänischen Provokateuren solidarisieren, hinterlässt das inzwischen einen sehr üblen Haugout.

7. Februar zum Fünften

Es gibt eine neue Pressemitteilung der Zeitung JUNGE FREIHEIT zu dem Skandal um die Leipziger Buchmesse:

--- Appell für die Pressefreiheit: Arnulf Baring, Joachim Fest und Helmut Markwort unterstützen Junge Freiheit

Auf breite Unterstützung stößt ein Appell für die Pressefreiheit, mit dem sich die Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT gegen ihre politisch motivierte Ausladung von der Leiziger Buchmesse wehrt. Zu den bisherigen Unterzeichnern gehören unter anderen der Herausgeber des Nachrichtenmagazins "Focus", Helmut Markwort, der ehemalige FAZ-Herausgeber, Historiker und Publizist Joachim Fest, der Historiker und Publizist Arnulf Baring, SPD-Bundesminister a.D. Andreas von Bülow, die CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler und Norbert Geis, der Chefredakteur der Evangelischen Nachrichtenagentur IDEA, Helmut Matthies, die Schriftsteller Eckhard Henscheid, Arno Surminski und Ulrich Schacht, die Hochschullehrer Martin van Creveld, Ernst Nolte, Helmut Quaritsch, Robert Spaemann, Theodor Schweisfurth, Alfred M. de Zayas, die Journalisten und Autoren Gernot Facius, Günter Gillessen, Michael Klonovsky, Fritz Schenk, Klaus Wippermann, Botschafter a.D. Horst Weisel sowie der frühere Generalbundesanwalt Alexander von Stahl.

Als ein "Signal der Ermutigung" wertete JF-Chefredakteur Dieter Stein die große Zahl von Unterstützern aus allen Sparten des öffentlichen Lebens. Täglich gingen Dutzende neue Unterschriften ein, berichtete er. "Die Solidarität ist gigantisch", so Stein.

Der Text des Appells lautet vollständig: "Die Leipziger Buchmesse hat mit Schreiben vom 30. Januar 2006 der Berliner Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT aus politischen Gründen die Teilnahme als Aussteller an der diesjährigen Leipziger Buchmesse (16.-19. März) verweigert. Angeblich gefährde die Präsenz der JUNGEN FREIHEIT die `ordnungsgemäße Durchführung´ der Buchmesse. Die Gesellschafter der Leipziger Messe GmbH sind der Freistaat Sachsen und die Stadt Leipzig. Der Ausschluß der Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT ist eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit, eine Einschränkung, die besonders schwerwiegt, wenn sie von einer öffentlichrechtlichen Institution vorgenommen wird. Wir protestieren gegen diesen Grundrechtseingriff und fordern die Leipziger Messe GmbH auf, den Ausschluß der Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT von der Leipziger Buchmesse wieder zurückzunehmen." ---

Kurz nachdem mich diese Pressemeldung erreicht, folgt eine neue Mail aus der JF-Redaktion: Inzwischen habe auch Prof. Dr. Hans Olaf Henkel, langjähriger Chef des BDI, den "Appell für die Pressefreiheit" unterschrieben, des weiteren seien in den letzten Stunden unter anderem Dr. Otto von Habsburg, Ehrenpräsident der Paneuropaunion, sowie der Fernsehjournalist Heinz Klaus Mertes dazugestoßen.

Selbstverständlich wird dieser Appell auch von mir unterstützt.

Inzwischen berichtet auch die “Netzeitung” über die aktuellen Entwicklungen. Es scheint, als ob die verfemte "Junge Freiheit" durch diese Vorgänge nur an politischem Gewicht gewinnt.

Dienstag, Februar 07, 2006

7. Februar zum Vierten

Der israelische Friedensaktivist Reuven Moskovitz hat einen offenen Brief an Bundeskanzlerin Merkel geschrieben. Darin heißt es unter anderem: „Heutzutage ist die Hauptfrage nicht die arabische Anerkennung des Existenzrechts Israels, sondern die israelische Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Palästinenser, frei von militärischer Besatzung und Kolonisierung. Wem nützt es, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, wenn Sie sich einordnen in die fragwürdige Reihe deutscher Politiker, die meinen, der Holocaust immunisiere die israelische Politik gegen jegliche Kritik – Kritik, die Verletzung von Menschenrechten, Völkerrecht und Menschenwürde betrifft. Als Opfer des Holocaust sollen wir Israelis das Recht haben, unseren Nachbarn mit Gewalt und Besatzung die Freiheit und das Recht auf Leben und Besitz zu verweigern? Wenn aber diese Nachbarn sich durch die unerträglichen Umstände gezwungen sehen, die Freiheit zum bewaffneten Widerstand zu nehmen – in einer Weise, die ich ausdrücklich persönlich nicht rechtfertige –, dann wird es als Terror angeprangert. Aus meiner Sicht ist dieser Widerstand für die Palästinenser das letzte Mittel der Unfreiheit zu entkommen.“

immer noch 7. Februar

Der Karikaturen-Konflikt ist nicht nur ein Gottesgeschenk für den einen oder anderen Internetblogger, der gerade eifrig Öl ins Feuer der Islamophobie gießt. Dem FOCUS zufolge reiben sich auch die französischen Rechtsextremisten die Hände. Brice Teinturier vom Meinungsforschungsinstitut TNS-Sofres befürchtet, dass mit jedem Tag, an dem über fundamentalistische Auswüchse geredet wird, die Gefahr steige, dass auch der Normalbürger Ressentiments gegen „den Islam im Allgemeinen“ entwickle: „Je hysterischer das Thema behandelt wird, desto größer wird diese Gefahr.“

Inzwischen fühlt sich Fritz Kuhn, Fraktionschef der Grünen, durch die Karikaturen an die „antijüdischen Zeichnungen in der Hitler-Zeit vor 1939 erinnert“. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) warnt in diesem Zusammenhang vor einer Überinterpretation der Pressefreiheit. Im aktuellen Fall sei mit einem sensiblen Thema sehr gedankenlos umgegangen worden, sagte Lammert im Deutschlandfunk. Pressefreiheit bedeute nicht, dass jede Geschmacklosigkeit „auf die Höhe eines Verfassungsanspruchs“ gehoben werden dürfe.

Ein Gelegenheitsleser meines Blogs mailt mir: „Wer sich den Ablauf der Ereignisse ansehen will, der kann sich in der Wikipedia schlau machen. Was momentan mir die Galle hochtreibt, sind die zum Teil undifferenzierten Reaktionen einiger Intellektueller. Zunächst neigen wir dazu zu vergessen, dass in Deutschland auf Kinos Brandanschläge verübt wurden, in denen die `Letzte Versuchung Christi´ lief oder dass tiefgläubige Christen in den USA Abtreibungsärzte ermorden - oder sollte ich sagen: eine Spätabtreibung vornehmen? Sicherlich ist das mit den massiven Ausschreitungen nicht zu vergleichen, aber zunächst gilt es festzuhalten, dass auch unserer `aufgeklärten Kultur´ religiöse Exzesse nicht fremd sind Oder darf ich an die Empörung zahlreicher Politiker über die `Kreuz-im-Klassenzimmer´-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erinnern? Mich ärgert, dass in der Presse nur das Bild des `hässlichen Moslem´ gezeichnet wird. Man geilt sich an den Gewaltbildern aus Syrien, Iran und dem Libanon auf. Haben wir es nicht immer gewusst? Die Araber sind Wilde. Der Iran, Syrien, die Taliban und konservative Kreise in Saudi-Arabien nutzen die Karikaturen und die Volksfrömmigkeit aus, um eigene politische Ziele zu erreichen. Was für viele Araber aus Polizeistaaten nicht nachvollziehbar ist: dass eine Zeitung etwas ohne Billigung der Machthaber veröffentlichen kann. Also richtet der Zorn sich gegen den Staat und nicht nur gegen die Zeitung. Auch sollte man nicht vergessen, dass viele der dortigen Demonstranten weder schreiben noch lesen können. Die glauben das, was man ihnen erzählt hat, und das ist selten das, was sich wirklich ereignet hat. Ich will die Exzesse nicht verteidigen, aber wir sollten aufhören, von `den Moslems´ zu sprechen. Ich denke, es macht einen Unterschied, ob man meldet: `Eine Gruppe wütender Moslems stürmte Botschaft´ oder `Eine Gruppe wütender Iraner stürmte Botschaft.´“

Ein anderer Leser mailt mir eine erste antiwestliche Karikatur aus Jordanien zu dieser Debatte.

Heute abend schließlich gibt es bei „Phoenix“ eine Talkrunde zum Karikaturenstreit. Daran wird auch das momentane Maskottchen dieses Blogs teilnehmen.

Alles in allem bekomme ich allmählich immer mehr den Eindruck, es wird bald höchste Zeit für eine Neuauflage meines „Lexikons der Tabubrüche“

noch 7. Februar

Die Partystimmung im Kampf der Kulturen erreicht einen neuen Höhepunkt. Offenbar nach dem Motto „Wenn ihr unseren Gott beleidigt und das als Meinungsfreiheit rechtfertigt, machen wir dasselbe jetzt mit eurem“ hat die größte iranische Tageszeitung „Hamschahri“ aktuell einen Wettbewerb begonnen: Wer die schönsten Karikaturen über den Holocaust zeichnet, gewinnt einen Goldpreis! Vielleicht können ja auf diese Weise einige Menschen nachempfinden, welcher Gefühlsaufruhr bei Muslimen gerade ausgelöst worden ist. Farid Mortasawi, Redakteur von „Hamschahri“, kommentiert seine Aktion so: „Die westlichen Zeitungen haben diese gotteslästerlichen Bilder unter dem Vorwand der Pressefreiheit veröffentlicht. Lasst uns sehen, ob sie wirklich meinen, was sie sagen, und auch Bilder über den Holocaust drucken“. In der Tat stellt sich die Frage, ob nun alle Journalisten, die die islamverachtenden Zeichnungen veröffentlicht haben, um unser so heiliges Gut der Presse- und Meinungsfreiheit zu verteidigen, auch Karikaturen veröffentlichen, die an die Tabus _unserer_ Kultur rühren statt an die von irgendwelchen „Ziegenfickern“. Jeder, der hier in den letzten Tagen ausgesprochen große Töne gespuckt hat, müsste doch dafür sein ..?

7. Februar 2006

Reinhard Müller zeigt in seinem heutigen Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen“ auf, dass das Beleidigtsein über Verletzungen von religiösen Befindlichkeiten keine Reaktion ist, für die nur überempfindliche Muslime prädisponiert seien. Schließlich haben auch wir hierzulande einen eigenen Paragraphen für derlei Äußerungsformen: „Die deutschen Gerichte haben ein `Beschimpfen´ etwa in der Darstellung eines Kruzifixes als Mausefalle gesehen oder in der Abbildung eines gekreuzigten Schweins auf einem T-Shirt. Das gilt auch für das Bild eines gekreuzigten Jesus mit dem Satz `Masochismus ist heilbar´, auch für die Wendung `Maria, hättest du abgetrieben, der Papst wäre uns erspart geblieben´. (…) Die Toleranz ist auch in freiheitlichen Staaten unterschiedlich ausgeprägt. Das mußte etwa der österreichische Karikaturist Gerhard Haderer erfahren. Wegen seines Comics `Das Leben des Jesus´ wurde er in Griechenland in Abwesenheit zu sechs Monaten Haft verurteilt. Der Band, der Jesus als leicht entrückten Weihrauchkiffer zeigt und den Gang über den See Genezareth als Surf-Trip darstellt, rief freilich auch in Österreich Entrüstung hervor. Das `erzbischöfliche Amt für Unterricht und Erziehung´ rief zum Boykott von Haderers Verlag auf; der Künstler wurde wegen `Herabwürdigung religiöser Lehren angezeigt´. Die österreichische Bischofskonferenz sah die `Fundamente der Demokratie in Gefahr´, ein Bischof gab die Parole aus: `Über das Heilige lacht man nicht.´ (…) Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte 1994 über den Film `Liebeskonzil´ zu befinden, der 1985 in Innsbruck beschlagnahmt worden war. Das Landgericht stellte fest, daß in dem Film `Gottvater als seniler, impotenter Trottel, Christus als Kretin und die Gottesmutter Maria als lüsterne Dame´ dargestellt werde. Der Staat könne legitimerweise ein Verhalten verbieten, das mit dem Respekt vor der Religionsfreiheit nicht zu vereinbaren sei.“ Nur was ist, wenn eine Religion diesen staatlich-institutionellen Schutz in Europa nicht so stark genießt wie etwa das Christentum? Deren Anhänger gehen offenbar gerade auf die Barrikaden.

Marcia Pally, eine Liberale aus den USA, von der es übrigens ein großartiges Buch gegen die Zensur sogenannter Pornographie gibt, äußert sich in der „Frankfurter Rundschau“ höchst sarkastisch zu dem umstrittenen Fragebogen für einbürgerungswillige Muslime: „Wozu die ganze Aufregung? Liest man sich den Fragebogen durch, sieht man doch gleich, dass er den Prinzipien unserer christlichen US-Regierung treu ist, die mildtätigem Regierungshandeln in aller Welt Vorbild und Maßstab bietet. (…) An einer Schlüsselstelle verlangt der baden-württemberger Fragebogen einen Kommentar zum folgenden Text: `Die Menschheit hat noch nie eine so dunkle Phase wie unter der Demokratie erlebt. Damit der Mensch sich von der Demokratie befreien kann, muss er zuerst begreifen, dass die Demokratie den Menschen nichts Gutes geben kann.´ Lang leben die baden-württemberger Bürokraten: Genau dasselbe hat Samuel Alito in seinen Bestätigungs-Anhörungen für seinen Posten am Supreme Court auch gesagt - die amerikanische Präsidentschaft sei `imperial´. Wozu demokratische Kontrolle; wozu eine unabhängige Justiz und das ganze demokratische Getue. Natürlich muss man die zukünftigen deutschen Staatsbürger prüfen, ob sie bereit sind, dem US-amerikanischen Vorbild zu folgen. Und nicht nur Alito hat sich von der Bürde der Demokratie befreit. Unser Präsident hat ihr rastlos entgegengearbeitet. In Guantánamo Bay hat er das Habeas-Corpus-Recht bekämpft. Sein Militär hat unter Bruch der US-Vorschriften Gefangene gefoltert und andere in geheime Verhörzentren in Nahost, Polen und Rumänien ausgeflogen. Er hat seine eigene Bevölkerung ausspionieren lassen, unter Verletzung des Auslandsspionagegesetzes von 1978. Damit hat er sich über das Gesetz gestellt - ein erster Schritt hin zur Befreiung von der Demokratie.“

Lesenswert sind wie so häufig die kompletten Artikel, die ich allein wegen den Grenzen des Zitatrechts hier nur auszugsweise wiedergeben möchte.

Montag, Februar 06, 2006

6. Februar 2006

Eine aktuelle Pressemitteilung der nationalkonservativen Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT:

--- "Leipzig zensiert"
Buchmesse lehnt JUNGE FREIHEIT als Aussteller ab

Als einen "Affront erster Güte" und "dreisten Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit" hat der Chefredakteur der Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT (JF), Dieter Stein, heute die Weigerung der Leiziger Buchmesse bezeichnet, dem JF-Verlag eine Standbeteiligung auf der Messe zu genehmigen. Wie Stein mitteilte, wollte der JF-Verlag sich anläßlich seines 20jährigen Bestehens mit einer Standbeteiligung und einer Jubiläumsveranstaltung auf der Leipziger Buchmesse Mitte März präsentieren. Eine entsprechende Anmeldung wurde von der Messe jedoch abschlägig beschieden.

Der Direktor der Leipziger Buchmesse, Oliver Zille, erklärte schriftlich, eine Beteiligung der JF gefährde den "ordnungsgemäßen Ablauf" der Buchmesse. Mit einer gleichlautenden Auskunft wies Zille auch eine Beschwerde der JUNGEN FREIHEIT zurück. "Deswegen bleibt es bei unserer Entscheidung, Ihnen für die kommende Buchmesse keine Zulassung zu erteilen", heißt es in einem Schreiben Zilles vom 30. Januar an JF- Chefredakteur Stein.

Die JUNGE FREIHEIT appelliert an die Verantwortlichen der Leipziger Buchmesse, ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken, ihrer demokratischen Verantwortung gerecht zu werden und sich auf die Seite der Meinungs- und Pressefreiheit zu stellen. "Wenn die Messeverantwortlichen beginnen, politische Zensur bei der Auswahl ihrer Aussteller auszuüben, ist das ein empörender Skandal", erklärte Dieter Stein. ---

Was ist eigentlich in Leipzig los? Würde man dort auch islamkritische Bücher zurückweisen, weil man sonst mit Randale von fundamentalistischen Muslimen rechnen müsste? Oder würde man Abraham Melzers Verlag ausgrenzen, weil man befürchtet, dass sonst „Honestly Concerned“ aufmarschieren würde? Woher kommen bei der JUNGEN FREIHEIT eigentlich diese absonderlichen Befürchtungen? Wenn immer ich auf der Frankfurter Buchmesse am Stand der JF vorbeigeschlendert bin, war dort genauso wenig los wie bei den meisten anderen Ständen - von Massenkeilereien keine Spur. Der Gedanke, dass es sich bei dieser angeblichen Besorgnis um eine reine Schutzbehauptung handelt, liegt nahe. Wo stecken eigentlich all die mutigen Journalisten, die gegen muslimische Randalierer in arabischen Ländern so tapfer die Pressefreiheit als Heiligtum auch für noch so großen Quatsch verteidigen wollen – völlig zu Recht natürlich, aber auch extrem billig, wenn man zu den Zuständen im eigenen Land brav die Schnauze hält?

Wie die FAZ am 3. Februar in einem kurzen Artikel berichtete, war die Leipziger Messeleitung „erstaunlicherweise für keine Stellungnahme erreichbar.“

Sonntag, Februar 05, 2006

5. Februar zum Vierten

Einen bemerkenswerten Artikel veröffentlicht die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ unter der Überschrift „Du bist Mohammed.“. (War ich nicht eben noch Alice Schwarzer?) Darin heißt es unter anderem: „Moslems sind deutscher Alltag, und es ist keine bundesrepublikanische, erst recht keine europäische Leitkultur denkbar, die den Beitrag europäischer Moslems nicht zu berücksichtigen wüßte. Denn die Geschichte der Immigration aus islamischen Ländern ist ja eine friedliche Geschichte und eine Geschichte wechselseitiger Prosperität. Nirgendwo, weder in Großbritannien noch in Frankreich, noch in Berlin-Kreuzberg, sind Moslems zur organisierten Rebellion übergegangen. An die Opferzahlen des Konflikts zwischen Protestanten und Katholiken in Nordirland reicht noch kein Aufruhr in irgendeiner Vorstadt. (…) Der Blick muß sich auf die Massen von Moslems richten, die sich selbst durch jahrzehntelange islamistische Propaganda nicht haben beeindrucken lassen. Die islamischen Terroristen sind ebenso eine radikale Minderheit, wie es die RAF in der deutschen Gesellschaft der siebziger Jahre war.“

immer noch 5. Februar

Inzwischen beteiligt sich auch die sozialistische Tageszeitung “Neues Deutschland an Henryk Broders Werbekampagne für Rupert Neudecks „Ich will nicht mehr schweigen“. Neudeck plädiere in seinem Werk „für gewaltlosen Widerstand nach dem Vorbild von Mahatma Gandhi“, berichtet der ND-Journalist Heinz-Dieter Winter und stellt die entscheidende Frage: „Was für ein Klima herrscht in diesem Lande, wenn Kritik an einer falschen und völkerrechtswidrigen Politik, die Israel selbst zum Schaden gereicht, als antisemitisch und antizionistisch verleumdet wird? Wenn Mut benötigt wird, um offen zu sagen, dass die israelische Regierung gegenüber den Palästinensern Unrecht tut.“ Winter kommt zu dem Schluss: „Zu heutigen Menschenrechtsverletzungen darf man nicht schweigen, egal wo sie begangen werden. Es reicht auch nicht, sich nur hinter vorgehaltener Hand zu äußern, wie das der verstorbene Altbundespräsident Johannes Rau empfahl.“ Neudecks Buch stelle viele mutige Israelis vor, die „von jenen Leuten, die Neudecks Buch verbieten lassen wollten, verächtlich als `Selbsthasser´ bezeichnet werden.“ Klingt nach einer klaren Kaufempfehlung, auch und gerade für Liberale.

noch 5. Februar 2006

Für Westler scheint die Sicht mancher Dinge ganz selbstverständlich zu sein,, während sie aus arabischer Perspektive jedoch komplett umgekehrt erscheinen. Das wird deutlich, wenn man einmal einen Blick etwa in ägyptische Zeitungen wie Al-Ahram wirft. Dort argumentiert etwa Khaled Amayreh zum Ausgang der palästinensischen Wahl, dass das eigentliche Problem nicht bei der Hamas, sondern bei Israel liege: „Hamas's rise to power is only a problem if Israel remains wedded to its colonial policy of stealing Palestinian lands and terrorising its people”. Und zum Film „München“ diskutiert Joseph Massad nicht, ob er eventuell antisemitisch sei oder nicht, sondern ob Spielbergs Darstellung vielmehr den israelischen Terror gegen die Palästinenser legitimiere.

5. Februar 2006

Noch einen schönen Artikel zur Karikaturen-Debatte liefert uns Jürgen Gottschlich aktuell im SPIEGEL. Lesenswert ist der Beitrag in seiner Gesamtheit, hier nur ein paar Auszüge: “Am Anfang schien alles ganz einfach. Ein Buchautor hatte Schwierigkeiten, Künstler zu finden, die sein Werk mit ein paar lustigen Zeichnungen über den Propheten Mohammed bereichern könnten. Nach dem Motto `Bild kämpft für Sie´ nahm sich die auflagenstärkste Zeitung des Landes des Problems an und forderte die einheimischen Karikaturisten auf, Mut zu fassen und endlich mal, ohne Schere im Kopf, den dämlichen Mullahs, potentiellen Ehrenmördern und Ziegenfickern richtig die Meinung zu sagen. Per Bild, damit diese Analphabeten es auch verstehen. (…) Schließlich lautet das Motto der dänischen rechtsliberalen Regierung seit ihrem Amtsantritt: Wenn es euch bei uns nicht passt, geht doch nach Hause. Keine andere europäische Regierung agiert so offen fremdenfeindlich wie die dänische. (…) Nun haben die Angesprochenen, nachdem man es ihnen lange genug eingehämmert hatte, die Botschaft endlich verstanden und sie sind `nach Hause´ gegangen. Wo sie in Dänemark kein Verständnis mehr finden konnten, suchten sie Unterstützung bei der Al-Aksa Moschee in Kairo, deren Gelehrte so etwas wie die muslimische Glaubenskongregation darstellen. Seitdem schlottert den Helden der Meinungsfreiheit plötzlich die Hose. Seit es nicht mehr nur darum geht, einer Minderheit zu zeigen, was sie gefälligst zu akzeptieren hat, wird Entschuldigung geheuchelt. (…) Wegen ein paar Karikaturen, das kann doch wohl nicht wahr sein!!! Das muss doch wohl erlaubt sein! Sicher, mit genügend Dummheit im Gepäck ist alles erlaubt. In einem kurzen Interview im ZDF erklärte der Deutschland Korrespondent von al Dschasira am Freitagabend dem deutschen Publikum worum es eigentlich geht: Seit etlichen Jahren haben die muslimischen Einwanderer in Europa das Gefühl, ständig an den Pranger gestellt zu werden und keinerlei Respekt mehr zu genießen. Irgendwann genügt eine letzte Aktion, um ein Fass überlaufen zu lassen, dass seit langem mit Frust und Wut gefüllt wurde. (…) Das funktioniert wie kommunizierende Röhren und plötzlich kommt es zum Knall. Haben wir jetzt den lange herbei geredeten Kampf der Kulturen? Wenn man lange genug daran arbeitet, ist es vielleicht bald soweit. Religiöser Fanatismus und Armut auf der einen Seite, Arroganz und die Angst um den eigenen Reichtum auf der anderen Seite, bilden derzeit eine Mischung, die hochexplosiv ist.“

immer noch 4. Februar

Bei der Endlos-Soap „Marienhof“ bin ich irgendwann ausgestiegen, als ständig dieselben Dinge in leicht veränderter Form passierten. Die Henryk-Broder-Soap scheint euch ja noch zu faszinieren, denn ich erhalte gerade von den verschiedensten Seiten einen Programmhinweis auf die neueste Folge. Darin lässt der Präsident des Frankfurter Landgerichts aufgrund von Broders Nazivergleich wegen Beleidigung ermitteln, was Broder wiederum als Chance sieht, „jeden Frankfurter Richter wegen Befangenheit abzulehnen“. Wie, sieht Broder seine Prozesschancen gegen Melzer selbst schon dermaßen schlecht? Wenn dieses Getrickse funktioniert, hätte sich J.R. Ewing daran noch eine Scheibe abschneiden können. Schalten Sie auch zur nächsten Folge wieder ein, wenn Sie einen berühmten SPIEGEL-Journalisten sagen hören: „Alles Nazis außer mir!“

noch 4. Februar 2006

Einen bemerkenswerten Kommentar zu der Debatte um die antimuslimischen Karikaturen gibt es heute von Klaus Hartmann in der „jungen welt“. Dort heißt es: „Ausgerechnet reaktionäre Kräfte stimmen jetzt das Hohelied der Pressefreiheit an. Wem würde einfallen, die rassistischen antijüdischen Karikaturen des `Stürmer´ als Ausdruck der Pressefreiheit zu verteidigen? Am wenigsten wissen manche Bescheidwisser offenbar über Dänemark. Seit 2001 regiert dort eine reaktionäre und rassistische Koalition, deren Politik der Londoner Guardian als `Flirt mit dem Faschismus´ bezeichnete. (…) Das UNHCR nannte die Ausländergesetze `nicht vereinbar mit internationalen Flüchtlings- und Menschenrechtsregeln´. Die auflagenstärkste Zeitung Jyllands-Posten ist Vorreiter und Sprachrohr dieser Politik, sie startete die `kalkulierte Provokation´ ebenso, wie sie in den 1930ern gegen Juden hetzte.“

Kaum anders sieht es die „Frankfurter Rundschau“: „Kennern der dänischen Medienszene entgeht die Ironie nicht, dass ausgerechnet Jyllands-Posten nun als Fackel der Meinungsfreiheit gilt - just das rechteste der dänischen Blätter, in dem sonst jeder niedergeknüppelt wird, der sich erdreist, anders zu denken. (…) Der Historiker Steffen Heiberg sieht in Politiken daher die Karikaturen als Teil eines Kulturkampfs, den das bürgerliche Dänemark gegen den Islam führe. `Hätte man das Argument der Meinungsfreiheit auch benützt, wenn eine Zeitung zwölf zutiefst verletzende antisemitische Zeichnungen gedruckt hätte? Man kann sicher sein, dass dann vom Premierminister bis zum Leitartikler des kleinsten Provinzblattes alle die großen Worte ausgepackt hätten´. Nun aber versuche die Regierung, die Kränkung zu legitimieren.“

Ich bin natürlich weiterhin dafür, dass zum Beispiel gemäßigte Muslime sich stärker dafür einsetzen sollten, den Furor ihrer Glaubensbrüder (und -schwestern) ein wenig zu dämpfen, aber oft sind die Dinge eben nicht so schwarz-weiß, wie sie manchem erscheinen.

4. Februar 2006

Das Rupert-Neudeck-Jagdkommando hat es mittlerweile immerhin geschafft, dass sein Buch „Ich will nicht mehr schweigen“ in der Berliner ”taz” vorgestellt wird - und das von keinem Geringeren als Bahman Nirumand: „Wie kommt es, dass es in der politischen Kultur der Bundesrepublik eine geradezu totalitär verfestigte Ideologie zum Thema Israel und Antisemitismus gibt“ zitiert Nirumand zunächst Abraham Melzer, den Verleger des Buches. Das Unrecht beim Namen zu nennen und Widerstand dagegen zu leisten sei heutzutage wieder ein Wagnis geworden. Schließlich falle „jede Kritik gegen Israel `entweder durch den Rost der öffentlichen Meinung oder wird auf diesem Rost gegrillt´. Kritiker, selbst jüdische, die in Konzentrationslagern Qualen erlitten haben, werden als `Nestbeschmutzer´, `jüdische Selbsthasser´, `Antisemiten´ oder `Rassisten´ abgestempelt. Journalisten, Politiker und intellektuelle Meinungsmacher in Deutschland haben um Israel eine Front aufgebaut, die niemand ohne den Verlust seines Rufs zu riskieren, durchkreuzen könnte, so Neudeck. Er selbst habe sich oft in Israel aufgehalten und Unerträgliches erlebt, er sei aber so `benebelt und blind´ gewesen, dass er alles Jüdische von vornherein `in einem günstigen und sympathischen Licht´ gesehen habe. Doch bei seinen letzten Reisen sei das erlebte Unrecht so erschütternd gewesen, dass er nicht mehr darüber schweigen konnte.“ Bleibt zu hoffen, dass sich auch bei möglichst vielen anderen Menschen diese Umnebelung legt.

Ein Sehender, auch er natürlich über Jahre gnadenlos angefeindet und begeifert, ist Norman Finkelstein. Sein demnächst auch hierzulande erscheinendes Buch mit dem Originaltitel „Beyond Chutzpah“ widmet Alfred de Zayas in der FAZ (Link steht aktuell leider nicht mehr) eine Kurzvorstellung. Dabei handele es sich unter anderem um eine Absage „an Alan M. Dershowitz, eine(n) der führenden Vertreter des amerikanischen Zionismus, der in seiner Streitschrift `The Case for Israel´ (2003) die Folterpraktiken israelischer Militärs und Geheimdienstler, die teils wahllose, teils gezielte Tötung Tausender von Palästinensern, die Vertreibung Hunderttausender von ihnen seit der Gründung Israels und die Zerstörung ihrer Heime zum Zwecke des Baues jüdischer Siedlungen arrogant rechtfertigte. Finkelstein, auch er Jude und Sohn von Holocaust-Überlebenden, greift seinen Gegner direkt an und fordert im Umgang mit der Geschichte und Gegenwart Israels intellektuelle Redlichkeit ein (…) Aber das Buch ist zugleich nüchterne Abhandlung und Analyse, die zu dem Schluß führt, daß Dershowitz' Ausführungen nicht nur dreist und arrogant im Ton sind, sondern von Halb- und Unwahrheiten strotzen. Man kann die Vielfalt und Seriosität der von Finkelstein herangezogenen Geschichts- und Rechtsquellen kaum genug hervorheben: Berichte von Amnesty International, Human Rights Watch, Plenarsitzungen der UN-Menschenrechtskommission und vieles andere mehr. (…) Anhand zahlreicher Beispiele illustriert er, wie auch die zaghafteste Kritik an Israel in den amerikanischen Medien und in der politischen Öffentlichkeit zum Vorwand genommen wird, die Rufer und Mahner ins antisemitische Lager abzudrängen.“ Wie ich in diesem Blog immer wieder aufgezeigt habe, ist diese Praktik in unseren deutschen Medien allerdings erst recht ein Renner. Zayas indes fordert als denkbares Fazit aus Finkelsteins Buch: „Vielleicht sollte die EU versuchen, Einfluß auf Israel zu nehmen, und verlangen, daß sie die UN-Resolutionen in die Tat umsetzt und die Feststellungen des Internationalen Gerichtshofes vom 9. Juli 2004 bezüglich der Völkerrechtswidrigkeit der Trennungsmauer respektiert.“

Aber Moment? Dershowitz Buch, auf deutsch erschienen im Europa-Verlag als „Plädoyer für Israel“, strotze nur so vor Halb- und Unwahrheiten? In der Tat: Zu demselben Ergebnis kam Ernest Goldberger bereits in der „Neuen Zürcher Zeitung“, wo er über Dershowitz Israel-Plädoyer schreibt: „Darin bezeichnet Dershowitz beispielsweise die Beachtung der Menschenrechte in den besetzten Gebieten durch Israel als grossartig (superb) und diskreditiert alle Menschenrechtsorganisationen, die seit Jahren präzis und unbestreitbar schwere Verletzungen von humanen Grundrechten der palästinensischen Bevölkerung belegen. Dershowitz geht so weit zu behaupten, dass Israel nicht an das internationale Recht gebunden sei und sich dieses daher nicht vorhalten lassen müsse. Er hält sich an seinen öffentlich wiederholt verkündigten Grundsatz, seine Aufgabe sei die Freisprechung der von ihm verteidigten Straftäter, auch wenn er um deren Schuld wisse.“ Doof halt auch, dass Finkelstein anhand ausführlicher Textstellen nachweisen kann, dass Dershowitz zu weiten Teilen ein Buch plagiierte, welches von Fachleuten schlicht als „hoax“ (soviel wie „Scherz“ oder „Zeitungsente“) betrachtet wird.

Da ist es natürlich hochgradig pikant, wenn man weiß, dass die Autoren der sogenannten „Achse des Guten“ sich über Dershowitz Mumpitz in einen Orgasmus nach dem anderen hineingesteigert haben. So viel Unverstand können Sie sich selbst bei denen nicht vorstellen? Doch, doch, doch: Als erstes rubbelte sich Michael Miersch einen daran ab („Aufkärung pur“), dann gab er das Teil weiter an Tobias Kaufmann, in dessen heißer Phantasie der Winkeladvokat Dershowitz gar zum Helden eines Hollywood-Streifens gerät („Die Vorwürfe der Anklage ließe er vor der Jury mit Fakten, aber auch mit rhetorischen Falltüren, ins Bodenlose stürzen, und jeder im Saal, der sich vorschnell auf die Seite der Anklage geschlagen hat, sänke peinlich berührt in seine Bank zurück ...“) Vielleicht ein bisschen mehr Realität als schlechtes Ami-Kino, meine Herren, wenigstens wenn es um die Menschenrechte geht? Oh, und habe ich erwähnt, dass Henryk Broder zu diesem Buch das Vorwort verfasst hat? Ich fürchte, den Herrschaften dieses Netzwerks sind ihre herben Fehlgriffe nicht mal im Nachhinein peinlich …

Falls Sie den Eindruck haben, ich sei hier gerade ein wenig polemisch geworden, dann kann ich Ihnen nur ans Herz legen, sich Finkelsteins Aufklärungsschrift selbst zu besorgen. Sie erscheint unter dem Titel „Antisemitismus als politische Waffe“ in wenigen Wochen im Piper-Verlag. Und dann vergleichen Sie seine Zerlegung von Dershowitz doch einfach mal mit den Lobeshymnen der „Achse“. Viel Vergnügen - Sie werden es haben!

Freitag, Februar 03, 2006

noch 3. Februar

Der Streit um die islamfeindlichen Karikaturen geht weiter. Unbenommen der Tatsache, dass die Meinungsfreiheit ein hohes Gut darstelle, problematisieren viele Journalisten, wie fahrlässig hier damit umgegangen worden sei.

So heißt es in der ”Frankfurter Rundschau”: „Die Karikaturen (…) seien nicht Ausdruck einer konstruktiv islamkritischen Haltung, sondern bisheriger Höhepunkt einer in Europa grassierenden Islam-Feindlichkeit, die an die antisemitische Hetze im Stürmer erinnere.“

Die Berliner ”taz” befindet: „Es ging nicht um eine künstlerische Auseinandersetzung mit der Figur Mohammeds, die dann das religiöse Empfinden anderer verletzte (wie im Fall Rushdie). Die Karikaturen wurden umgekehrt in dem Wissen bestellt, dass sich hier ein verletzlicher Punkt befindet - und dass man sich jederzeit hinter `Meinungsfreiheit´ würde verstecken können. Nun ist es Sinn der Sache, dass die Meinungsfreiheit in einer demokratischen Öffentlichkeit einen Schutzraum bereitstellt, in der verletzende oder gar undemokratische Meinungen geäußert und erprobt werden können. Hier wurde der Schutzraum Meinungsfreiheit instrumentalisiert, um einen gesellschaftlichen Konflikt zu schüren.“

In der ”Berliner Zeitung” von heute heißt es: „Die Kunst- und Meinungsfreiheit ist ein Grundrecht in unserer Zivilisation, das wie alle Grundrechte auch dort gilt, wo es unbedarft in Anspruch genommen wird. Politische Opportunitäten können ihm nichts abzwacken. Aber auch unerschütterliche Rechte können verkehrt gebraucht werden. Und das ist der Fall bei besagten Karikaturen. Sie sind ja keine blitzenden Einwürfe gegen den Ungeist, keine Voltairischen Flüge der Kritik, auch wenn France Soir das gern so darstellt. Sie sind - und vor allem gilt das für den Mohammed mit einer Bombe unterm Turban - Zeugnisse einer Fremdenfeindlichkeit, die sich jetzt wundert, dass die Beleidigten beleidigt sind.“

Und schließlich kommentiert die ”Süddeutsche”: “Man hat in den Gazetten schon viele Karikaturen grimmbärtiger Terroristen, gierig lächelnder Ölscheichs oder tumber Mullahs gesehen. Jedes Bild hat hoffentlich seinen Sinn, jedes seine eigene Komik, jedes für sich ist harmlos. Von einer empfindlichen Minderheit werden sie aber leicht als Stimmungsmache empfunden. In einem Land, wo einst zu vermeintlich normalen Zeiten der Stürmer mit seinen krummnasigen Juden eine Hetzkampagne betrieb, ist auch dieser Aspekt einen Gedanken wert.“

3. Februar 2006

Gestern wurde der US-amerikanische Präsident George W. Bush von einer eigens dafür eingerichteten Untersuchungskommission verschiedener Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit für schuldig befunden. In einer Pressemitteilung heißt es unter anderem:

--- Today the Bush Administration was found guilty of war crimes and crimes against humanity for invading Iraq, instituting torture and indefinite detention, attacking efforts to control global warming and for deliberately failing to prevent devastation and loss of life during Hurricane Katrina. These findings were released at the National Press Club by the International Commission of Inquiry on Crimes Against Humanity Committed by the Bush Administration. The full text of can be found at www.bushcommission.org. (…)

Earlier, at the Commission's press conference, Ajamu Sankofa, Executive Director of Physicians for Social Responsibility-NY and one of the panel of jurists, stated "The historical significance of this tribunal is that American citizens, civil society, is demonstrating courage to stand up and speak its definition of the truth against a wholly orchestrated system of deliberate deceptions."

"This commission is attempting to change the level of discourse," said Abdeen Jabara, another panelist and former President of the American-Arab Anti-Discrimination Committee. "We want people to understand Iraq is not simply a war of choice but an actual war of aggression from which flow certain legal consequences. Torture is often reported as 'abuse' rather than torture. So we need to change the way these items are talked about for people to face the fact
of what this government is doing."

"The Commission is incredibly important for the future of the United States and really the world, because it's the people of America that are speaking to these very serious indictments," said panel member Ann Wright, a former US diplomat and retired US Army Reserve Colonel. Former CIA analyst Ray McGovern added, "Our German fore-bearers in the 1930s sat around, blamed their rulers, said 'maybe everything's going to be alright.' That is something we cannot do. I do not want my grandchildren asking me years from now, 'why didn't you do something to stop all this?'"

Brig. General Janis Karpinski, former UK Ambassador Craig Murray, and former UN weapons inspector Scott Ritter, were among the 44 witnesses presenting testimony at the Commission's two sessions. The Commission will later issue detailed findings, accompanied by full documentation. ---

Donnerstag, Februar 02, 2006

2. Februar zum Fünften

Es wird nicht lange dauern, und man wird das Schweizer jüdische Onlinemagazin „Tachles“ als „jüdische Antisemiten“ oder „Hausjuden“ von welchem Nazi auch immer bezeichnen, denn in einer aktuellen Kritik bewertet es die Henryk-Broder-Soap eher ungnädig:

„Broder setzte (…) das Frankfurter Landgericht mit dem Nazi-`Volksgerichtshof´ gleich und markierte damit, vielleicht schon in Vorahnung des Prozessausgangs, den neuen Tiefpunkt in einer bis dahin innerjüdischen Schlammschlacht um die Frage, ob ein israelkritisches Buch von Hajo Meyer und dessen Präsentation durch Abi Melzer in Leipzig als Ausdruck von jüdischem Judenhass zu werten sei. Broder hatte die fragliche Veranstaltung nicht selbst besucht. (…) Es wäre nicht das erste Mal, dass Broder versucht, seine Angriffe gerichtlich durchzusetzen. Allerdings wird der unfreiwillige Gang zum Gericht im Umfeld von Broder in letzter Zeit fast zur Mode. Im Internet hat sich im Umfeld von Broder eine Gruppe von Unterstützern gefunden, die mit den Methoden amerikanischer Neokonservativer und Pressure Groups versuchen, tatsächliche oder vermutete Israelkritiker anzugreifen und zu diskreditieren. Dabei geriet nicht nur der bekannte Israelkritiker und Nahostexperte Ludwig Watzal ins Kreuzfeuer der online veröffentlichten Anschuldigungen. Betroffen sind auch Journalisten wie Philipp Gessler, ein Antisemitismusexperte der linksliberalen TAZ, oder der in Berlin arbeitende Israeli Igal Avidan, der sich gerade juristisch gegen einen wenig schmeichelhaften `offenen Brief´ des selbsternannten Israelfreundes Ralf Schroeder wehrt. (…) Neben dem Niveau der Auseinandersetzung zwischen einigen älteren Herren zeigt der Fall neue Strukturen auf, in die der innerjüdische Konflikt um Israel und den Zionismus eingebettet ist. Christliche Fanatiker, Rechtsextremisten, Anarchokapitalisten, sogenannte `Antideutsche´ und banale Fremdenhasser sehen in Israel und dem `Krieg gegen den Terror´ die Vorkämpfer gegen den verhassten Islam – und die politische Agenda dieser Internet-Publizisten geht, ähnlich wie bei den islamischen Fundamentalisten auf der anderen Seite, bis zum Mordaufruf. Ob das Urteil des Frankfurter Landgerichts die verbalen Einlassungen beenden wird, kann bezweifelt werden: Manche Autoren betreiben ihre Websites schon seit längerer Zeit ausserhalb Deutschlands.“

Wenn alle Tachles-Artikel so sachlich und aufklärend sind, wird man sich diese (mir bislang völlig unbekannte) Website ebenso merken müssen wie das (nichtjüdische) Israelnetz. Den Kontrast zu Hagalil oder der „Jüdischen“ aus Österreich empfinde ich als sehr angenehm.

2. Februar zum Vierten

Die erfreulichen Meldungen reißen dieser Tage nicht ab. Wie ich gerade entdecke, steht wieder eine ausführliche Rezension zu einem meiner neuesten Bände mit erotischen Kurzgeschichten online, nämlich zu ”Wachs in deiner Hand”. Und sie ist sogar noch positiver als die bisherigen. Schön, wenn ich meinen Lesern mit meinen Texten Freude bereiten kann!

immer noch 2. Februar

Hier gibt´s inzwischen auch alle Viertelstunde was zu bloggen … Gerade finde ich die neueste Ausgabe unseres liberalen Magazins “eigentümlich frei“ im Briefkasten. Dort beginnt von heute an meine regelmäßige Kolumne zum Thema „Feminismus oder Freiheit?“, in der ich aktuelle Medienmeldungen zur Geschlechterdebatte analysiere. Statt wie bisher als freier Mitarbeiter und ironisierend als "Gleichstellungsbeauftragter" zu erscheinen, werde ich ab jetzt als Redaktionsmitglied aufgeführt. Sollte irgendjemand in den letzten Monaten versucht haben, zwischen „eigentümlich frei“ und mich einen kleinen Keil zu treiben, hatte diese Aktion wohl eher den gegenteiligen Effekt.

noch 2. Februar

Der Streit um die islamfeindlichen Karikaturen geht weiter. So fordert Christian Geyer in der FAZ, dem politischen Druck schmollender Muslime nicht nachzugeben, sondern das Recht auf Meinungsfreiheit zu verteidigen. In einem Akt europaweiter Solidarität sollten so viele Medien wie möglich diese Zeichnungen präsentieren. Dem kann man durchaus aus vollem Herzen beipflichten, und mein Blog hat gestern seinen Teil dazu getan. Wenn wir allerdings gerade dabei sind, sollten in einem Akt europaweiter Solidarität auch so viele Kirchen wie möglich Lesungen aus Hajo Meyers „Das Ende des Judentums“ und Rupert Neudecks „Ich will nicht mehr schweigen“ abhalten, um auch entgegen dem politischen Druck schmollender Juden das Recht auf Meinungsfreiheit zu bewahren. Und selbstverständlich sollten aus ähnlichen Gründen Buchhändler aus ganz Deutschland stapelweise die „Junge Freiheit“ auslegen, um das Duckmäusertum der Leipziger Messeveranstalter zu konterkarieren. Komisch, dass man in den letzten beiden Fällen kein großes Pressegetöse um unsere „liberalen Werte“ hören kann. Meinungsfreiheit ist Meinungsfreiheit und gilt immer auch für die Ansichten des politischen Gegners. Schon auffällig, dass dieselben Leute, die sich ein Loch ins Knie freuen, wenn eine israelkritische Lesung der Politischen Korrektheit zum Opfer fällt, wenige Tage später eine neue Diktatur um die Ecke biegen sehen, wenn dieselbe Politische Korrektheit sich auch den bei ihnen verhassten Muslimen unterwirft. Ein bisschen mehr Konsequenz statt wie-man´s-grade-braucht wäre schon wünschenswert.

2. Februar 2006

Nach dem vorgestrigen kleinen Tobsuchtsanfall Klaus Bittermanns über das Gerichtsurteil gegen Henryk Broder gibt es dazu in der „jungen welt“ von heute eine Reihe von Leserbriefen. Offenbar waren Claudia Karas und ich nicht die einzigen, die diesen brunzdummen Beitrag inhaltlich richtig stellen wollten. So schreibt Detlef Joseph: „Die Position Bittermanns erinnert an die Verteidigungsversuche der Nazis, die `Strafaktionen´ gegen die sowjetische Bevölkerung seien deshalb zulässig gewesen, weil Partisanen kein Recht gehabt hätten, ihre Heimat gegen den Aggressor Nazideutschland mit allen Mitteln zu verteidigen.“ Abraham Melzer zeigt sich halb verwundert und halb amüsiert, mit welcher Chuzpe Bittermann die Fakten verdrehe. Und Knut Mellenthin klärt auf: „Die Webseite mit dem entlarvenden Namen `Achse des Guten´, deren Inhalt maßgeblich von Broder gestaltet wird, ist Teil eines Netzwerks, das sich im widerlichsten McCarthy-Stil der gezielten persönlichen Denunziation und Hetze gegen `US- und Israelgegner, Saddam- und Palästinenserfreunde´ widmet (…). Wer Zweifel hat, möge sich diese Seiten anschauen (…). Und der Zweck ist Beihilfe zur Vorbereitung des `Weltkriegs´ gegen immer mehr moslemische Staaten.“

Unterdessen geht die Henryk-Broder-Soap munter weiter. (Es erinnert wirklich an eine Daily Soap: Bescheuerter Inhalt, aber durchaus mit einem gewissen Unterhaltungswert.) In der heutigen Folge etwa droht sich Ärger mit einem Berliner Amtsrichter an.

Falls Sie meine Leidenschaft für Soaps nicht teilen können und diese Pillepalle allzu trivial finden, interessiert Sie vielleicht eher ein aktueller Kommentar in der führenden israelischen Oppositionszeitung „Haaretz“ zum Wahlsieg der palästinensischen Hamas. Darin heißt es: „Die gute Nachricht aus den besetzten Gebieten ist, dass Hamas die Wahlen gewonnen hat. Im Gegensatz zu dem, was der Chor der nationalen Einschüchterung – von Benjamin Netanjahu bis Ami Ayalon einstimmig sagt - könnte der politische Wechsel in Palästina gute Nachrichten bedeuten.“ Lesenswert ist der gesamte Artikel.

Mittwoch, Februar 01, 2006

noch 1. Februar

Ach du Scheiße! Vielleicht hätte ich in meinem letzten Blog-Eintrag den Mund doch nicht so voll nehmen sollen. Wie ich gerade lese, protestieren jetzt auch zehntausend Frauen gegen diese albernen Karikaturen aus Dänemark! Und bekanntlich ist bei uns im ideologiefreien, nicht-verblendeten, freien Westen alles, wogegen massenweise Frauen protestieren, automatisch des Teufels. Ich höre schon Alice Schwarzer in sämtliche Mikros mit einem Abbruch ihres geplanten Dänemark-Urlaubs drohen. Und wer immer noch für die ungehinderte Veröffentlichung solcher Zeichnungen ist, gilt ab heute garantiert als Frauenfeind. Der politische Tod. Ich bereite schon mal meinen Weg ins Exil vor.

Währenddessen berichtet der SPIEGEL Interessantes: Für den muslimischen Zorn seien vermutlich vor allem weitere Karikaturen verantwortlich, „die den Propheten als Pädophilen und als Schwein darstellen und einen betenden Muslim zeigen, der von einem Hund vergewaltigt wird. Diese eindeutig rassistischen Zeichnungen (...) hätten die Aufregung in der arabischen Welt mit angeheizt - und den Skandal auf ein Niveau gehoben, das er sonst vielleicht nicht erreicht hätte.“ Der zunächst friedliche Protest von Muslimen gegen die „Gotteslästerungen“ sei ignoriert worden.

Ganz andere Baustelle: Auch in der Messestadt Leipzig ist es so, dass man aus Angst vor Randalierern mal eben die Pressefreiheit einschränkt. Und auch dagegen sollten sich liberale Journalisten aller politischer Couleur selbstverständlich engagieren.

1. Februar 2006

Und dann schreibt er manchmal wieder ganz gescheite Sachen

Bekanntlich bin ich sehr für einen konstruktiven Dialog mit dem Islam, aber wenn einige muslimische Hitzköpfe wegen einer Handvoll missratener Karikaturen mit Morddrohungen poltern und kurz davor scheinen, sich in den heiligen Krieg hineinzusteigern, sollte man sich als liberaler Journalist doch wenigstens mal kurz räuspern. Andere Muslime gebieten ihren Glaubensbrüdern inzwischen Einhalt, allerdings könnte das damit zu tun haben, so wenden Skeptiker ein, dass sie inzwischen gemerkt haben, mit ihrem Getobe nur zu einer noch weiteren Verbreitung dieser Zeichnungen beizutragen. Wenn das so sein sollte, schließen wir uns doch gerne mal an: Hier gibt es die lästerlichen Bilder in erkennbarer Größe, dazu einen Artikel über die aktuellen Entwicklungen und mal mehr, mal weniger intelligente Kommentare von muslimischen und nicht-muslimischen Lesern. Richten Sie Ihre Beschimpfungen, Morddrohungen und was Ihnen sonst noch so alles einfällt bitte wie üblich an Cagliostro3@hotmail.com. Ich bin von den Durchgeknallten der verschiedensten Lager inzwischen absonderliche Reaktionen gewohnt.