Der
Spiegel-Online-Artikel zum Düsseldorfer Männerkongress … nun ja, er ist doch arg durchwachsen geworden.
Ich beginne mal mit dem Negativen, das ist in der Überzahl: Der Beitrag beginnt, offenbar um den redaktionellen Vorgaben zu entsprechen, die mittlerweile mit unsichtbarer Tinte in unseren Pressekodex geschrieben worden sein müssen, mit dem gewohnten ausführlichen Lamento darüber, inwiefern das weibliche Geschlecht überlegen und das männliche Geschlecht minderwertig ist. Ich zitiere nur mal stichpunktweise:
Frauen haben die Männer abgehängt … Mädchen sind besser in der Schule, mittlerweile auch in den "klassischen" Jungs-Fächern wie Mathematik … Frauen rauchen weniger als Männer, nehmen nicht so häufig Drogen, leiden nicht so sehr unter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, und sie leben länger. Frauen sind seltener kriminell … Kurzum: Frauen sind die Gewinner, in allen Disziplinen. … Aber dabei blieb es nicht: Frauen haben nicht nur nach und nach Männerbastionen erobert - sie haben laut Forschern auch die erfolgreicheren Strategien für das Leben allgemein. … Dabei sind sie aufs Ganze gesehen flexibler als Jungen. Beispiel elektronische Medien: Während Mädchen zwar auch viel Zeit mit Internet und Fernsehen verbringen, gehen sie dennoch umsichtiger mit den neuen Medien um. … "Männer haben eine enorme Schlagseite hinsichtlich der elektronischen Medien", sagt Hurrelmann, "sie lassen sich viel mehr von Internet und Computerspielen absorbieren als die Mädchen." … Frauen seien flexibler, anpassungsfähiger, durchschauten Spielregeln schneller und könnten Herausforderungen so besser meistern - in der Schule wie im Leben. Männer hingegen reagierten öfter mit Frust, Verweigerung, Rückzug oder nach außen gekehrter Aggression. … "Frauen kommen mit dieser strukturellen Ungewissheit der Lebensplanung besser zurecht" … Wie gehen Jungs damit um? Überfordert mit den Herausforderungen des Lebens und ihrer Rolle bunkern sich viele von ihnen bei ihren Eltern ein.
Und so weiter und so fort. Lest es selbst, das Zitieren macht jetzt schon keinen Spaß mehr. Man fragt sich, warum Frauen (weit überwiegend aus den Steuergeldern von Männern) noch immer mit Milliardensummen gefördert werden müssen, wenn sie doch ohnehin das Über-Geschlecht darstellen.
Etwas später macht der Spiegel-Online-Artikel allerdings einen merkwürdigen Schlenker. Nach langen Absätzen des Männer-Bashings liest man plötzlich:
Sein Kollege Walter Hollstein, Geschlechterforscher von der Universität Bremen und Autor des Buches "Was vom Manne übrigblieb", sieht vor allem das das Problem, dass ehemals typisch männlich geltende Tugenden gesellschaftlich mittlerweile als Stigma gelten - nach Ansicht Hollsteins eine Folge der ursprünglich von feministischen Bewegungen verbreiteten Bilder, die mittlerweile Eingang gefunden hätten in die populäre Kultur. Die Welt sei weiblicher geworden, meint Hollstein. Das Weibliche gelte mittlerweile als die Norm, das Männliche eher als pathologisch. (…) So auch in den Kindergärten und Schulen, die sich laut Hurrelmann die Frauen in den letzten Jahrzehnten ebenfalls nach und nach erobert hätten. "Jungen sind einfach anders als Mädchen - und das müssen wir akzeptieren." Stattdessen bekämen sie viel zu oft negative Signale, dass es nicht in Ordnung ist, wie sie sind.
JA, DIESE SIGNALE ERHALTEN SIE. ZUM BEISPIEL VON SPIEGEL-ONLINE. Es ist schon faszinierend mitanzulesen, wie ein männlicher Spiegel-Redakteur, als befände er sich im Zustand tiefster Hypnose, über lange Strecken eben jenes Verhalten zeigt, das er wenig später mit Rückgriff auf Walter Hollstein vollkommen zutreffend als destruktiv kenntlich macht. Natürlich trägt dazu bei, dass sich der so ausführlich zitierte Klaus Hurrelmann offenbar selbst noch nicht von diesem Schwarz-Weiß-Denken lösen kann. (Wobei ich es einem Spiegel-Redakteur durchaus zutraue, dass er besonders hingebungsvoll vor allem jene Äußerungen Hurrelmanns zitiert, die ohnehin in sein bisheriges Weltbild passen.)
Gegen Ende allerdings macht der Artikel, hast du's nicht gesehen, mit demselben Mangel an Reflektion darüber, ob das so überhaupt alles zusammenpasst, eine weitere Kurve. Wurde darin eben noch festgestellt, man solle Jungen Jungen sein lassen, statt ihr Verhalten als minderwertig abzuwerten, heißt es nun, man müsse "Jungen ermuntern, ihre Rolle zu erweitern, sich Fähigkeiten jenseits des klassischen Männerbildes anzueignen: Sprache, Kommunikation, Empathie, offenen Umgang mit Gefühlen." (Weil ja bisher alle Philosophen, Schriftsteller, Diplomaten und Therapeuten weiblich sind.) Dieses "Jungen ermuntern" scheint so ziemlich genau dem zu entsprechen, was ohnehin gängige Geschlechterpolitik ist: Männer in die Richtung zu schubsen, wo sich das vermeintlich höherwertige weibliche Geschlecht befindet. Das gleichzeitig durch zig Girls-Days und etliche andere Maßnahmen darauf trainiert wird, die Rolle der angeblich so minderwertigen Männer auszufüllen. Man kommt sich vor wie in Schilda.
Nun mag ein Teil der Crux bei diesem Beitrag schlicht dem Umstand zu verschulden sein, dass Männerpolitik im Jahr 2010 deutlich komplexer und vielschichtiger ist, als in einen Spiegel-Online-Artikel passt (zumal man bei diesem Thema, anders als bei Frauenpolitik, offenbar bei so gut wie keinem Journalisten nähere Vorkenntnisse erwarten darf.) Aber ein gewaltiger Anteil an diesem Misstand liegt auch darin, wie sehr unsere Medienmacher die feministische Ideologie bereits verinnerlicht haben: Ohne einen Kotau vor den Frauen und einem Niedermachen der Männer geht es nun mal nicht. Und wenn überhaupt endlich so etwas wie eine Männerpolitik gefordert werden darf, dann selbstverständlich nicht, weil es den Männern damit besser ginge, sondern nur zum Nutzen der Frauen: Weil denen nämlich sonst angeblich "die passenden Männer ausgehen". Was ja interessante Visionen über eine Zukunft erlaubt, in der die gelante Umerziehung nicht stattfindet (oder nicht gelingt): Reihenweise Bekehrung von Frauen zum Lesbentum? Oder ein sprunghafter Anstieg der Verkaufszahlen von Vibratoren, die jetzt auch den Rasen mähen und 70 Stunden die Woche Familieneinkommen erwirtschaften können?
Gut, ich will den Artikel nicht völlig niedermachen. An zwei Stellen muss ich ihn sogar loben. Dieser Absatz hier trifft bei der aktuellen Problematik doch ziemlich ins Schwarze:
Zudem hätten Männer kaum Advokaten für ihre eigene Sache, sagt Hollstein. Und die wenigen liefen Gefahr, sofort diffamiert zu werden. Zudem gebe es kaum Jungen- und Männerforschung. Gerhard Amendt, Soziologe an an der Universität Bremen, der Scheidungsväter erforscht, sagt: "Wir wissen nur sehr wenig über Männer." Die Bundesregierung verweigere den Männern auch einen Gesundheitsbericht, so wie es ihn seit Jahren für Frauen gibt, meint Hollstein.
Wenn man die sexistische Ausrichtung von Medien, Forschung und Politik zugunsten nur eines von beiden Geschlechtern angehen könnte, wäre in der Tat schon viel gewonnen. Die in dem Artikel geschilderten Probleme vieler Männer sind ja zutreffend, aber hier offenbart sich weniger eine Minderwertigkeit der Männer als ein Versagen der Geschlechterpolitik. Und sorry, diese Geschlechterpolitik wurde in den letzten Jahrzehnten nicht von Männerrechtlern gemacht, sondern von Feministinnen.
Der andere deutliche Pluspunkt dieses Artikels: In der linken Spalte des Artikels gibt es einige brauchbare Linktipps. Einer davon führt zu einer noch sehr jungen, aber auch sehr hoffnungsfrohen kleinen Initiative namens
AGENS … Das tröstet allerdings auch nur ein wenig.
Abschließend sei hier die
Bewertung des MANNdat-Vorsitzenden Eugen Maus zitiert:
Die Fakten sind ja nun schon seit etlichen Jahren offenbar, zumindest für diejenigen, die gelegentlich einen Blick auf die Internetseiten von MANNdat werfen. Für den akademischen Bereich ist es daher geradezu ein beschämendes Eingeständnis, wenn Hurrelmann schreibt: "Mit erheblicher Verspätung hat jetzt eine Diskussion darüber begonnen, wie die gravierende Benachteiligung des männlichen Geschlechts in Erziehungs-, und Berufsbildungseinrichtungen zum Halt gebracht werden kann."
Wäre es nicht schön, wenn man endlich mal dahin gelangen könnte, wenigstens ein einziges, winziges Gesetzchen zu machen, das den Überhang bei der Frauenförderung drastisch runterfährt (meine Lieblingsoption, schon unter finanziellen Aspekten) oder zumindest auch mal bei aktuellen Gesetzesentwürfen, z.B. zur Beschneidung, wenigstens andeutungsweise auch Interessen von Jungs und Männern berücksichtigen würde?
Ich wage eine Voraussage: Wenn sich die Politik durch diesen Kongress zu irgend etwas bewegen lässt, dann zu einer profeministischen Männerförderung und zu sonst nichts.
Nachtrag: Auch
"Die Welt" berichtet über den Männerkongress. (Treffendster Satz nicht nur dieses Artikels, sondern zur Debatte insgesamt: "Er soll und soll und soll.") Und wenig überraschend macht "heute" von allen Inhalten des Kongresses allein Männerbashing zur
Titelschlagzeile.